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§ 2 Zusammentreffen verschiedener Ansprüche

I. Unterschiede zwischen gesetzlichen und vertraglichen Schuldverhältnissen

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Gesetzliche und vertragliche Schuldverhältnisse unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht. Der Hauptunterschied liegt darin, dass ein gesetzliches Schuldverhältnis nicht von einem Willen abhängig ist, eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen zu wollen. Ein weiterer Unterschied besteht in Bezug auf die Gehilfenhaftung. Hier stehen sich § 278 und § 831 gegenüber, wobei § 278 lediglich eine Zurechnungsnorm (und damit innerhalb der Prüfung eines Anspruchs aus Vertrag zu untersuchen), § 831 dagegen eine eigene Anspruchsgrundlage ist.

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§ 278 legt fest, dass der Schuldner innerhalb eines Schuldverhältnisses für ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter wie für eigenes Verschulden einzustehen hat (Zurechnung). Zu beachten ist, dass § 278 nur ein Schuldverhältnis voraussetzt. Unrichtig wäre es, diese Norm lediglich auf vertragliche Schuldverhältnisse zu beziehen und § 831 auf gesetzliche. Denn ein Schuldverhältnis i.S. des § 278 kann zum einen durch Rechtsgeschäft, zum anderen aber auch durch Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigte Bereicherung begründet werden. Damit beschränkt sich die Anwendung des § 278 nicht allein auf vertragliche, sondern bezieht sich auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse[1].

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Nach § 831 wird unabhängig von einem bestehenden (vertraglichen) Schuldverhältnis für die unerlaubte Schadenszufügung durch einen Verrichtungsgehilfen deliktisch gehaftet[2]. Allerdings tritt diese Haftung lediglich dann ein, wenn der Geschäftsherr die ihm obliegende Pflicht zur sorgfältigen Auswahl bzw. Überwachung des Gehilfen sowie zur Ausstattung mit Vorrichtungen und Gerätschaften verletzt hat.

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Daneben gibt es auch hinsichtlich der Verjährung teilweise Unterschiede zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen. Die Verjährung berechtigt den Schuldner, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1). Die regelmäßige Frist für den Eintritt der Verjährung beträgt 3 Jahre (§ 195). Bei vertraglichen Ansprüchen ist der Beginn der Verjährungsfrist teilweise speziell (von § 199 abweichend) geregelt[3].

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Auch hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist kann es Unterschiede geben. Nach § 199 Abs. 1 beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners vorliegt. In § 199 Abs. 2–5 sind abweichende Regelungen getroffen, wobei es hier nicht darauf ankommt, ob es um einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch geht, sondern um den Anspruchsinhalt (Schadensersatz) sowie die Rechtsgutverletzung.

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Einige vertragliche Schuldverhältnisse gehen mit einer Haftungsmilderung, d.h. einer geringeren Haftung als sie in § 276 Abs. 1 S. 1 vorgesehen ist, einher. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um einen unentgeltlich Handelnden[4]. Auch bei Verzug des Gläubigers haftet der Schuldner gemildert, d.h. nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 300 Abs. 1). Das Deliktsrecht nimmt dagegen keine Rücksicht darauf, ob entgeltlich oder unentgeltlich gehandelt wurde. Fraglich ist aber, ob sich die (vertragliche) Haftungsmilderung auch auf einen Anspruch aus einer anderen Anspruchsgrundlage erstrecken kann[5].

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Ein Unterschied besteht auch hinsichtlich der Beweislast. Für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung sieht § 280 Abs. 1 S. 2 eine Beweislastumkehr vor[6]. Der Gläubiger, der grundsätzlich die für ihn günstigen Tatsachen darlegen und beweisen muss, hat damit lediglich Beweis über die Pflichtverletzung, den Schaden sowie die Kausalität zu erbringen. Hinsichtlich des Verschuldens hat wiederum der Schuldner zu beweisen, dass die Pflichtverletzung nicht von ihm zu vertreten ist. Dagegen kennt das Deliktsrecht keine Verschuldensvermutung, sondern der Geschädigte muss das Verschulden des Schädigers (Schuldner) nachweisen. Lediglich im Einzelfall, nämlich in den §§ 831–838 sowie in § 18 StVG wird von einem vermuteten Verschulden ausgegangen, d.h. der Schädiger muss sich entlasten. Zudem sieht die Rechtsprechung bei der deliktischen Produkthaftung bzw. Produzentenhaftung teilweise eine Umkehr der Beweislast vor[7].

