Читать книгу Die Grüne Feder - Petra Teufl - Страница 12

6.

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Als ich die Wohnungstür hinter mir zuschlug, wollte ich alles machen, egal was, nur nicht das, was mir Tutor Juri vorgeschlagen hatte. Wäre ja noch schöner!

Tante Edith war nicht da, um sich meine Beschwerde über den Nachbarn anzuhören. Also brachte ich meine Schätze in mein Zimmer. Mamas Foto stellte ich auf mein Nachtschränkchen und den Seelenstein legte ich in eine Schublade des Schreibtisches. Dabei fiel mein Blick auf das Kästchen von Amal, in dem die seltsame, schöne Federspitze, die er für mich von seinem Waterman-Füller abgezogen hatte, lag. Ich öffnete den Deckel und betrachtete das zarte dreieckige Gebilde aus poliertem Horn, durch das sich die Goldadern zogen, bis sie in dem Rubin an der Spitze zusammenliefen. „Mit ihr wirst du schreiben wie deine Mutter“, hörte ich Amal wie aus weiter Ferne sagen. Und: „Benutze die Hornfeder erst, wenn du sie beherrschen kannst!“ Ich konnte mit allem schreiben, was auf Schreibtischen zu finden ist. Auch mit Gänsekiel, Zeichenfeder und mit Stecken in den Sand am Strand. Was sollte an dieser Hornspitze anders sein, sodass ich sie beherrschen können musste? Dann erinnerte ich mich daran, was Tante Edith mir im Schlosscafé über diese wahrhaftige Schreibkunst und Mama erzählt hatte. Mir lief es kalt den Rücken runter. Plötzlich erschien mir die kleine Federspitze wie ein großes Rätsel, ein Geheimnis oder wie ein Schatz, den ich hüten musste. Tante Edith wollte ihre Kisten verstecken und Juri hatte mich davor gewarnt, private Dinge in die Wohnung mitzunehmen — beides war irritierend und schien außerdem übertrieben und unglaubwürdig. Es war völlig irrational. Entgegen jeder vernünftigen Überlegung verspürte ich dennoch den Drang, das Kleinod aus Horn in Sicherheit zu bringen. Die einzige Erklärung, die ich mir selber geben konnte, war, dass ein Diamantring auch gut versteckt aufbewahrt werden sollte. Die Hornfeder war auf jeden Fall ein Schmuckstück. Ich nahm das Kästchen, ging in Tante Ediths Zimmer und wühlte mich durch die Schubladen ihrer Kommode, bis ich unter den altmodischen Unterröcken endlich den Schlüssel gefunden hatte. Dann stemmte ich mein volles Gewicht gegen die Holzkommode, bis sie sich endlich bewegte und den Wandsafe freigab. Die Safekombination, bestehend aus meinem Geburtsdatum, war schnell eingetippt. Das Fach war leer. Wo hatte Tante Edith die Historia Scriptorum hingebracht? War sie wegen dieses Buchs gerade unterwegs? Ich legte die Schreibfeder ganz nach hinten ins Fach und verschloss die Safetür sorgfältig. Innerhalb von Sekunden stand Tante Ediths Kommode wieder am alten Fleck. Mein Gewissen beruhigte ich damit, dass ich Tante Edith nicht um Erlaubnis hatte fragen können, weil sie ja nicht da gewesen war. Eine schwache Entschuldigung für das eigenmächtige Eindringen in ihr Reich. Aber ich konnte nicht einmal mir selbst erklären, warum ich die Hornfeder jetzt und sofort hatte wegsperren müssen.

Ich plünderte den Kühlschrank für ein doppelt belegtes Sandwich und stieß dabei auf den Laptop, Tablet und Smartphone im Gemüsefach. Neben Butter, Mayonnaise, Schinken und Käse holte ich auch den Laptop aus dem Kühlschrank. Dann machte ich mir die Sandwiches und setzte mich in mein Zimmer an den Schreibtisch. Der Laptop war geladen und startete in Sekundenschnelle. Das Internet würde mir hoffentlich etwas über die Gilde der Schreiber verraten. Nach einigen Registrierungen versuchte ich, die Suchmaschine Lookover zu installieren, die ich in Indien benutzt hatte. Nichts! Als würde sie nicht existieren. Ständig blinkten Fehlermeldungen auf. Genervt gab ich auf. „Gilde der Schreiber“ tippte ich in die Suchzeile der vorinstallierten Suchmaschine FLOWERS ein. Es dauerte eine Sekunde bis die Meldung erschien, dass es zu diesem Begriff keine Einträge gäbe. Konnte es wirklich stimmen? Charles Braxton war wütend auf die Gilde und ließ deshalb keine Informationen über sie in seinem System zu? Ich versuchte es weiter mit anderen Formulierungen, ohne Erfolg. Als die Wohnungstür aufgeschlossen wurde, klappte ich den Laptop schnell zu. Tante Edith setzte zwei Einkaufstüten im Flur ab und schaute zu mir ins Zimmer.

