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§ 4 Anwendbarkeit der GoA

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In einigen Fällen steht schon die Anwendbarkeit der GoA-Regelungen in Frage. Unanwendbar kann die GoA sein, weil sie kraft einer Konkurrenzregelung ausgeschlossen ist (z.B. § 767 Abs. 2 für die Bürgenhaftung)[1] oder weil ihre Anwendung zu Wertungswidersprüchen mit gesetzlichen Wertungen führt. Umgekehrt können auch andere Anspruchsgrundlagen ausgeschlossen sein, wenn eine berechtigte GoA zu bejahen ist.

I. Konkurrenzen

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Bei Vorliegen einer berechtigten GoA ist ein Anspruch aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV, §§ 987 ff., 994 ff.) ausgeschlossen, da die GoA ein Recht zum Besitz i.S. des § 986 gibt, sofern die Inbesitznahme und die Übernahme der Geschäftsführung zusammenfallen[2]. Außerdem ist die berechtigte GoA ein Rechtsgrund i.S. des § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., sodass ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich dann ausscheidet[3]. Zudem stellt die berechtigte GoA im Hinblick auf die §§ 823 ff. einen Rechtfertigungsgrund dar. Neben der GoA kommt daher nur dann ein Anspruch aus §§ 823 ff. in Betracht, wenn der Geschäftsführer seine aus § 677 resultierende Sorgfaltspflicht verletzt[4].

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Liegt eine unberechtigte GoA vor, gilt Folgendes: Es wird nach der Rechtsprechung und der h.L. kein Recht zum Besitz i.S. des § 986 begründet, sodass die §§ 987 ff. als Sonderregelung anderen gesetzlichen Vorschriften und damit auch den GoA-Vorschriften vorgehen[5]. Außerdem stellt die unberechtigte GoA keinen Rechtsgrund i.S. des § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. dar, sodass die Regelungen des Bereicherungsrechts uneingeschränkt anwendbar sind[6]. Zwischen unberechtigter GoA und den §§ 823 ff. kann Anspruchskonkurrenz bestehen.

II. Wertungswidersprüche

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Klausurrelevant sind v.a. die Fälle, bei denen die Anwendung der GoA-Vorschriften zu Wertungswidersprüchen mit anderen gesetzlichen Wertungen führen kann. Es geht hier um die Frage, wann der Anwendungsbereich der GoA überdehnt ist. Literatur und Rechtsprechung kommen dabei regelmäßig zu unterschiedlichen Ergebnissen. Hervorzuheben sind insbesondere die nachfolgend aufgezählten fünf Fallgruppen.

Klausurtipp:

Klausurtechnisch interessant ist, dass die Argumentation, die bei der Frage der Anwendbarkeit zu finden ist, dann, wenn im Einzelfall eine Anwendbarkeit doch bejaht wird, zumeist bei der Prüfung der Fremdheit der Geschäftsführung oder derjenigen des Fremdgeschäftsführungswillens wieder auftaucht.

1. Unbestellte Leistung (§ 241a)

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Erbringt ein Unternehmer unbestellt Leistungen an einen Verbraucher, schließt § 241a einen Anspruch gegen den Verbraucher aus. Diese Regelung ist umfassend, sodass, obwohl die Voraussetzungen im Grunde gegeben wären, ein Anspruch aus GoA ausgeschlossen ist[7].

2. Selbstaufopferung im Straßenverkehr

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Bei einer sog. Selbstschädigung oder Selbstaufopferung im Straßenverkehr[8] erleidet ein Fahrer regelmäßig dadurch einen Schaden, dass er sein Kfz spontan von der Straße abbringt, damit die Schädigung eines Dritten vermieden wird. Hier ist die Anwendbarkeit der GoA deshalb fraglich, weil die im StVG vorgesehene Risikoaufteilung nicht durch die GoA-Regelungen beiseitegeschoben werden darf. Die Rechtsprechung und h.L. verneinen zutreffend die Anwendbarkeit der GoA (und damit einen Anspruch auf Aufwendungsersatz), wenn der Fahrer/Halter den Entlastungsbeweis nach § 17 Abs. 3 StVG[9] (unabwendbares Ereignis) oder § 7 Abs. 2 StVG (höhere Gewalt) nicht führen kann[10]. In diesem Fall wäre der Fahrer nämlich kraft Gesetzes für den aus dem Betrieb des Kfz entstandenen Fremdschaden haftbar, wenn er dessen Eintritt nicht durch ein Ausweichmanöver verhindert hätte. Dann aber muss er erst recht für seinen Eigenschaden einstehen, der zur Vermeidung des Fremdschadens entstanden ist.

