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Atemberaubende Natur im Jasper National Park

19.–22. September

Pünktlich steht der Leihwagen bereit. Wir verstauen die drei großen roten Reisekoffer. Gestern habe ich noch einmal umgepackt, sodass in nur einem Koffer die Dinge sind, die wir in der kommenden Woche brauchen werden. Die Wetteraussichten sind gut. Zwei Koffer können dann im Kofferraum des Autos verbleiben. Die Fahrt nach Jasper ist mit vier Stunden in unserer Reisebeschreibung angegeben. Die erste Etappe von Edmonton nach Edson ist so, wie wir Kanada bisher vom Panoramafenster des Zuges kennen: kleine Seen, Tümpel, Wälder, Wiesen, viel und flaches Land.

Nach 200 Kilometern erreichen wir die Kleinstadt Edson. Dort kaufe ich Getränke in einem Liquor Store. Ich zahle mit der Kreditkarte, packe die Flaschen ein und verlasse das Geschäft. Horst müht sich mit dem Navigationsgerät ab. Es dauert eine ganze Weile, bis wir weiterfahren können. Und dann fällt Mona ein, dass sie auch noch für kleine Mädchen muss. Ich bin etwas ungehalten: „Das hätte dir doch auch schon im Laden einfallen können!“ „Es pressiert doch nicht“, meint Horst. Manchmal ist es so, dass auch scheinbar unnötige Verzögerungen ihren Vorteil haben. Denn als wir gerade fahrbereit sind, klopft es an die Autoscheibe. Ich drehe mich um. Der Verkäufer aus dem Liquor Store. Was will der denn jetzt noch? Oh! In seiner Hand hält er eine Plastikkarte und wedelt vor meiner Fensterscheibe herum. Sieht ganz nach meiner Kreditkarte aus. Puh, ich lasse die Fensterscheibe herunter, nehme sie erleichtert entgegen und bedanke mich vielmals. Es wäre auch nicht das erste Mal gewesen, dass ich eine Kreditkarte im Gerät habe stecken lassen … Mona schaut mich mit großen Augen an: „Gut, dass ich noch aufs Klo musste, gell Mama?“ Ja. Sonst hätte es sich erst einmal ausentschleunigt.

Ab Edson ändert sich das Landschaftsbild schlagartig. Aus der geraden Fahrbahn werden Kurven und es geht bergauf. Die Landschaft wird abwechslungsreicher, das Bergmassiv der Rockys tut sich vor uns auf. Bei der Einfahrt in den Jasper National Park können wir nur noch staunen. Das sind vielleicht Berge! Mona entdeckt drei große Müllbehälter mit schweren Klappen und Stangenverschluss. Das ist wegen der Bären. Sie sollen davon abgehalten werden, die Abfälle der Parkbesucher zu durchwühlen. Jasper, Banff, Yoho und Kootenay sind vier zusammenhängende Nationalparks. Der Jasper National Park ist der nördlichste und größte davon. Vor über 200 Jahren wurde das Gebiet zum Schutzgebiet und etwas später zum Nationalpark erklärt. Das Bergstädtchen Jasper liegt an einem historischen Handelspfad. Indianer und Pelzhändler waren hier unterwegs durch die Rocky Mountains, zwischen Edmonton und Prince George. Damals war das am Westufer des Athabasca River gelegene Jasper eine kleine Siedlung. Man nannte sie Fitzhugh.

Die Lodge, in der wir die nächsten Tage verbringen, ist die Jasper Park Lodge. Schon relativ groß, trotzdem idyllisch und stilvoll. Sie liegt am Beauvert Lake. Ein kleiner See. Die Jasper Park Lodge gehört zur Fairmont-Hotel-Gruppe. Die Rezeptionistin ist sehr freundlich. Horst hat ein kleines Chalet direkt am Westufer des Sees für uns gebucht. Mit dem Auto können wir auf einen Parkplatz hinter unserer Hütte fahren. Wir schaffen also nur den einen Koffer und das Handgepäck ins Chalet und genießen die Nachmittagssonne auf der Veranda. Es ist ein traumhaft schöner Tag, die Sonne scheint, der Himmel ist hellblau. Die Bergkulisse im Hintergrund macht den Anblick fast schon unglaubwürdig. Horst zeigt Mona den Whistler Mountain. „Der Name kommt übrigens vom Pfeifen der Murmeltiere, das du vor allem am Morgen und bei Sonnenuntergang hören kannst“, erklärt er. Die nette Dame an der Rezeption hat gesagt: „Sie kommen gerade zum richtigen Zeitpunkt. Vor zwei Wochen war es schon richtig kalt und hat geschneit. Die Wetterprognosen für die nächsten Tage sind sehr gut. Bis zu 25 Grad, das ist ungewöhnlich für Mitte September. Nachts kann die Temperatur schon mal auf fast 0 Grad sinken“.

