Читать книгу Die Grüne Feder - Petra Teufl - Страница 4
Januar des siebten Jahres mit der Grünen Feder:
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Ich sollte nicht wieder damit anfangen. Aber ich kann nicht anders. Ich muss schreiben. Ohne Schreiben ertrage ich diese ganze Situation nicht. Meine Tagebücher der letzten sechs Jahre als Schreiberin der Arundoveridis, dieser magischen Grünen Schreibfeder, habe ich an Silvester verbrannt. Der Wind verteilte die Asche in alle Richtungen. Es wird keine schriftlichen Zeugnisse meiner Zeit als Federschreiberin geben. Denn alles, was auf Papier festgehalten wird, kann gestohlen, der Inhalt falsch verstanden, manipuliert und irreführend verbreitet werden. Das ist zu gefährlich. Dieses Risiko will ich nicht eingehen. Wenn ich Ende Oktober nach Regensburg fahre und die Arundoveridis dem Vorstand der Gilde der Schreiber zurückgebe, wird sie sich einen neuen Schreiber wählen. Dann erst werde ich mündlich von dem feigen Abkommen zwischen der Gilde und dem machtgierigen Datenfürst von BRAXWORLD, Charles Braxton, berichten. Ich werde den Gilden-Mitgliedern erzählen, dass Unrecht, Erpressung und Angst mich daran hinderten, die Kraft dieser Feder zum Wohle der Menschen einzusetzen.
Seit ich als Jugendliche von meiner Gabe des wahrhaftigen Schreibens, von der Gilde und der magischen Schreibfeder erfahren habe, träumte ich davon, eines Tages meine Aufzeichnungen als Federschreiberin in die lange Reihe der Tagebücher früherer Federschreiber zu stellen. Doch nun wird zwar mein Name in der Historia Scriptorum aufgelistet werden, aber darunter wird ein trauriges Kapitel der Geschichte der Schreiber stehen.
Dieses Tagebuch schreibe ich in der Geheimschrift, die ich vor Jahren mit der Grünen Feder entwickelt habe. Kein Schriftforscher, kein Kryptograph, nicht einmal Tante Edith wird sie entschlüsseln können. Auch Charles Braxton nicht. Diese Datenkrake mit seiner elektronischen Waffenkammer voller Software, Programmen, Apps und fieser Spyware würde sich die Zähne an dieser Schrift ausbeißen, sollte er sie in die Hände bekommen. Das wird aber nicht passieren. Ohne meine Hilfe liest keiner diese Aufzeichnungen. Denn in dieser Schrift steckt die Magie der Grünen Feder. Außer Lara vielleicht. Ihr bringe ich gerade mit viel Freude diese Schrift bei. Sie saugt jedes Zeichen, jeden Strich neugierig in sich auf. Gestern fand ich einen Zettel in meinem Bett, auf den sie „Gulte Nocht“ in der Geheimschrift geschrieben hat. Ich schrieb ihr gleich eine Botschaft zurück. „Guten Morgen, Lara“. Bin gespannt, ob sie das entziffern kann. Aber auch Lara wird dieses Tagebuch nicht lesen. Warum sollte sie? Ich werde es wie die anderen am Ende meiner Zeit als Federschreiberin am 31. Oktober verbrennen.