Читать книгу Big Ideas. Das Management-Buch - Philippa Anderson - Страница 26
ОглавлениеOHNE WACHSTUM UND KONTINUIERLICHEN FORTSCHRITT HAT ERFOLG KEINE BEDEUTUNG
DAS GREINER-MODELL
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Unternehmenswachstum
WICHTIGE DATEN
1972 Larry Greiner skizziert in seinem Artikel Evolution and Revolution as Organizations Grow fünf Wachstumsphasen und die mit ihnen verbundenen Krisen.
1988 Der Mazedonier Ichak Adizes beschreibt in Corporate Lifecycles das Unternehmenswachstum als eine Abfolge von fünf S-Kurven.
1994 Professor David Storey hält alle »Phasenmodelle« für begrenzt. Er schlägt vor, die Firmen in Kategorien einzuordnen: gescheitert, langsam und schnell entwickelnd.
1998 In einer Neuauflage seines Artikels von 1972 aktualisiert Greiner seine Theorie und fügt dem Modell noch eine sechste Phase hinzu.
Mit Start-up-Unternehmen lässt sich nicht nur gutes Geld verdienen, oft bieten sie auch aufregende Arbeitsplätze. Das Chaos, die ständigen Veränderungen bei den Abläufen und die viele Arbeit erzeugen sehr viel Energie, Initiative und Ideen. Doch wenn Wachstumsentwicklungen den Druck auf Mitarbeiter und Systeme erhöhen, schlägt die Aufregung oft in Frust um.
Nach einer Gründung regiert zunächst häufig das Chaos. Reift die Firma dann heran, muss sie mehrere Schwellen überschreiten. Larry Greiner bezeichnete diese 1972 als »Wachstumskrisen«. Er stellte sie in einem Diagramm dar, das als »Greiner Curve« oder »Wachstumsphasenmodell« bekannt wurde. Greiner hatte erkannt, dass in allen Firmen auf Wachstumsphasen Krisen folgen. Um dabei den Schwung zu erhalten, muss sich die Organisation verändern.
Die Wachstumsphasen
Greiner identifizierte zuerst fünf Wachstumsphasen, später fügte er noch eine sechste hinzu. Die erste heißt »Wachstum durch Kreativität«: Die Firma ist noch klein und das Wachstum wird durch die Begeisterung der Gründer vorangetrieben. Managementabläufe, Kommunikation und sogar Interaktionen mit Kunden laufen relativ informell ab. Wächst die Zahl der Mitarbeiter und Produkte, ist auch mehr Kapital erforderlich (zum Beispiel von Banken oder Wagniskapitalgebern). Zudem werden formalisierte Systeme und Abläufe benötigt. Die Gründer, die sich meist auf technischem oder unternehmerischem Gebiet auskennen, stehen vor der ersten Krise, weil sie der Managementverantwortung nicht gewachsen sind. Es handelt sich also um eine Führungskrise: Wer soll die Firma ordnen und die anstehenden neuen Aufgaben übernehmen?
Manchmal wird der Wechsel beim Führungsstil intern durch Reorganisation gelöst. Mehr Formalität sowie geregelte Systeme und Prozesse ersetzen den lockeren Umgang. In vielen Fällen haben die Gründer allerdings weder die Fähigkeiten noch den Wunsch, eine formelle Führungsrolle zu übernehmen. Jamie Oliver zum Beispiel gründete eine Restaurantkette mit dem Namen »Fifteen«, in der auch benachteiligte Jugendliche ausgebildet werden. Als die Kette ausgeweitet wurde, übergab er die Leitung einem CEO, damit er selbst sich auf das konzentrieren konnte, was er am besten kann: seine Arbeit als kommerziell erfolgreicher Fernsehkoch.
Unter professioneller Leitung setzt sich das Wachstum in einer Umgebung mit formelleren Strukturen und festen Budgets fort, oft werden separate Abteilungen geschaffen, zum Beispiel Produktion und Marketing. Dies ist die zweite Phase: »Wachstum durch Anleitung«. Wenn der neue Leiter die Führungsverantwortung übernimmt, fungieren die mittleren Manager eher als Spezialisten in ihren Funktionsbereichen. Nach einer gewissen Zeit fordern sie meist mehr Entscheidungsfreiheit, was zur einer weiteren Krise führt: Nun geht es um »Autonomie«. In der folgenden dritten Phase werden die mittleren Manager von der Bürokratie befreit, von da an kann die Firma durch »Delegation« wachsen. Dies ermöglicht es der Unternehmensleitung, sich unbelastet vom Alltagsgeschäft auf die Strategie und das langfristige Wachstum konzentrieren.