„Na? Kommst du mit dem Ding zurecht?“, fragte sie, während sie ihren Mantel auszog.

„Ja, aber ich glaube, du hattest recht mit dem gesperrten Zugang zum offenen Internet“, antwortete ich.

Tante Edith legte ihren Zeigefinger auf die Lippen. „Findest du nicht, dass die Tischdecke auf dem Küchentisch ein bisschen zu bunt ist?“, fragte sie augenzwinkernd.

Ich musste lachen. Sie machte tatsächlich Ernst damit, in Gegenwart der Geräte nur über Belanglosigkeiten zu reden. Ich folgte ihr in die Küche und legte den Laptop zurück in den Kühlschrank.

„Sag mal Tante, du versteckst die Bücher und das ganze Zeug auf dem Dachboden. Ich darf über die Historia Scriptorum nicht reden, aber dieser Juri bekommt alles mit. Wieso vertraust du dem?“ Tante Edith sah mich erstaunt an.

„Wieso fragst du?“

„Juri hat erzählt, er würde lieber in Braxcity leben als hier. Nach deiner Logik müsstest du dich von ihm fernhalten und ihm nicht auch noch ausgerechnet deine geheimen Bücherkisten anvertrauen.“

„Das täuscht. Bestimmt hast du ihn falsch verstanden.“

„Nein, sicher nicht. Der Typ ist eindeutig merkwürdig und vertrauen würde ich dem keinen Millimeter.“

„Ach, das wundert mich aber. Abgesehen davon, dass ich diesen jungen Mann für einen patenten Kerl halte, habe ich mir seine Unterstützung durch ein Schriftstück gesichert. Geschrieben von einem wahrhaftigen Schreiber der Gilde.“ Die zehn Fragezeichen in meinem Gesicht mussten Bände sprechen, denn Tante Edith redete gleich weiter: „Du erinnerst dich, was ich in dem Café über deine Mutter und ihre Gabe des wahrhaftigen Schreibens erzählt habe. Dass sie Menschen damit beeinflussen, ja sogar lenken konnte. Juri bekam einen Zettel von mir, auf dem ein wahrhaftiger Schreiber geschrieben hat, dass er mich unterstützen und vor allem Stillschweigen darüber bewahren solle.“

„Das ist ja gruselig!“, erwiderte ich, wobei mir das Bild von Juri als willenlosem Zombie gefiel.

„Ach was. Halb so schlimm“, wehrte Tante Edith ab. „Es ist ja nicht so, dass es vollkommen gegen seinen Willen geschieht. Vorher bekam er die Zusage von mir, dass die Gilde seiner Familie helfen würde, falls es einmal nötig sein würde.“

„Wobei hilft ihnen denn die Gilde?“

„Pjotr, Juris Vater, ist Journalist. Wenn er hier Ärger bekommt, dann wird die Gilde ihm helfen.“

„Ganz sauber ist das aber nicht, Tante“, gab ich mit gespielter Entrüstung zu bedenken. Tante Edith lächelte verlegen. „Ich weiß, aber hier ohne verschwiegene Unterstützung zu wohnen ist zu gefährlich.“ Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Sollte ich mit Papa über Tantes Geisteszustand reden, den ich für äußerst bedenklich hielt?

„Mach dir keinen Kopf deswegen“, sagte Tante Edith und deutete auf die Küchenuhr. „Teezeit! Hast du Lust auf eine heiße Tasse Earl Grey?“

„Tante, wann ist bei dir eigentlich keine Teezeit?“, lachte ich. „Leider muss ich ablehnen. Ich bin mit deinem Zombiefreund zu einem Ausflug in den Park verabredet.“

„Siehst du, Juri ist doch ganz nett“, erwiderte Tante Edith zufrieden.

