Читать книгу Big Ideas. Das Management-Buch - Philippa Anderson - Страница 25

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UNTERNEHMEN SIND WIE LEBENDE ORGANISMEN, SIE MÜSSEN SICH IMMER WIEDER HÄUTEN

SICH NEU ERFINDEN UND ANPASSEN

IM KONTEXT

SCHWERPUNKT

Prozesse und Produkte

WICHTIGE DATEN

1962 Everett Rogers schreibt Diffusion of Innovations. Er zeigt darin, wie Innovation soziale Systeme beeinflusst.

1983 Der Berater Julien Phillips veröffentlicht in der Zeitschrift »Human Resource Management« das erste Modell für ein Veränderungsmanagement.

1985 In Innovation and Entrepreneurship beschreibt Peter Drucker den besten Ansatz für Veränderungsmanagement so: »Immer nach Veränderungen suchen, reagieren und sie ausnutzen«.

1993 Der Change-Experte Daryl Conner ermutigt Unternehmen zum Sprung ins kalte Wasser (Metapher der brennenden Ölplattform), um die hohen Kosten fehlender Veränderung zu vermeiden.

Erfolgreiche Unternehmen sind lebende Organismen, die wachsen, sich verändern und anpassen, genauso wie wir Menschen. Der US-amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler veröffentlichte 1970 sein Buch Der Zukunftsschock, in dem er ein Wahrnehmungsproblem prophezeite: das Gefühl, dass wir zu viel Veränderungen in zu kurzer Zeit erleben. Dieses Tempo werde auch auf die Wirtschaft übergreifen, weil Firmen ihre Produkte und Prozesse laufend anpassen müssten, um ihre Wettbewerbsvorteile in umkämpften Märkten zu erhalten.

Zur damaligen Zeit galten Tofflers Befürchtungen hinsichtlich der rasanten technischen Entwicklung als weit hergeholt. Doch durch Computer und das Internet verändert sich alles sogar noch schneller als vorhergesehen. Toffler meinte, wir würden in einem Zustand »rascher Vergänglichkeit« leben, in dem wir Ideen, Organisationen und selbst Beziehungen immer weniger Zeit widmen. Tatsächlich gibt es inzwischen die Social Media, in denen wir unsere Beziehungen auf völlig neue Art pflegen und die auch neue Möglichkeiten zur Gründung und zum Aufbau von Unternehmen bieten.

1989 dauerte es laut dem Informatiker Alan Kay zehn Jahre, bis eine Innovation den Weg vom Labor ins Alltagsleben zurückgelegt hatte. Im Jahr 2006 schaffte es Twitter, diese Spanne auf vier Jahre zu verkürzen. Wir können heute Produkte aus der ganzen Welt kaufen, die Kunden können sofort ihre Kritik veröffentlichen. Für Firmen ist es äußerst wichtig, sich ebenso schnell anzupassen.


Produkte und Prozesse

Die private und geschäftliche Umgebung hat sich seit den 1960er-Jahren komplett verändert, keine Branche und kein Unternehmen blieb davon unberührt, wie zum Beispiel die Musik- und Filmindustrie zeigen. Neue Technologien sorgen dafür, dass Filme und Musik heute vollkommen anders gekauft und konsumiert werden als früher. Große Film- und Musikunternehmen (und ihre Lieferanten und Produzenten) konnten nur überleben, indem sie sich ebenso radikal anpassten und neu erfanden.

»Wer das Alltagsleben neu erfindet, dringt in unbekanntes Territorium vor.«

Bob Black politischer Aktivist (geb. 1951)

Veränderung umfasst sowohl Produkte als auch Prozesse. Produkte werden entweder abgewandelt oder neu entworfen. Die Filmindustrie etwa erlebte seit den ersten Schwarzweißfilmen zahlreiche Umwälzungen. Sie erfand sich neu durch Technik (vom Ton bis hin zu den »unmöglichen« CGI-Animationen), Marketing-Schachzüge oder Erlebnisse wie Vorführungen im Freien. Auch die Verbreitung der Multiplexkinos, durch die sich die Besucherzahlen vervielfacht haben und in denen die Filme schneller wechseln, trugen dazu bei. Nun soll die alte Idee des 3D-Kinos als neustes Produkt die Zuschauer von illegalen Downloads abhalten und zurück in die Kinos locken.

Etwa zu Beginn des 21. Jh. kämpfte die Musikindustrie mit den sinkenden Absatzzahlen bei CDs und konzentrierte sich erneut auf Liveauftritte und Merchandising. Beide, die Musik- und die Filmindustrie, wurden aber auch durch die Digitalisierung wiederbelebt, wie zum Beispiel iPod und iTunes von Apple zeigen. Mit dieser revolutionären Kombination von Produkt und Prozess – der Hard- und Software von Apple – wurden legale Downloads von Musik und Filmen attraktiver als das Raubkopieren. Im iTunes-Store von Apple waren 2013 in 119 Ländern 60 000 Filme und 35 Mio. Musikstücke im Angebot.

