Читать книгу Unter dem Strand - Petra Misovic - Страница 7

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Sie kann sich nicht erinnern, wie sie dorthin gekommen ist, wie lange sie schon dort liegt, flach auf dem Rücken im weichen Bett unter dem Moskitonetz. Wer hat das da aufgespannt? Sie liegt schwer und unbeweglich in diesem Zimmer, ihre Arme und Beine wie in Beton eingelassen, sie kann sie nicht bewegen, muß aufs Klo und kann sich nicht erheben, so sehr sie sich auch darauf konzentriert. Es ist dunkel und dort wo sie die Veranda vermutet, hört sie den Wind flüstern, als hätte jemand kleine Muscheln an dünnen Fäden aufgehängt, daß sie mit ihr sprechen, sie beruhigen. Ihr Kopf liegt in einem Frauenschoß und fremde Hände flößen ihr einen bitteren Tee ein. Zwischen ihren Beinen wird es warm, sie pinkelt und es gelingt ihr immer noch nicht, sich zu bewegen, sie verliert das Bewußtsein. Später, viel später wird sie ihre Augen einen Spalt öffnen und sie erblickt einen fremden Mann, der, nur mit einem Leopardenfell bekleidet, mit beiden Fäusten zum Schlag ausholt. Er sieht sie nicht an, seine Augen sind auf ihr Herz gerichtet und er nimmt es nicht wahr, daß sie wach ist. Entsetzt schließt sie die Augen und ein Schmerz läßt sie aufbäumen, es ist, als hätte er ihr einen Pfahl durch die Brust getrieben.

Es dauert, bis sie zu sich kommt, aus einer tiefen Ohnmacht kehrt sie zurück in ihr Zimmer, in das Schwarz hinein dämmert der Morgen und sie hört wieder diese Frauenstimme, die vor sich hin summt, und als sie die Augen öffnet, steht Harald an ihrem Bett. Er trägt einen Kaftan, den sie nicht kennt, lange und nachdenklich blickt er sie an. Bevor er sich abwendet hält er kurz inne, entschließt sich, ihr seinen Talisman zu schenken, vorsichtig löst er die zierliche Kette vom Hals und reicht ihr unter dem Moskitonetz den kleinen, silbrigen Delfin, den sie schon immer gemocht hat, und durch den wehenden Vorhang geht er davon, nicht ohne das Windspiel anzurempeln und die Muscheln erzeugen wieder diesen elfenhaften Ton und die Frauenstimme verschwindet und sie schafft es nicht aufzustehen und ihm nachzugehen.

Er ist nicht tot, er lebt. Und sie versucht zu ergründen, was das bedeutet. Warum versteckt er sich vor ihr? Warum läßt er sie glauben, er hätte einen Unfall gehabt? So etwas würde er nicht machen, nicht mit ihr, denkt sie tatsächlich für einen Moment und wenig später fällt es ihr wieder ein: es gibt keinen Grund, ausgerechnet ihm zu vertrauen. Und sie bleibt liegen unter dem Moskitonetz und als es an der Tür klopft ist die Sonne längst weitergewandert und schickt ihre Strahlen bis zum Bett. Und sie liegt in diesem Bett, hilflos, erbärmlich und will nicht, daß jemand hereinkommt und sie so findet. Ein Schlüssel im Schloß und sie kann sich nicht erinnern, ob sie die Kette vorgelegt hat, zieht sich das Laken unters Kinn, die Tür öffnet sich langsam, ein junger Mann schiebt sein Gesicht durch den Spalt und sie krächzt ihm entgegen: No. I am sick! und er fragt, ob sie irgendwas möchte, tea, breakfast und sie sagt No! Just leave me alone!

Und bleibt im Bett, und betrachtet die Sonnenstrahlen, wie sie sich aus dem Zimmer zurückziehen und immer steiler und härter aufprallen, auf das Gras im Garten, sich ihren Weg bahnen, durch die Blätter der Bäume, die jetzt der Wind hin und her bewegt, und sie wartet auf Harald, der jetzt eigentlich vom Dienst zurückkehren müßte, erschöpft von einer aufreibenden Nachtschicht kriecht er wortlos zu ihr unter die Decke, schmiegt sich an sie und seine Hände auf ihren Brüsten, ein Finger spürt nach, ob sie wach ist und vielleicht bereit, mit ihm zu schlafen, nur ganz kurz wenigstens, er will nicht reden, sie nicht behelligen, mit den Ereignissen dieser Nacht. Und sie stellt sich schlafend, belauscht seine Atemzüge, die lang werden und zaghaft übergehen in ein leises, ein melodisches Knurren, das klingt, wie das wachsame Grollen eines Leoparden und das ihre Nerven beruhigt und auch sie wird schläfrig und rollt sich in seinen Arm.

Und später dann ist Harald gegangen, das Bett ist zerwühlt und sie weiß nicht, wie lange sie hier gelegen hat, als der Morgen kommt. Sie quält sich aus den durchgeschwitzten Laken und sucht nach ihrem Handy, will wissen, welcher Tag und wie spät. Unter der Dusche merkt sie, wie ausgehungert sie ist und es fällt ihr nicht schwer, sich im Spiegel zu betrachten, und obwohl sie zerknittert aussieht und mitgenommen, gelingt es ihr, sich selbst ein Lächeln schenken und sie kämmt ihr nasses Haar, steckt es im Nacken zusammen, wühlt nach Zahnpasta und findet schließlich das Handy, der Akku hat aufgegeben.

Unter dem Strand

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