„Er sagt, er treffe dort Freunde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand mit ihm befreundet sein will. Aber wenn doch, besteht die Chance, dass ich ein paar ganz normale Leute kennenlerne.“

Ich öffnete den Kühlschrank und nahm das Smartphone aus dem Gemüsefach. Demonstrativ hielt ich es Tante Edith vor das Gesicht, bevor ich es einschaltete. Sie nickte und verschwand aus der Küche. Auf dem Display blinkte eine neue Nachricht im Messenger von Braxnet auf. Dabei hatte ich das Gerät noch nicht eingerichtet. Ich kannte nicht einmal meine neue Handynummer. Aber eine Nachricht wartete bereits in meinem Postfach. „Synchronisiert mit den Braxcity-Systemen“, hatte Papa gesagt. Da brauchte ich mich nicht zu wundern.

„Es wird Zeit, Neuling!“, schrieb Juri. „Zieh dir die Schuhe an und komm runter!“

„Du kannst die Uhr lesen? Bin beeindruckt!“, tippte ich. Bevor ich den Button zum Verlassen des Netzes finden konnte, erschien Juris Antwort: „Das freut mich ungemein!“

Da ich mich fast zeitgleich ausgeloggt hatte, war der Kontakt unterbrochen. Juri Stankiewicz hatte schon wieder das letzte Wort. Vor Wut schnaufte ich mehr als undamenhaft.

Als ich durch den Hausflur die Treppe runterging, lehnte Juri mit verschränkten Armen an der Haustür, als wartete er seit Stunden. Er trug jetzt eine schwarze Lederjacke, die ihm auch noch gut stand, wie ich leider feststellen musste.

„Hast du dein Handy dabei?“, fragte er unvermittelt.

„Ja, warum?“

Mit einer Handbewegung forderte Juri es ein. Ohne zu überlegen gab ich es ihm. Er zog seines aus der Jackentasche, legte beide draußen vor die Haustür auf den Boden und schloss die Tür wieder von innen.

„Was soll das denn?“, protestierte ich.

„Wenn wir jetzt da rausgehen und die anderen treffen, dann machen wir vielleicht Dinge, die deinem Papa nicht gefallen. Wenn nur einer von uns bestraft wird, weil du auf gehorsames Töchterchen machst und deinen Mund nicht hältst, dann wirst du hier keinen ruhigen Tag mehr haben. Verstanden?“

„Du drohst mir?“

„Sieht so aus“, antwortete Juri trocken. Er öffnete die Haustür, hob die Handys auf und reichte mir meines. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Haus. Mir war übel, als hätte ich einen Schlag in die Magengrube erhalten. Ich atmete dreimal tief durch und folgte Juri, so gelassen, wie es mir möglich war. Das habe ich nicht verdient, du ekliger Kotzbrocken, dachte ich, den Blick auf seinen Rücken gerichtet.

Juri ging den ganzen Weg durch die Stadt zwei Schritte vor mir. Das war mir recht. Je weniger ich mit diesem Typen zu tun hatte, umso besser.

Ich hoffte, dass seine Freunde endlich normale, nette Menschen waren. Das konnte es doch auch nicht geben, dass es hier nur arrogante Affen oder verschrobene, vom Verfolgungswahn geplagte Bewohner gab.

Im Stadtpark am Brunnen wartete tatsächlich drei Leute in unserem Alter auf Juri. Ein großer, breitschultriger Junge hielt einen Rucksack auf, in den jeder sein Handy steckte - inklusive mir. Der Junge schloss den Rucksack und legte ihn auf die Steinmauer des Brunnens. Dann stellte Juri uns im Schnelldurchgang vor: „Mike, Alice, Paula und das ist Lara Ritter.“ Damit schien er der Meinung zu sein, seine Pflicht erfüllt zu haben, legte einen Arm um Paulas Taille, und beide gingen voran in Richtung Wiese. Paula schien wie ein elfengleiches Wesen neben Juri zu schweben. Sie warf ihre langen, blonden Haare nach hinten, lehnte sich gegen Juris Schulter, drehte den Kopf zu mir um und musterte mich abschätzig. Das fing ja toll an. Am liebsten wäre ich umgedreht. Doch da hakte sich Alice mit festem Griff bei mir unter. „Und? Lässt du dich gerade von Wonder-Paula einschüchtern?“

„Ich glaube schon“, lachte ich. Alice war etwas kleiner und kräftiger gebaut als ich. Sie hatte kurze, blau gefärbte Haare, Piercings an Augenbraue und Lippe, trug ein kariertes Hemd, schwarze Jeans und Springerstiefel. So jemand lief in Indien definitiv nicht oft herum.

Sie strahlte mich aus einem sommersprossigen Gesicht an, als wären wir schon seit Jahren befreundet.

„Du darfst dich durch unser Prinzesschen nicht beeindrucken lassen. Wie gefällt es dir in Regensburg?“, fragte sie.