Innovative Methoden

Geht es darum, Prozesse anzupassen, müssen neue Arbeitsmethoden erfunden und eingeführt sowie alte ausgemustert werden. Filmanbieter wie Netflix beispielsweise kämpfen sowohl mit Wettbewerbern, die per Internet Filme verkaufen, als auch mit illegalen Streaming-Angeboten. Netflix reagierte darauf, indem er alle Episoden der Fernsehserie House of Cards gleichzeitig zum Download freigab. Die Erwartung war, dass die Kunden nicht die illegalen Angebote nutzen würden, wenn sie sämtliche Episoden sofort legal beziehen können.

Das war nicht nur ein neuer Prozess für Netflix, sondern bedeutete auch eine Anpassung des gesamten Geschäftsmodells. 2012 war Netflix ein Online-Streaming-Dienst in einer frühen Wachstumsphase, aber für House of Cards betätigte sich die Firma erstmals auch als Produzent. So erzielte Netflix mehr Gewinn und konnte gleichzeitig den Inhalt kontrollieren. Niemand konnte vorhersagen, ob das Experiment mit House of Cards gelingen würde. Klar war nur, dass das Geschäftsmodell angepasst und neu erfunden werden musste, wenn die Firma den Schwung aus dem ersten Wachstum nutzen wollte. In diesem Fall hieß das, als Produzent und Distributor tätig zu werden.


Produktanpassung In der Musikindustrie werden immer wieder neue Technologien entwickelt – Grammofon, Schallplatten, Kassetten, CDs, Minidiscs und MP3-Datei –, um den Markt ständig zu erweitern.

»Exzellente Firmen glauben nicht an Exzellenz – nur an konstante Verbesserung und konstante Veränderung.«

Tom Peters Wirtschaftsexperte (geb. 1942)

Interne Neuerungen

Der Fokus bei Veränderungen liegt auch oft auf Systemen, Routineaufgaben oder den Betriebsabläufen in der Firma. Die Verbesserungen beruhen entweder auf Daten aus formalisierten Prozessen wie »Total Quality Management« oder einfach auf der Erfahrung und Intuition der Manager. Sie führen dazu, dass Firmen ihre Einnahmen steigern, während sie ihre Kosten senken.

Der Snack Wrap von McDonald’s zum Beispiel lässt sich in nur 21 Sekunden zubereiten: Je kürzer die Zubereitungszeit, desto mehr Kunden können von möglichst wenigen Mitarbeitern bedient werden. Für die R. Griggs Group Ltd, die die Dr-Martens-Schuhe produziert, eröffneten sich durch eine Neuerfindung bei den internen Systemen globale Absatzchancen. Aufgrund der wachsenden Beliebtheit der Marke überstieg 1994 die Nachfrage die Produktionskapazität bei Weitem, schlechte Planung und Koordination verzögerten die Produktion noch stärker. Also wurden die internen Systeme mithilfe eines integrierten EDV-Systems neu organisiert. Das Produkt selbst, der klassische »1460«-Lederstiefel mit acht Schnürlöchern – änderte sich kaum, obwohl die Produktlinie später um neue Entwürfe erweitert wurde. Wichtig war hier die Neuordnung der internen Prozesse, die die Produktion auf Trab brachte.


Die Schuhe der Marke Dr. Martens wurden innerhalb weniger Jahre ein internationaler Modehit. Der Hersteller R. Griggs musste Prozesse neu erfinden, um die Nachfrage zu befriedigen.

Anpassung in der Rezession

In statischen oder rückläufigen Märkten ist es noch wichtiger, die internen Abläufe zu verbessern. Betriebliche Effizienz hat für die Gewinne mehr Bedeutung als steigende Einnahmen. Da beispielsweise Versicherungen ihre Produkte nur begrenzt anpassen können, konkurrieren sie über die Preise, vor allem wenn in der Rezession die Kunden mehr auf ihr Geld achten. Rentabel arbeitet daher nur, wer sich von innen heraus neu erfindet, um den Kunden dasselbe Produkt bei niedrigeren Kosten und daher profitabler liefern zu können. Die Tage der Versicherungsvertreter sind damit passé, heute wird per Telefon und Internet verkauft.

Firmen erfinden sich neu

Ein Unternehmen, das sich selbst ganz neu erfand, ist Samsung Electronics, die 1969 gegründete Tochter der Samsung Group. Sie sollte die neuen Chancen in der aufkommenden Technologiebranche ergreifen. Das Unternehmen stellte zunächst Schwarzweißfern-sehgeräte her und verlegte sich in den 1970er-Jahren auf Hausgeräte. In den 1980er-Jahren wurde die Produktion auf PCs und Halbleiter ausgeweitet.