Zur Anlage gehört ein Außenpool mit Salzwasser und 32 Grad Wassertemperatur. Mona ist wieder gesund und will so bald wie möglich schwimmen. Der Badeanzug ist griffbereit, also verlieren wir keine Zeit. Das Wasser dampft, Mona ist glücklich.

Heute Abend essen wir im Restaurant und fallen müde ins Bett.

Sonnenstrahlen kitzeln uns aus den Federn. Auf der Veranda ist es frisch. Der Blick auf die Berge etwas dunstig. Ein paar mutige Eichhörnchen kommen ganz nah heran und große schwarze Raben sitzen auf dem Holzgeländer der Veranda. Auf dem Weg zum Frühstück kommen wir an einer Schar von geschätzt 200 Wildgänsen vorbei. Sie haben sich am Seeufer niedergelassen. Mona findet den Fußabdruck eines Hirsches. Sie hält Ausschau nach Elchen. Die meisten Gäste brechen zu Tagestouren auf. Wir wollen einfach nur um den See spazieren. Es gibt einen schmalen Pfad, auf den wir uns, ausgerüstet mit Lupe und Entdeckerglas, begeben. Wir treffen nur ein Ehepaar und einen Jogger. Das Gletscherwasser ist glasklar. Wir sehen die großen Granitsteine und Stücke von abgebrochenen Ästen und Baumstämmen. Viele verschiedene Moosarten wachsen hier, Wacholderbüsche und Cranberrysträucher. Eine gute Stunde dauert unser Spaziergang.

Nach einem ausgiebigen Bad im Salzwasserpool fahren wir in Richtung Jasper. Wir stoppen am Lake Edith und am Lake Annette. Auf einer Bank genießen wir das volle Panorama der Rocky Mountains: schroffe Berggipfel mit zerklüfteten Gletschern, türkisblaue Bergseen, Flüsse und dunkelgrüne Wälder. Zarte Schmetterlinge gaukeln in der Luft. Einer setzt sich sogar auf Monas Haar. Da will Mona wissen, was Rocky Mountains heißt. „Felsige Berge“, meint Horst. „Oh, Berge sind doch immer felsig, oder?“ Die Rockys sind aber besonders felsig. Bei diesem wunderbaren Ausflug vergeht der Tag viel zu schnell.

Am nächsten Morgen holt uns die Sonne aus den Federn. Heute fahren wir zu den Miette Hot Springs. Heiße Quellen gibt es einige in den Rocky Mountains. Das Wasser im Becken hat 40 Grad und kommt aus einer Schwefelquelle. Die Hot Springs Therme liegt wie im Gebirge eingefaltet. Ich bin nicht der Badewannenfan. Im Gegensatz zu Horst und Mona. Die beiden können ewig lang in der Wanne liegen. Ich habe das Gefühl, die Temperatur des Wassers dringt an meine Knochen und strahlt die Wärme an Muskeln und Gewebe ab. Langsam gewöhne ich mich daran und kann es fast so genießen wie die beiden. Es sind nur wenige Besucher da und so stört es nicht, dass Mona doch des Öfteren raus aus dem Becken und wieder rein ins Becken huscht. Viele Schmetterlinge flattern hier umher. Der eine oder andere sucht Kontakt zu Mona und verweilt eine kurze Zeit auf ihrer Hand. Der Himmel ist aquamarinblau und wolkenlos. Wir hängen uns am Beckenrand ein und blicken auf die Bergkette.

Am Nachmittag decken wir uns in Jasper mit Proviant ein. Heute Abend gibt es Brotzeit in unserem Chalet. Jasper ist ein gemütliches Städtchen mit vielen kleinen Läden links und rechts der Hauptstraße. Horst und Mona wollen mich immer wieder abhängen. Ich solle doch ein nettes Café suchen, in dem wir etwas trinken können. Nachtigall, ick hör dir trapsen. Morgen ist der 21. September, mein Geburtstag. Ich verkrümle mich in ein Straßencafé und warte. Wieder zu dritt, gibt es Kuchen, Kaffee und heiße Schokolade, und schon geht es in den kleinen Supermarkt an der Ecke. Beim Einkauf staunen wir auch wieder. Nicht über die Natur, sondern über die Preise. Die Grundnahrungsmittel sind erheblich teurer als bei uns. Für einen einfachen Camembert bezahlen wir stolze 13 Kanadische Dollar, das sind umgerechnet etwa 10,50 Euro. Vielleicht ist es auch nur in Jasper so teuer?