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Um hier einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, muss die Anwendung der GoA ausgeschlossen sein. Anderenfalls könnte der Geschäftsführer im Wege des Aufwendungsersatzanspruchs aus GoA quasi durch die „Hintertür“ doch Ersatz für den Eigenschaden erlangen, obwohl ihm dieser nach den schadensrechtlichen Wertungen (§ 7 StVG) neben dem Fremdschaden erst recht zugewiesen sein muss. In den Fällen der Selbstaufopferung im Straßenverkehr ist die GoA also regelmäßig nicht anwendbar[11].

3. Gefälligkeit

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Bei einer reinen Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt, sind die Regeln der GoA nicht anwendbar[12]. Die GoA als gesetzliches Schuldverhältnis ist gewissermaßen das Gegenstück zum Auftrag als rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis (vgl. §§ 681, 683 BGB). Ein Auftrag scheidet jedoch aus, wenn der „Beauftragte“ lediglich eine reine Gefälligkeit gegenüber dem „Auftraggeber“ erbringt und es deshalb an dem für die Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt. Das gilt entsprechend für die GoA.

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Fährt etwa eine Großmutter ihre Enkelin zu einem auswärtigen Spiel des Sportvereins ihrer Enkelin, handelt es sich sowohl gegenüber ihrer Enkelin und deren sorgeberechtigten Eltern als auch im Verhältnis zum Sportverein um eine reine Gefälligkeit des täglichen Lebens, die nicht unter die Regeln der GoA fällt[13]. Kommt es dabei zu einem Verkehrsunfall, hat sie deshalb gegen den Sportverein ihrer Enkelin keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 670 BGB analog).

4. Nichtigkeit eines Vertrags

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Auch bei Nichtigkeit eines Vertrags ist die Anwendbarkeit der GoA-Regelungen umstritten[14]. Die Rechtsprechung sowie ein Teil der Literatur wenden die GoA auch dann an, wenn der Vertrag oder ein Teil des Vertrags[15] nichtig ist[16]. Die GoA-Regeln seien deshalb anwendbar, weil jemand, der aufgrund eines nichtigen Vertrags tätig wird, nicht schlechter gestellt sein dürfe als jemand, der ohne jegliche Vereinbarung für einen anderen tätig geworden ist. Die überwiegende Literatur hält dagegen die §§ 677 ff. beim Handeln aufgrund eines nichtigen Vertrags für unanwendbar[17]. Begründet wird das mit einem Wertungswiderspruch zu den §§ 812 ff. als speziellere Regelungen für die Rückabwicklung rechtsgrundloser Leistungen. Bei Anwendung der §§ 677 ff. würden etwa die §§ 814, 817 S. 2, 818 f. bei der Rückabwicklung rechtsgrundloser Verträge umgangen. Damit wäre derjenige, der aufgrund eines nichtigen Vertrags eine Leistung erbracht hat, ungerechtfertigt bevorzugt.

5. Nichtzustandekommen eines Vertrags

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Schwieriger sind die Fälle des Nichtzustandekommens eines Vertrags, wenn der Vertragsanbahnende dennoch ein „Entgelt“ i.S. eines Aufwendungsersatzes nach den GoA-Regeln verlangt. Dort geht es letztendlich um die Frage der Risikoverteilung und um die Vermeidung von Wertungswidersprüchen. Allerdings ist hier die Argumentation hinsichtlich der Ablehnung einer GoA diffus.

