Читать книгу Nachtigallensteine - Petra Hofmann - Страница 16

Marianengraben

Оглавление

Meine Freundin hat mich total durcheinandergebracht. Also, ihre neue Bekanntschaft hat dafür gesorgt. Genau genommen nicht er persönlich, sondern seine berufliche Tätigkeit. Er arbeitet im Darknet – also gegen das Darknet natürlich.

Seit ich von dessen Existenz erfahren habe, lässt es mich nicht mehr los. Das ist wie mit den Gruselfilmen – die ziehen mich auch total an, aber ich kann dann gar nicht hingucken, wenn es wirklich gruselig wird.

Ich erkundige mich also bei Google über das Darknet und fühle mich selbst schon wie ein Schwerverbrecher.

Dort bezahlt man gar nicht mit Geld, sondern mit Bitcoins – einer speziellen Verbrecher-Währung. Ich war ja schon immer für alternative Geldsysteme. Geld mit Verfallsdatum zum Beispiel finde ich eine tolle Idee. Die Bitcoins haben sich gut entwickelt. Ich hätte investieren sollen.

Alles, was man jemals über Verschwörungstheorien gehört hat, wird im Darknet zur Gewissheit.

Ich bin so nervös beim Schreiben, dass ich unentwegt Schokoladenbonbons essen muss, an denen ich mich des Öfteren verschlucke.

Die Themen und Angebote im Underground-Netz sind so abstrus und abenteuerlich, dass ich mich immer nur traue, die ersten drei Buchstaben zu lesen, um mir dann vor lauter Schreck die Augen zuzuhalten.

Aber es geht noch sehr viel tiefer. Unter dem Darknet – so in etwa 11 000 Metern Tiefe – gibt es das Mariana’s Web. Surfen im Marianengraben – nur anders.

Da trifft man sogar tot geglaubte Leute wieder: Elvis, Michael Jackson, John F. Kennedy. Und ich dachte, das Gruseligste im Marianengraben wären die merkwürdigen Fischgestalten, vor denen ich als Kind schon Angst hatte, wenn ich die entsprechenden Seiten im Dino-Buch meiner Eltern aufgeschlagen habe.

Das ist das Web für die Super-Bösen. Also für Regierungschefs und so. Es ist gar nicht so einfach, etwas darüber rauszubekommen. Ich muss meine Kinder fragen, um nähere Informationen zu erhalten.

Sie sagen, das Mariana’s Web ist nur für Auserwählte. Wie wird man denn auserwählt? Ich versuche mir vorzustellen, wie wohl ein Bewerbungsschreiben für das dunkelste Darknet aussehen müsste.

Sehr geehrtes Mariana’s Web,

ich bin Mutter von drei Töchtern und benötige dringend Ihre Hilfe.

Für den nächsten Kindergeburtstag suche ich ein ganz spezielles Geschenk. Könnten Sie mir bitte einen Katalog mit Ihren Angeboten zukommen lassen?

Mit freundlichen Grüßen

Petra Hofmann

(Vielleicht sollte ich mir besser einen Decknamen zulegen.)

Oder:

Liebes Mariana’s Web,

ich habe erst kürzlich von Ihren Angeboten erfahren und interessiere mich für ein außergewöhnliches Fischrezept. Gerne würde ich für die nächste Halloween-Party einen Kugelfisch zubereiten. Könnten Sie mir einen schicken?

Herzlichen Dank!

XXX

Oder:

Hallo liebes Team vom Mariana’s Web,

ich bin eigentlich ein sehr netter Mensch, aber ich träume hin und wieder böse Dinge. Darf ich Ihrer Gemeinschaft beitreten?

Anbei mein Lebenslauf:

- Ich war schon mal superkriminell. Durch mein Verschulden starben etwa 2000 Silberfischchen. Das kommt der Tätigkeit eines Auftragskillers gleich.

- In der dritten Klasse hab ich einem Mitschüler voll in die Eier getreten – gewalttätig bin ich also auch.

- Mein Lebensmotto: Gewalt ist keine Lösung, wenn man nur drüber redet.

- Ich habe noch nie etwas geklaut, aber ich könnte es mal probieren.

- Der Vorname meiner Mutter lautet „Marianne“.

Meine Hobbys: Tiefseetauchen, Schnorcheln, Sporttauchen, faul auf der Luftmatratze dümpeln.

Ich freue mich auf Ihre Antwort!

Angela Fish

Nachtigallensteine

Подняться наверх