II. Wechselwirkungen zwischen den Ansprüchen

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Grundsätzlich besteht nach h.M. Anspruchskonkurrenz, d.h. es können mehrere Ansprüche nebeneinander bestehen (z.B. solche aus Vertrag neben solchen aus § 823 Abs. 1)[8]. Jeder von ihnen folgt seinen eigenen Regeln, was die Voraussetzungen, die Rechtsfolgen, die Verjährung, den Anspruchsumfang, die Beweislast, die Gehilfenhaftung usw. anbelangt. Die konkurrierenden Ansprüche sind also grundsätzlich unabhängig voneinander zu prüfen.

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Anerkannt ist jedoch, dass in bestimmten Fällen diese Unabhängigkeit nicht besteht, d.h. eine Eigenschaft eines Anspruchs auf einen anderen Anspruch fortwirken kann. Das wird bejaht, wenn der Normzweck der Ansprüche einer unterschiedlichen Behandlung entgegensteht. Wenn es also der Zweck der ein Schuldnerprivileg enthaltenden Norm erfordert, wird dieses Privileg auf einen konkurrierenden Anspruch erstreckt. Wechselwirkungen kann es v.a. bei vertraglichen und deliktischen Ansprüchen sowie bei Ansprüchen aus GoA und Delikt geben. Diese Fortwirkung kann insbesondere bei Haftungsmilderungen, bei der Verjährung sowie bei einer Freizeichnung eine Rolle spielen.

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Für bestimmte Fälle sieht das Gesetz eine Haftungsmilderung für die Vertragshaftung vor, indem nur für Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit oder eigenübliche Sorgfalt gehaftet wird. Nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit wird z.B. nach § 521 (Haftung des Schenkers) gehaftet[9]. Eine Haftung nur für diejenige Sorgfalt, die in eigenen Angelegenheiten angewendet zu werden pflegt, findet sich etwa beim unentgeltlichen Verwahrer (§ 690), beim Gesellschafter (§ 708) und beim Ehegatten (§ 1359) usw. Dann kann nicht für dieselbe Handlung nach Deliktsrecht eine strengere Haftung eintreten, sondern die Privilegierung wirkt auch hier[10].

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Das soll Fall 1 verdeutlichen: S fährt mit seinem Pkw und übersieht dabei fahrlässig den vorfahrtberechtigten Autofahrer A. Bei dem Zusammenstoß wird A verletzt und bleibt bewusstlos im Auto liegen. S begeht Fahrerflucht. Als der Dritte D an die Unfallstelle kommt, kümmert er sich um A. Dabei behandelt er den A leicht fahrlässig falsch, sodass sich dessen Verletzung verschlimmert. A verlangt von D Ersatz des daraus entstandenen zusätzlichen Schadens. Zu Recht?

1. A könnte als Geschäftsherr gegen D einen Ersatzanspruch aus GoA (§§ 677, 280 Abs. 1) haben[11]. Allerdings haftet D nach dem Haftungsprivileg des § 680 (Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr)[12] nicht für leichte Fahrlässigkeit, weil sein uneigennütziges Handeln eine dem A drohende dringende Gefahr abwenden sollte. Da D weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat, haftet er nicht aus GoA[13].

2. A könnte gegen D einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 wegen Körperverletzung haben. D hat den Körper des A (zusätzlich) verletzt. Das Ganze geschah kausal und rechtswidrig. Da der deliktsrechtliche Anspruch grundsätzlich unabhängig vom Anspruch aus GoA zu prüfen ist und eine dem § 680 entsprechende Einschränkung der Haftung im Deliktsrecht nicht existiert, müsste D dem A aufgrund leicht fahrlässigen Verhaltens aus § 823 Abs. 1 haften. Nach Sinn und Zweck des § 680 ist diese Norm jedoch ausnahmsweise auch auf den deliktsrechtlichen Anspruch anzuwenden. Denn § 680 soll zur Hilfeleistung bei dringenden Gefahren ermutigen, indem das Haftungsrisiko des Geschäftsführers gemindert, dieser also privilegiert wird. Der Zweck dieser Norm wird konterkariert, wenn der Helfende zwar nicht aus GoA, aber aus einem konkurrierenden Deliktsanspruch haften soll. Daher ist das Haftungsprivileg des § 680 als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens auch auf den konkurrierenden Deliktsanspruch zu übertragen, d.h. § 680 wird analog angewendet[14].