Dies verdeutlicht Fall 3[18], der ähnlich in mehreren Bundesländern Staatsexamensklausur gewesen sein soll[19]: A ist gewerblich als Erbensucher tätig, indem er in unbehobenen Nachlassangelegenheiten unbekannte Erben ermittelt. Auf die im Bundesanzeiger veröffentlichte Aufforderung des Nachlassgerichts zur Anmeldung von Erbrechten hinsichtlich des Erblassers X ermittelt er den B als gesetzlichen Erben. Daraufhin teilt A dem B den Erbfall mit und bietet ihm an, die Nachlassangelegenheit vollständig offenzulegen. Für seine Bemühungen verlangt A von B ein marktübliches Erfolgshonorar. B lehnt das Angebot des A ab und ermittelt den Nachlass selbst. A verlangt trotzdem von B ein Honorar als Vergütung für die Erbenermittlung. Zu Recht?

1. Als Anspruchsgrundlage könnten die §§ 677, 683 S. 1, 670 (berechtigte GoA) in Betracht kommen[20]. Dafür müssten die Vorschriften der GoA anwendbar sein. Das könnte hier ausgeschlossen sein, weil eine Anwendbarkeit nicht im Einklang mit der im Privatrecht geltenden Risikoverteilung steht[21]. Hat eine Partei Aufwendungen im Vorfeld eines Vertragsschlusses zur Anbahnung von Vertragsverhandlungen getätigt, so kann sie diese im Falle des Vertragsschlusses bei der Bemessung der Gegenleistung berücksichtigen. Kommt indes kein Vertrag zustande, besteht keine Pflicht, die (mitunter sogar ungefragt) überlassenen Informationen bzw. getätigten Aufwendungen zu vergüten. Vielmehr trägt jede Partei selbst das Risiko, dass kein Vertrag zustande kommt. Die Anwendung der §§ 677 ff. – insbesondere der Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 – würde diese Risikoverteilung im Fall des Nichtzustandekommens eines Vertrags empfindlich stören. Daher kommt ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 nicht in Betracht.

2. Folgt man dieser – m.E. zutreffenden – Ansicht nicht und bejaht stattdessen die Anwendbarkeit, muss weiter geprüft werden: A müsste ein fremdes Geschäft, nämlich das des B, geführt haben. Dazu müsste das Geschäft (zumindest auch) dem Rechts- und Interessenkreis des B angehören. Das ist fraglich. A hat sich schließlich durch seine Ermittlungen erst die Informationen verschafft, die er dem von ihm ermittelten Erben verkaufen will. Aufgrund der oben genannten Risikoverteilung bleiben Tätigkeiten vor einer vertraglichen Bindung der Parteien unvergütet. Das Risiko, dass kein Vertragsschluss zustande kommt, gehört in den Rechts- und Interessenkreis derjenigen Partei, die die Aufwendungen im Vorfeld (freiwillig) übernommen hat.

Dass es unbillig wäre, wenn Aufwendungen sogar bei späterer Ablehnung eines Vertragsschlusses über die Regeln der GoA auf die andere Partei abgewälzt werden könnten, macht folgende Konstellation deutlich: Werden mehrere Erbensucher unabhängig voneinander tätig, müsste der Erbe jedem von ihnen die Aufwendungen ersetzen, und zwar sogar dann, wenn der Erbe die Erbschaft ausschlägt. Es liegt also kein fremdes, sondern ein eigenes Geschäft des Erbensuchers vor.

3. Wer aber jedenfalls ein auch-fremdes Geschäft annimmt[22], muss dann mit der h.M. einen Fremdgeschäftsführungswillen widerleglich vermuten. Das hat der BGH mit der oben bei der Anwendbarkeit bereits angeführten Begründung verneint. Wenn man diese nicht als stichhaltig ansieht und daher von der Vermutung eines Fremdgeschäftsführungswillens ausgeht, scheitert ein Aufwendungsersatz aber jedenfalls daran, dass eine Vergütung des Geschäftsführers zwar grundsätzlich nach § 1835 Abs. 3 analog möglich ist[23], diese aber nicht zu Wertungswidersprüchen führen darf.

Auch hier lässt sich argumentieren, dass nach allgemeinen Regeln eigene Aufwendungen in Vorbereitung eines vom anderen nicht gewollten und damit verweigerten Vertragsschlusses unvergütet bleiben. Da jede Seite selbst das Risiko des Scheiterns von Vertragsverhandlungen trägt, kann der gewerbliche Erbensucher keinen Aufwendungsersatzanspruch aus GoA haben[24].

Examens-Repetitorium Besonderes Schuldrecht 2

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