„Es geht so“, antwortete ich. „Alles ein bisschen seltsam hier.“

„Kann ich mir vorstellen. Nach Indien wirkt das hier alles wahrscheinlich wie ein anderer Planet“, sagte sie verständnisvoll. Nach wenigen Metern zog Mike aus seiner Jackentasche eine gefaltete Frisbeescheibe heraus. Er machte einige Probewürfe in die Luft und fing sie wieder auf. Er war offensichtlich der Sportler der Gruppe. Während sein Körper voll durchtrainiert aussah, verriet sein Gesicht, dass es noch eine andere Seite an ihm geben musste. Er trug sein Haar halblang und eine Brille verlieh ihm die Aura eines Musterschülers.

„Mike ist unser Muskelprotz und Nerd“, erklärte Alice und fing sich einen schnellen Boxhieb von Mike dafür ein. „Aua!“, schimpfte sie und schlug zurück. Sie traf aber nicht, weil Mike in Deckung ging. „Das stimmt doch!“, behauptete sie lachend. „Du machst viel Sport und hast von uns die meiste Ahnung von dem technischen Computerzeugs.“

„Alice neigt zu Übertreibungen“, entgegnete Mike.

„Kann ich dich gleich mal was fragen?“, sagte ich.

„Klar“, antwortete Mike.

„Ich hatte vorhin schon das erste Computerproblem. Ich wollte die Suchmaschine Lookover installieren. Die habe ich bisher immer benutzt. Das hat nicht funktioniert. Immer wieder wurde nur die Suchmaschine FLOWERS geöffnet.“

In den Gesichtern der anderen zeichneten sich Fragezeichen ab. Was hatte ich denn jetzt schon wieder gesagt? Das war doch eine ganz normale Frage!

„Du bist aber schon die Tochter vom Ritter, oder?“, fragte Alice erstaunt. Ich zuckte mit den Schultern. „Ja, ich weiß. Hab ich mir auch schon anhören dürfen: Stellt die sich so doof oder ist sie es tatsächlich?“

„O-Ton Juri?“, fragte Mike.

„Ja. Um es gleich mal klarzustellen“, sagte ich entschieden. „Ich weiß so gut wie nichts über dieses Braxtonzeugs.“ Alice und Mike sahen sich an. Glaubten sie mir etwa nicht? „Wisst ihr“, entfuhr es mir genervt, „ich habe auf sowas keine Lust. Wenn ihr mir nicht glaubt, dann sagt es und ich gehe. Kein Problem.“

Alice verzog den Mund zu einer Schnute und Mike nickte leicht. „Kann so ein Lockenkopf lügen?“, frage Alice lachend und wuschelte mir durch die Haare. „Wir glauben dir.“

„Danke“, antwortete ich erleichtert. Am liebsten hätte ich Alice und Mike gleich gefragt, ob sie auch irgendwelche dunklen Geheimnisse hüteten. Was hätten sie mir wohl geantwortet? Wahrscheinlich hätten sie mich angeschaut als wäre ich ein rosa Riesenkaninchen, das völligen Unsinn redet. Ich forderte von Mike die Frisbeescheibe. Er warf sie mir zu. „Du bekommst in ganz Regensburg kein freies Internet“, erklärte Mike. „Das ist so: BRAXWORLD verkauft hier seine vorinstallierten Geräte zum Schleuderpreis. Jeder Haushalt hier nutzt sie. Auch die Geräte von anderen Anbietern werden zunehmend mit BRAXWORLD Software vorinstalliert. Mit denen kannst du nur BRAXWORLD Programme benutzen. Und die sind so beschaffen, dass ...“

„Mike!“, platzte Alice warnend dazwischen. „Erschrick Lara nicht gleich am ersten Tag!“

Mike nickte und fing die Frisbeescheibe, die ich ihm zuwarf. „Man kann es sowieso nicht beschreiben, man muss es erleben!“, rief er höhnisch, reckte seine Arme in die Luft und warf das Frisbee hoch in die Luft. Meine Hoffnung auf normal denkende Freunde schwand dahin. Jedenfalls hatte ich verstanden, dass Tante Edith recht hatte, als sie behauptete, ich käme mit Herrn Späths Geräten nicht aus der Welt von BRAXWORLD heraus.