Mein 42. Geburtstag. Wieder Sonnenschein am wolkenlosen Himmel. Mona gratuliert mit einem Strauß Löwenmäulchen. Sie hat die Blumen auf der Wiese vor dem Chalet gepflückt. Zwei kleine Päckchen liegen auf dem Tisch vor dem Kamin. Mona stimmt das traditionelle „Happy Birthday to you, Marmelade im Schuh“ an. Es gibt keinen Geburtstag daheim, an dem je diese Version des Geburtstagsständchens vergessen wird. Ich packe die Geschenke aus. Mona hat federleichte Federohrringe für mich gekauft und von Horst bekomme ich einen stäbchenförmigen Ammolit-Anhänger. Er baumelt an einem Lederband und ganz schnell an meinem Hals. Ich wünsche mir, in Jasper zu frühstücken. Und ich habe noch einen Wunsch. Eher ein Bedürfnis. Wäsche waschen. Ja, an meinem Geburtstag. Das kann sich wahrscheinlich jetzt keiner richtig gut vorstellen. „Mama, du machst einen Witz. Das kannst du dir doch nicht zum Geburtstag wünschen!“, entrüstet sich Mona. Horst staunt ein wenig, aber er kennt mich gut genug. Er weiß, dass ich es absolut nicht leiden kann, wenn sich zu viel Schmutzwäsche ansammelt. Damit das Thema Wäsche nicht zur Neurose wird, erfülle ich mir den Wunsch zum Geburtstag. In der Hauptstraße in Jasper habe ich gestern schon einen Waschsalon entdeckt. Einen sehr schönen sogar. Dort gibt es nämlich eine Theke mit Kuchen und eine Kaffeemaschine. Perfekt für eine Frühstücks-Geburtstagswaschparty. Der Cappuccino schmeckt beinahe wie in Italien und der Rhabarber-Kirsch-Muffin ist ein echter Kanadier. Drei Waschmaschinen laufen gleichzeitig und die Wäschetrockner im Anschluss sind auch nicht belegt. In nur eineinhalb Stunden ist die Wäsche sauber gewaschen, getrocknet, gefaltet. Und ich bin glücklich.

Zurück in der Lodge haben wir den Salzwasserpool ganz für uns allein. Das kosten wir aus, bevor wir am frühen Nachmittag zum Maligne Lake fahren. 90 Minuten dauert die Bootstour auf dem Gletschersee. Wir kommen an drei Inseln vorbei und haben immer ungetrübte Sicht auf die Gletscher. Auf Spirit Island stoppen wir. Die Fotoapparate werden gezückt, um vom wohl berühmtesten Aussichtspunkt im Jasper National Park Fotos zu machen. Das machen auch wir. An einem besonderen Tag an einem besonderen Platz zu sein, ist einfach unwiederbringlich. Auf dem Rückweg zur Lodge schläft Mona im Auto ein. Plötzlich wundern wir uns, warum am Straßenrand so viele Autos stehen. Da muss es doch etwas zu sehen geben? Wir reihen uns ebenfalls in die Parkschlange ein. Mona erwacht: „Was ist da los?“ „Schau mal aus dem Fenster, da muss was sein, sonst würden hier nicht so viele Leute stehen bleiben“, meint Horst. „Ich glaub’s nicht!“, kommt es vom Fahrersitz. „Schaut mal rechts an den Waldrand, da ist ein Bär!“ Tatsächlich! Ein junger Grizzly streift dort entlang. Keine 20 Meter weit entfernt von uns. Horst, der Mutige, nimmt den Fotoapparat, steigt aus, versucht noch näher heranzukommen und schießt ein prima Foto. Und wir sollten heute noch mehr Glück haben, denn auf unserer Weiterfahrt auf der Maligne Road sehen wir einen zweiten Grizzlybären, etliche Dickhornschafe und einen großen Hirsch im Flussbett. Um den Ausflug ins Tierreich vollkommen zu machen, grast vor unserem Chalet eine Elchkuh mit ihrem Jungen. Wir können die beiden direkt von unserem Fenster aus beobachten. Wieder geht ein Tag zu Ende. Mona hat viele Eindrücke in ihr Reisetagebuch zu schreiben. Wir sind dankbar. Dankbar für die Schönheit dieser Welt, die wir hier und jetzt mit unseren Augen bestaunen dürfen. Dankbar für das Kaminfeuer und für das Glas Pinot Noir aus dem Weingut Peele Island. Dankbar, in diesem Chalet zu sein. Dankbar für unsere Dreisamkeit.

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