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Parshit, Teil 4

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Wir haben uns weiterentwickelt. Wir – das sind meine Freundin und ich – wissen nach nun jahrelanger Feldforschung* ganz genau, worauf es bei einem Mann ankommt, wenn er als potenzieller Kandidat infrage kommen soll. Früher waren es tolle Augen, Humor, eine sportliche Figur, männliche Energie, empathisches Einfühlungsvermögen (vor allem prä- und postmenstrual und auch während der Ovulation), philosophische Kenntnisse, sprachliche Gewandtheit, ausdrucksstarkes Auftreten, wohldosiertes, romantisches Verhalten und angemessene Paarungsbereitschaft – auf allen Ebenen.

Das alles hat sich grundlegend geändert.

Wir schauen jetzt nur noch auf die inneren Werte beim Mann. Also so richtig. Mehr so ins Zellinnere und um die Zellen herum.

Ich bin zu Besuch bei meiner liebsten Freundin. Wir wollen uns um die Aktualisierung ihres Parshit-Profils kümmern. Das ist nämlich total veraltet. Da stehen noch Sachen drin wie: „Ich finde Männer toll, mit denen ich lachen kann.“

Das ersetzen wir durch: „Ich finde Männer mit gesundem Zahnschmelz toll.“

Statt der Lieblingsfarbe kann der Kontaktsuchende nun ankreuzen, ob der pH-Wert seines Urins mehr im sauren oder mehr im alkalischen Bereich liegt.

Da Übersäuerung einen überaus großen Einfluss auf den Gemütszustand sowie die Spermaproduktion hat, bieten wir dem potenziellen Bewerber in Zukunft beim ersten Date gleich ein kleines Test-Set an, welches er unauffällig auf der Toilette ausprobieren kann.

Auch die zu Erkennungszwecken mitgebrachte Rose soll beim ersten Treffen einen kleinen Augenblick mit ausgestrecktem Arm gehalten werden, damit wir noch vor dem ersten „Hallo“ schon mal einen kleinen kinesiologischen Test durchführen können. Damit eventuelle Nahrungsmittelunverträglichkeiten nicht unerkannt bleiben, wenn ein gemeinsames Abendessen im Terminkalender steht.

Wir wissen ja heute, wie wichtig das Zellgedächtnis ist. Da reden vor allem unsere Ahnen mit. Also ganz wichtig: Erst seine Oma besuchen fahren, bevor es ins Kino geht. Nicht, dass da jemand im Krieg irgendwelche schlechten Erfahrungen gemacht hat und die sich am Ende noch vererbt haben!

Bei der Frage „Wenn du ein Gemälde wärst, welches wärst du?“ tragen wir als Antwort „Ein großes Blutbild“ ein.

Da sich seit Kurzem der glückliche Zufall ergeben hat, ein Biofeedback-Gerät nutzen zu können, wird dieses auch gleich – ich will jetzt nicht „zweckentfremdet“ sagen, sondern eher „höheren Zielen dienend“ – eingesetzt.

Knochendichte, Peristaltikfunktion des Dünndarms, Leberfettwerte sowie die Nierenfunktion können ganz ausschlaggebend bei der Partnerwahl sein. Man stelle sich nur mal vor, die Werte liegen bei der Austestung mehr im roten statt im grünen Bereich! So was gibt nur Probleme später!

„Und du meinst wirklich, dass die Knochendichte einen Einfluss auf die Partnerschaft haben kann?“, will meine Freundin wissen. „Natürlich! Noch nie was vom Penis-Knochenbruch gehört? Ach nee, so was kommt ja nur beim Dachs vor.“

Meine Freundin schaut erst mich, dann wieder ihr Profil an. Wir schicken alles ab und warten. Und warten. Und warten. Normalerweise dauert es maximal 120 Sekunden, bis der erste Bewerber eine Nachricht geschickt hat. Aber nach über einer Stunde ist immer noch kein Mann im Postfach. Wir warten ungeduldig weiter. Nach vier Stunden immer noch kein Kontakt. Wir haben das Profil wohl zu wählerisch gestaltet.

„Das muss am Profilbild liegen“, analysiert meine Freundin. Ja, das kann natürlich sein. Zu junges Aussehen für ein Dating-Portal. Ab morgen werden die Vitalstoffe auf die Hälfte reduziert.

* Siehe „Parshit“, Teil 1 bis 3, in „Nibelungenentzündung“.

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