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Schachmatt

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Ich bin zu einer Partie Schach eingeladen. Eine Party wäre mir jetzt eigentlich lieber. Von mir aus gerne eine Kostümparty mit dem Thema „Schachfiguren“. Ich würde dann das Königinnen-Kostüm wählen. Schließlich ist Fasching. Eines mit langem, wallendem, in vielen Lagen übereinander genähten Stoff, der raschelt und sich in alle Richtungen mitbewegt, wenn man über das Spielfeld schreitet. Schließlich darf ich das, so als Königin.

Ich habe die Schuhe noch nicht an, da ruft mein Spielpartner schon: „Schachmatt!“ Wie das denn? Ich bin noch dabei, mich wie die Stiefschwester von Aschenbrödel in viel zu enge Schuhe zu quälen, und bin schon schachmatt?

Tatsächlich! Hab ich gar nicht mitbekommen. Da steht ein Läufer direkt vor meinem König. Kann mich gar nicht daran erinnern, wo mein Bauer hingekommen ist, der eben noch davorstand. Gibt es die Schuhe nicht auch in Größe 38? Mein König schüttelt den Kopf. Bei genauem Hinschauen hat er irgendwie Schweiß auf der Stirn. Ihm scheint es nicht so gut zu gehen.

Ob ich denn nicht irgendwas zu tun gedenke, fragt mich mein Gegenüber. Ja, was denn? Ich könnte einen Kamillentee kochen oder dem König Aconitum anbieten. Oder mich einfach auf eines meiner Pferde schwingen und davongaloppieren? Sehr schwierige Situation. Was würde ein Samurai jetzt tun? Was sagt meine Körperintelligenz? Und wo ist mein Radioniker, wenn ich ihn brauche?

Während ich noch mit Nachdenken beschäftigt bin, sortiert meine Kleine schon die gefallenen Bauern. Ich sehe gerade, dass unter den Opfern auch schon einer meiner Läufer liegt und beide Türme. Ich raffe alle Stoffbahnen und Unterkleider meines Kostüms zusammen, steige mühselig auf das mir noch verbleibende Pferd und reite los.

„So geht das nicht“, sagt mein Schachgegner. Das Pferd dürfe immer nur zwei vor und dann wahlweise ein Feld zur Seite und nicht um das Schachbrett herumgaloppieren! Darf es nicht? Sagt wer? Ich bin die Königin! Ich darf hier so ziemlich alles! Mein Herausforderer schlägt die Hände vors Gesicht und reibt sich die Stirn.

Ich reite noch drei weitere Runden um das Brett herum, tränke mein Pferd und lasse es ein paar Löwenzahnblätter fressen, bevor ich es wieder zurück auf sein Feld bringe. Der König heult. Ich atme tief durch, greife nach dem Läufer und schiebe ihn in die einzig mögliche Richtung auf dem Brett. Wie sich das für einen temperamentvollen Sportler gehört, hat er etwas zu viel Speed drauf und erwischt die gegnerische Front leider etwas unsanft. Sie fällt um wie die Kegel bei „alle neune“.

Jetzt fängt der gegnerische König an zu weinen. Er hat sich einen Zacken aus der Krone gebrochen. Na so was! Mein Spielgegner versucht, die Situation zu retten und alles wieder so herzurichten, wie es war, bevor der olympische Geist mit meinem Läufer durchgegangen ist. „Schach funktioniert nach ganz klaren Regeln und Gesetzen“, muss ich mir anhören. Mein Kind nickt und beerdigt die restlichen Bauern, die einmal zu meinem Hofstaat gehörten.

Die Situation scheint allmählich aussichtslos zu werden. Blitzschnell schwinge ich mich erneut auf mein Pferd und reite, über alle Hindernisse hinwegspringend, auf die gegnerische Seite, hüpfe von meinem Ross, schenke ihm die Freiheit und verschanze mich in einem der Türme meines Gegners. Dieser weiß schon nicht mehr, was er noch sagen soll.

Ich flitze die Wendeltreppe im Inneren des Turmes hoch, bis ich ganz oben angekommen bin. Dort löse ich meine locker zusammengehaltenen Haare und lasse meinen dunkelblonden Zopf zwischen den Turmzinnen hindurch nach unten gleiten. Mit einem lauten Pfiff versuche ich, meinem König mitzuteilen, dass er sich beeilen soll. Dieser versteht sofort, greift nach meinen Haaren und klettert zu mir auf den Turm.

Mein Schachpartner schaut mich belustigt an. Ob wir vielleicht noch eine Runde Mühle spielen wollen, fragt er mich. Er will einfach nur wissen, was dann passiert.

Nachtigallensteine

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