Читать книгу Mehr recht als billig - Kriminalroman - Peter Werkstätter - Страница 9
ОглавлениеEin Mensch ist so glücklich, wie er es beschließt zu sein
(Abraham Lincoln)
Der Airbus, in dem der Spieler saß, hatte die Reisehöhe erreicht und die Crew bereitete bereits die Servierwagen für eine erste Mahlzeit der Fluggäste vor. Der ursprünglich geplante Flug vom International Airport Los Angeles nach München mit Zwischenstopp in Atlanta war überbucht. Seine Glücksphase schien aber weiter anzuhalten, denn Delta bot ihm ein Upgrade an. Der Spieler war sehr damit einverstanden, statt in einer Boeing 737 der Delta Air jetzt in einem komfortablen A350 der Lufthansa zu sitzen. Außerdem handelte es sich dabei um einen Direktflug von LA nach München.
Er lehnte sich in seinem bequemen Sessel dieses, wahrscheinlich modernsten Verkehrsflugzeuges der Welt, zurück. Die futuristische Kabinenbeleuchtung mit dem vielversprechenden Namen „Mood Lighting“ suggerierte den Fluggästen z. Z. durch eine orangene Färbung das Gefühl von Hunger und Durst – so hatte es zumindest die Flugbegleiterin erklärt. In den Zeiten zwischen den Mahlzeiten, konnte man mit Blautönen, unabhängig von der tatsächlichen Tages–oder Nachtzeit, Müdigkeit bei den Passagieren hervorrufen und so den Jetlag an den Tagen nach der Reise reduzieren. Er würde bald wissen, ob das auch wirklich eintrat.
Deutlich spürbar war in jedem Fall der absolut ruhige Flug der Maschine. Das betraf sowohl die Akustik, wie auch das Bewegungs–und Vibrationsverhalten des Fliegers. Er genoss diesen nicht alltäglichen Flug.
Der Spieler hatte bereits auf dem vergleichsweise sehr kurzen Inlandsflug von Las Vegas nach Los Angeles die zurückliegenden Tage im Gedächtnis noch einmal zurückgespult. Die letzte Nacht im Caesar´s Palace hatte, entgegen seiner optimistischen Überzeugung vom Vortag, völlig glücklos begonnen. Während er sich in den ersten drei Blackjack Runden „überkauft“ hatte, war er danach zu zögerlich und blieb bereits bei 13 bzw. 14 Punkten stehen. Es bestand zu diesem Zeitpunkt die große Gefahr für ihn, die an den Vortagen kumuliert gewonnenen 40 TEUR, in kürzester Zeit zu verspielen. Die fünf Mitspieler waren so mit ihrem Spiel beschäftigt, dass sie seine Seelenqualen glücklicherweise nicht realisiert hatten.
Danach folgten aber zwei Spiele, in denen er sich erfolgreich für die „Double Down“ Variante entschied und mit jeweils 11 Punkten auf der Hand eine 10 – wertige Karte ausgeteilt bekam.
Das läutete eine erneute Glücksphase für ihn ein, die bis in die frühen Morgenstunden anhielt. Die Bilanz der Nacht wies einen Gewinn von 30 TEUR aus. Die Reise nach Vegas hatte sich mit einem summierten Gewinn von 70 TEUR gelohnt.
Nachdem der Spieler sein ausgewähltes, vegetarisches Abendessen eingenommen hatte, genehmigte er sich noch einen trockenen roten Hauswein und kurz vor dem Umstellen des Stimmungslichtes auf Nachtmodus bestellte er noch einen Bourbon Whiskey. Das war sicher keine übliche Kombination, aber es sollte ihn müde machen.
Dennoch kam er nur schwer zur Ruhe. Zu viele Probleme, die er in den letzten Tagen erfolgreich ausgeblendet hatte, erwarteten ihn in Deutschland. Er hatte alle Empfindungshöhen und-tiefen durchgemacht: die Gewinnphase, die Verlustphase, danach die Verzweiflungsphase und letztlich wieder eine Glücksphase. Würde er die angehäuften, brutalen Anforderungen seines beruflichen und privaten Umfeldes meistern können oder seiner Unfähigkeit, dem Spieldrang zu widerstehen, erliegen? In seinem tiefsten Inneren glaubte er fest an sich. Er weigerte sich vehement, auch nur den geringsten Zweifel an seinem unbedingten Siegeswillen und seiner Unfehlbarkeit aufkommen zu lassen. Er hatte das so für sich beschlossen und er würde es schaffen. Noch hatte er Verantwortung für zwei Persönlichkeiten, auch wenn er sich von einer bald trennen würde.
Der Spieler öffnete seine Augen und sah das Gesicht eines Flugbegleiters direkt vor sich. Dieser hatte die Hand auf seinen Arm gelegt und sprach beruhigend auf ihn ein. Sein Körper war schweißnass und seine Stimme reagierte kaum, als er zu sprechen versuchte.
Der Spieler schaute nach unten und drehte seine Handflächen. Kein Blut, kein Zeichen der schrecklichen Geschehnisse. Würde das denn nie ein Ende haben?