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Eine Erstreckung auf andere Ansprüche kann auch bei einer kurzen vertraglichen Verjährungsfrist in Betracht kommen. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn die Verjährungsregelung den Zweck hat, im Interesse einer schnellen Vertragsabwicklung für abschließende Klarheit zu sorgen, z.B. bei § 548 Abs. 1 (Verjährung des Ersatzanspruchs des Vermieters), § 581 Abs. 2 (Verjährung des Ersatzanspruchs des Verpächters), § 606 (Verjährung des Ersatzanspruchs des Verleihers), § 1057 (Verjährung des Ersatzanspruchs des Eigentümers beim Nießbrauch).

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Das zeigt Fall 2: Mieter M hat in der Mietwohnung unsachgemäß Linoleum auf einem Holzfußboden verlegt. Der Eigentümer und Vermieter V bemerkt erst sieben Monate nach dem Auszug des M, dass der Holzfußboden unter dem Linoleum verfault ist. Welche Ansprüche hat V gegen M?

1. V könnte einen Schadensersatzanspruch aus Verletzung des Mietvertrags haben. Allerdings verjähren nach § 548 Abs. 1 S. 1 die Ersatzansprüche des Vermieters in sechs Monaten nach Erhalt der Mietsache. Ein vertraglicher Anspruch scheidet daher aus.

2. V könnte gegen M einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 wegen Eigentumsverletzung haben. Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 liegen grundsätzlich vor. Fraglich ist aber, ob die kurze Verjährung des § 548 Abs. 1 S. 1 auf § 823 Abs. 1 entsprechend anzuwenden ist, oder ob die deliktsrechtliche Verjährungsregelung des § 199 Abs. 3 vorrangig ist. Nach § 199 Abs. 3 wäre der deliktsrechtliche Anspruch des V noch nicht verjährt (10 bzw. 30 Jahre Verjährungsfrist). Die Anwendbarkeit des Schuldnerprivilegs des § 548 Abs. 1 S. 1 auch auf den konkurrierenden Anspruch aus § 823 Abs. 1 lässt sich aus dessen Sinn und Zweck entnehmen. Danach soll nach Mietvertragsende eine rasche Auseinandersetzung zwischen den Parteien erfolgen[15]. Da regelmäßig bei einer Beschädigung, wie sie hier vorliegt, auch ein deliktsrechtlicher Anspruch gegeben sein wird (Vermieter ist Eigentümer oder sonst Berechtigter), würde der Zweck des § 548 Abs. 1 S. 1 nicht erreicht, wenn der deliktische Anspruch später verjähren würde als der vertragliche. Damit soll nach Sinn und Zweck des § 548 Abs. 1 S. 1 die kurze vertragliche Verjährung auch den Deliktsanspruch erfassen.

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Auch bei einer vertraglichen Freizeichnung für eine Haftung (Haftungsausschluss) ist eine Erstreckung auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung möglich[16]. Eine Freizeichnung für eine Haftung aus unerlaubter Handlung ist zwar als solche grundsätzlich nicht möglich. Wurde aber eine rechtsgeschäftliche Haftungsbeschränkung vereinbart (z.B. bei einer Gefälligkeitsfahrt), so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob sich diese Haftungsmilderung nicht auch auf konkurrierende Deliktsansprüche erstreckt. Regelmäßig wird eine solche Erstreckung anzunehmen sein[17]. Ansonsten wäre die vertragliche Freistellung praktisch wertlos, weil eine Haftung jedenfalls über den Deliktsanspruch bestünde.

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Hingegen darf die Verschuldensvermutung nach § 280 Abs. 1 S. 2 nicht auf konkurrierende deliktische Ansprüche erstreckt werden. Insoweit gelten für Ansprüche nach § 823 Abs. 1 strengere Kriterien. Auch wenn, wie bei manchen Gefährdungshaftungsnormen, die Ersatzpflicht auf eine bestimmte Höchstsumme begrenzt ist (z.B. §§ 12, 18 StVG, § 10 ProdHG), kann diese Begrenzung nicht auf andere Ansprüche, wie etwa solche aus § 823 Abs. 1 übertragen werden.

Examens-Repetitorium Besonderes Schuldrecht 2

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