Читать книгу Unter dem Strand - Petra Misovic - Страница 5

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Am Nachbartisch fragt Kerstin ungeniert den Kellner aus. Sie will wissen, was der Polizist am Telefon gesagt hat. They searching for the other guest. - Bahrmann? - Yes. They look for him at the airport. Uwe soll das Land nicht verlassen sagt Kerstin vom Nachbartisch rüber. Barbara will zahlen. Es ist schwierig, das auszuhalten, hier in der Halle, sie fühlt sich von allen beglotzt. Der Kellner kommt und Barbara wühlt in ihrer Handtasche nach dem Portemonnaie. Sie brauchen hier nicht zu bezahlen, sie unterschreiben einfach die Rechnung, das geht dann aufs Zimmer. Auf ihrem Korbsessel rückt Kerstin ganz selbstverständlich wieder ein Stück näher heran. Weiß man denn schon, wann das Boot hochgeholt wird? Sie müssen denen wirklich Beine machen, sonst sitzen sie Ostern noch hier und nichts ist passiert. Sie reicht Barbara einen Zettel mit einer Telefonnummer, der Konsul in Mombasa, den rufen sie an. Ich bin übrigens Kerstin. Sie sind Barbara, nicht? Und schon schüttelt Kerstin Barbaras Hand, wuchtet ungefragt ihren mächtigen Leib, neben Barbara auf das Sofa. Ein persönliches Gespräch mit der Witwe, endlich, und sie versucht ihre gute Laune etwas zu dämpfen, schlägt einen pietätvollen Ton an. Ich hab Harald ja ganz gut gekannt, hat er ihnen mal von mir erzählt? Sie fragt sich, was Harald mit Kerstin zu tun hatte, mit dieser Matrone, die ihre ausladende Gestalt unter einem zeltartigen Kleid in afrikanisch-frohen Farben nur vage verbirgt, die glamouröse Accessoires liebt und alberne Sonnenbrillen und die offensichtlich nur wenig von dem, was man ihr anvertraut, für sich behalten kann. Ich hab mich ja manchmal gefragt, warum er sie nie mitgebracht hat, und Barbara muß ihre Füße betrachten, die ungeschnittenen Nägel, die aus den Sandalen rauskucken. Ihre Hand legt sich hilfsuchend auf den Bauch der Katze, die sich in ihrem Schoß zusammengerollt hat und ihr Blick fällt auf die anderen Gäste, die in den Regen starren, Zeitung lesen und hin und wieder verstohlen die Witwe betrachten und den meisten gelingt es nicht, ihre Vorfreude zu verbergen, auf ein paar Informationshappen, mit denen Kerstin sie später, wenn Barbara weg wäre, anlocken würde.

Diesmal sind es fast drei Monate, wissen sie, Weihnachten zu hause, das ist mir ein Gräuel. Die Kälte, der Regen, überall nur Weihnachtsmärkte und man soll Geschenke kaufen. Da bin ich doch lieber hier und Barbara schafft es nicht in den Momenten, die Kerstin braucht, um Luft zu schöpfen, das Gespräch höflich zu beenden. Na gut, an Tagen wie diesen, da geht einem das Weihnachtsgeträller hier auch ein bißchen auf die Nerven, das geb ich ja zu, aber wann regnet es denn schon mal so? Einmal in zehn Jahren vielleicht. Ich hab das noch nie erlebt. Und Barbara wagt es nicht, diesem Impuls nachzugeben, einfach aufzustehen, ohne Worte, einfach wegzugehen. Oder in eine Ohnmacht zu sinken. Also Harald und Uwe, die waren ja auch gerne hier über Weihnachten, Harald hat ja nicht so viel erzählt, aber das war schon ein sehr angenehmer Gast, Uwe natürlich auch. Barbara will raus. Alles ist bezahlt. Ihr wird übel. Tschuldigung. Sie geht zur Toilette. Die Klimaanlage rattert, es ist kalt und Barbara schließt sich in eine der Kabinen ein. Sie setzt sich auf den Klodeckel und muß gar nicht pinkeln. Was soll das hier? Barbara versucht sich zu erinnern, an das Gespräch mit Uwe. Hat Uwe versucht, ihr etwas zu erklären? Sie weiß es nicht mehr. Wie kann es sein, daß sie mit einem Mann zusammenlebt und der fährt in Urlaub und sie weiß nicht wohin. Warum hat Harald ihr nicht gesagt, daß er nach Afrika fährt? Warum hat er sie angelogen, und zwar jedes Jahr?

Jemand schnauft zur Tür herein, erleichtert sich geräuschvoll auf dem Nachbarklo. Barbara kramt nach ihrem Zimmerschlüssel und verläßt die eisige Toilette. Draußen prallt sie gegen eine Wand aus Hitze und Dampf, wie warm es hier ist, trotz des Regens. Sie geht an der Rezeption vorbei nach draußen. Ein sehr junger Boy drückt ihr einen aufgespannten Regenschirm in die Hand und sie kämpft mit dem Wind und dem Schirm, auf dem Weg zu ihrem Bungalow.

Barbara legt sich erschöpft aufs Bett. Sie versucht den Gedanken, den sie auf dem Klo hatte, wieder zu finden. Was war das für eine Beziehung, zu einem Menschen, so nah. Sie teilten das Bett, den Tisch, die Wohnung, den Hund. Sie hatte Harald im Tierheim getroffen, er wollte sich einen Hund zulegen, einen großen und starken, der ihn auf dem Fahrrad begleiten sollte und beim Joggen, der sich am Abend freute, wenn er nachhause kam. Barbara ließ ihn einen Fragebogen ausfüllen, und er war als Polizist mit Wechselschichtdienst und wenig Möglichkeiten, sich ordentlich um den Hund zu kümmern eher ungeeignet gewesen als Hundebesitzer. Harald hat das nicht eingesehen und sie haben diskutiert. Sie haben sich öfter gesehen, weil Harald immer wieder ins Tierheim kam, unbelehrbar, wollte sich neue Hunde ansehen. Dann haben sie sich gesehen, weil er in ihre Nachbarschaft gezogen ist. Manchmal sind sie zusammen spazieren gegangen und Harald hat sich mit dem Hund angefreundet. Barbara hatte sehr lange keinen Freund gehabt, Harald hatte Ausdauer gezeigt. Sie war spröde gewesen, konnte monatelang von händchenhaltenden Hundespaziergängen zehren, bis er dann einmal abends mit zwei Flaschen Bier und einer Dose Hundefutter vor ihrer Tür stand und in dem Moment bei ihr eingezogen ist. Seine kleine Wohnung hat er behalten. Aber gewohnt hat er bei ihr. Hat den Kampf mit dem Hund gewonnen, der jetzt nicht mehr im Bett und nicht mehr im Schlafzimmer schlief. Der Hund hat das respektiert und Barbara hat das Einverständnis des Hundes als guten Segen genommen. Harald war jetzt ihr Lebensgefährte geworden und der Hund wurde Hund.

Unter dem Strand

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