„Los Leute!“, forderte Alice. „Lasst uns ein paar Runden werfen“. Sie lief einige Meter weg und Mike warf ihr die Scheibe zu. Ich stellte mich ans andere Ende der Wiese und sogar Juri und Paula, die tuschelnd abseits gestanden hatten, machten mit. Die Scheibe flog erst artig durch die Runde und wurde dann immer frecher geworfen. Ich war in meinem Element. Frisbee hatte ich oft in der Schule in Indien gespielt. Alice lachte, wenn ich die scharfen Würfe von Juri auffing und mit einem extra Dreh wieder zurück schleuderte. „Endlich eine Gegnerin, die dir gewachsen ist, Juri!“, rief sie quer über das Feld. Ihm schien das weniger zu gefallen. Paula machte nach einigen Würfen schlapp und setzte sich unter einen Baum. Juri warf ihr seine Lederjacke zu. Paula hängte sie sich über die Schultern und lächelte ihn an. Ich beobachtete die Szene, was meiner Konzentration schadete, denn die nächste Scheibe glitt mir unkontrolliert aus der Hand und traf Paula an der Schulter.

„Du Trampel …“, schimpfte sie los.

„Entschuldige, tut mir leid!“, rief ich sofort.

„Ach Lara, kein Problem. Ich kann es mir nicht leisten, mich mit der Tochter vom Ritter anzulegen“, fauchte sie alles andere als elfenhaft.

Mike stand neben mir und flüsterte mir zu, ich solle Paula bloß nicht ernst nehmen. Die habe zurzeit schlechte Laune. Juri holte die Scheibe und redete leise mit Paula. Sie sah ihn daraufhin an, als würde sie sagen: „Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?“ Dann legte sie sich auf Juris Lederjacke und schloss die Augen. Die beiden passten wirklich super zusammen, schoss es mir durch den Kopf. Beide arrogant und feindselig. Sie hatten sich jedenfalls gegenseitig verdient.

Nachdem sich Paula ausgeklinkt hatte, hatten wir noch einen tollen Nachmittag. Zu meiner Überraschung rannte und lachte Juri genauso ausgelassen wie wir anderen. Es machte so viel Spaß, dass wir erst aufhörten, als wir die Frisbeescheibe im Dunkeln nicht mehr sehen konnten. Mike und Alice verabschiedeten sich und wir verabredeten uns für den kommenden Tag an derselben Stelle.

„Ich bring Paula nach Hause, ihr geht es nicht so besonders“, meinte Juri. „Findest du den Weg zum Fischmarkt allein?“

„Klar, kein Problem!“, antwortete ich.

„Du musst nur wieder zur Allee …“

„Keine Sorge, ich habe mich in Neu-Delhi zurechtgefunden, da werde ich Regensburg auch schaffen.“ Juris Kiefermuskeln zuckten, sein Blick lag prüfend auf mir, was mich verlegen machte. Schnell wischte ich auf dem Screen meines Smartphones herum und öffnete das Navi.

„Gib mal dein Handy her, ich stell dir das Navi ein“, sagte Juri freundlich und nahm mir das Handy aus der Hand. Ich wollte schon protestieren, da sagte er leise: „Ärgere dich nicht über Paula. Ihre Familie hat zurzeit ziemliche Schwierigkeiten. Dein Vater macht ihnen gerade die Hölle heiß.“ In Gedanken formulierte ich schon eine giftige Antwort, als ich bemerkte, dass in Juris Stimme keinerlei Vorwurf mitschwang. Verwirrt verfolgte ich, wie Juri unsere Adresse in das Navi eingab. Der Zeigefinger seiner linken Hand lag auf dem Mikrofon des Smartphones. Dass Juri das machte, wunderte mich nicht. Schließlich litt er an Verfolgungswahn. Mich wunderte, dass es mir auffiel.

„Kannst du bitte mein Handy mitnehmen und vor unsere Wohnungstür legen?“, fragte er. „Muss keiner wissen, dass ich Paula begleite.“ Er hielt mir sein Handy entgegen, wobei er auch bei diesem Kamera und Mikro abdeckte.

„Klar, kein Problem“, antwortete ich. Obwohl ich mich darüber wunderte, steckte ich sein Handy ein.

„Wen sollte es denn interessieren, wo dein Handy spazieren geht? Reicht es nicht, wenn du die GPS-Ortung abschaltest?“, fragte ich.

„Frag das lieber deinen Papa. Bis morgen dann!“, sagte Juri, drehte sich um und ging zu Paula. Ich sah ihm irritiert hinterher, bis mich Paulas Blick traf. Der hätte einen heißen Backofen einfrieren können. Paulas Botschaft an mich war eindeutig. Sie wünschte mich ans dunkle, kalte, morastige Ende der Welt.

Die Grüne Feder

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