»Wer Veränderungen selbst herbeiführt, hat die Chance, unvermeidliche Veränderungen besser zu bewältigen.«

C. William Pollard Unternehmer (geb. 1938)

1986 brachte Samsung das erste Autotelefon heraus, das SC-100. Dessen Qualität war allerdings so schlecht, dass sich viele Kunden beschwerten – eine Katastrophe für Samsung. Das Unternehmen hatte deshalb über viele Jahre hinweg keinen guten Ruf, die Kunden bevorzugten hochwertigere japanische Produkte.

Am 7. Juni 1993 erklärte Lee Kun-Hee bei einer Vorstandsversammlung, dass sich das Unternehmen neu erfinden müsse. Seine berühmte Anweisung, »außer Frau und Kindern alles zu verändern«, zeigte, wie ernst er die Situation nahm. Lee erkannte die Veränderungen der Marktlage: Er machte deutlich, dass die Firma bis 1994 Mobiltelefone produzieren müsse, die mit denen von Motorola vergleichbar seien, sonst müsse sich Samsung aus diesem Markt zurückziehen. Die darauf folgende Initiative »Neues Management«, die mit Produkt- und Prozessinnovationen unterstützt wurde, stellte vor allem die Qualität und Innovation, für die Samsung heute berühmt ist, in den Vordergrund. Damit war der Grundstein für zukünftiges Wachstum gelegt. Dennoch zwang die Finanzkrise in Asien Samsung Ende der 1990er-Jahre erneut zu einer Verwandlung. Die Firma konzentrierte sich noch stärker auf die Märkte und wurde noch verbraucherfreundlicher. Seither beruhen alle Anstrengungen, vor allem auf dem sehr veränderlichen Markt der Mobiltelefone, auf konstanter Neuerfindung und Anpassung.


Wenn sich Prozesse entwickeln entstehen neue Aufgaben und andere werden überflüssig. Die Schaltborde für die Telefonvermittlung wurden bald durch automatische Systeme ersetzt.

Langfristiges Überleben

Ohne Anpassung und Neuerfindung überleben nur wenige Unternehmen. Produkte wie Kellogg’s Cornflakes und Heinz-Bohnen, die jahrzehntelang unverändert bleiben, sind selten. Und selbst wenn das Produkt weiterbesteht, ändern sich viele Prozesse in Herstellung, Distribution und Marketing dramatisch. Fabriken sahen vor 100 oder auch 50 Jahren ganz anders aus als heute, inzwischen sind viele Aufgaben automatisiert oder werden von Robotern erledigt. Auch die Werbung wird der veränderten Demografie und den Wünschen der Kunden sowie den globalen Märkten angepasst. In diesen Bereichen müssen sich selbst etablierte Marken neu erfinden.

Erfolgreicher Wandel beruht selten nur auf der Kommerzialisierung mutiger neuer Ideen, Technologien oder Produkte. In den erfolgreichsten Unternehmen ist die Neuerfindung ein kontinuierlicher Prozess. Alle Firmen mussten sich zum Beispiel an die Marktveränderung durch die sozialen Medien anpassen. Selbst Musikfirmen erkennen heute, wie wertvoll Websites wie Youtube für ihre Werbung sind.

Das Ökosystem rund um eine Firma ist selten statisch. Sie existiert darin wie ein Lebewesen, das sich ständig anpassen muss. Gute Führungskräfte wissen, dass ausstirbt, wer dies nicht beachtet.

Lee Kun-Hee


Lee Kun-Hee (geb. 1942) ist Vorsitzender von Samsung. Er hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Waseda-Universität in Tokyo (Japan) und einen MBA der George-Washington-Universität (USA). Lee trat 1968 in die Samsung Group ein und wurde 1987 Nachfolger seines Vaters als Vorsitzender.

Samsung ist die Verkörperung eines »Chaebol«, eines typisch koreanischen Konglomerats, das teils auf konfuzianischen und familiären Werten basiert, teils dem Regierungseinfluss unterliegt. Unter Lees Führung verwandelte sich die einstige koreanische Billigmarke in eine bedeutende, weltweit agierende Marktmacht. Neben Sony ist Samsung heute eines der bekanntesten asiatischen Unternehmen. Die berühmteste Tochter, Samsung Electronics, ist führend bei der Entwicklung von Halbleitern, TV-Bildschirmen und Mobiltelefonen – Samsung-Smartphones verkaufen sich auf vielen Märkten sogar besser als das iPhone.

In der »Forbes«-Liste der weltweit reichsten Milliardäre 2013 belegte Lee als reichster Koreaner Rang 69.

Big Ideas. Das Management-Buch

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