Das Greiner-Modell stellt die sechs Wachstumsphasen dar, die Firmen in ihrer Entwicklung durchlaufen können. Jede Phase bringt eine Krise mit sich, deren Lösung zur nächsten Wachstumsphase überleitet.
Klein bleiben oder nicht?
Im Anschluss daran folgt die dritte und vielleicht schwerste Krise: die »Krise der Kontrolle«. Den Gründern oder leitenden Managern fällt es möglicherweise nicht so leicht, die Entscheidungsverantwortung abzugeben, nicht einmal an eine vertrauenswürdige Vorstandsriege. In diesem Fall entscheidet sich der Gründer oft gegen das Wachstum oder grenzt es ein, sodass er die Kontrolle behält.
Eine solche Entscheidung hat durchaus ihre Berechtiugung. Es können nicht alle Firmen globale Ausmaße annehmen und den großen Markt erobern. Sonst wäre die Unternehmenslandschaft nicht von kleinen und mittelgroßen Unternehmen geprägt. Manche Unternehmer gründen eine kleine Firma, um dem Stress, der Politik und dem Büroalltag in großen Organisationen zu entfliehen. Für sie ist es sinnvoll, das Wachstum in dieser Phase einzudämmen.
»Die Entscheidung lautet: entweder zurück zur alten Sicherheit oder vorwärts in Richtung Wachstum. «
Abraham Maslow Psychologe (1908–1970)
Andere Unternehmer – zum Beispiel der Virgin-Leiter Richard Branson – begeistern sich vor allem für die Frühphasen von Unternehmen, während die zunehmende Bürokratie in wachsenden Firmen sie langweilt. Branson führt Firmen gern durch die Start-up-Phase und übergibt sie dann an professionelle Manager. Er selbst widmet sich lieber neuen, aufregenden Projekten.
Unternehmen in allen Größen und unabhängig von ihrem Ehrgeiz müssen Unsicherheiten und Probleme bewältigen. Auch kleine Firmen sind nicht vor Krisen gefeit, sie müssen sich jedoch nicht mit den Anforderungen der nächsten Phase im Greiner-Modell herumschlagen: »Wachstum durch Koordination«. Diese Phase bedeutet in der Regel, dass eine stärkere Zentralisierung stattfindet. Die Firma ist oft schon recht groß und wird zentral geleitet. Sie arbeitet mit Führungskräften, die Erfahrung mit diversifizierten Unternehmen haben und standardisierte Betriebsabläufe einführen. Dies führt jedoch häufig zu einer »Krise der Bürokratie«, weil der Betrieb durch zu viele Regeln eingeschränkt wird und daher das Wachstum ausbleibt.
Erneute Lockerung
Es erscheint paradox, aber in der fünften Phase, »Wachstum durch Zusammenarbeit«, muss die Firma ihre anfängliche Flexibilität wiederfinden. Die Systeme erlauben nun wieder mehr Spontaneität. Teamarbeit sowie Netzwerke werden eingerichtet, um die Kooperation stärker zu fördern. Die Organisation versucht erneut, wie eine schlanke, kreative Firma zu arbeiten.
Die nächste Krise entsteht, weil die Firma nicht mehr allein wachsen kann. Die Aktionäre fordern immer höhere Renditen, doch eine Ausweitung lässt sich nur noch durch Partnerschaften mit ergänzenden Firmen erreichen. In dieser sechsten Phase ist die Firma schon sehr groß. »Wachstum durch Allianzen« bedeutet, dass sie sich nun mithilfe von Fusionen, Outsourcing oder Joint-Venture-Unternehmen erweitert. Sie muss über ihre internen Kompetenzen und ihre Kernmärkte hinausblicken und ganz nach außen gehen.
Der CEO von Spotify, Daniel Ek, baute mit Martin Lorentzon eine große, aber flexible Firma auf. Sie umgeht die von Greiner erkannten Probleme, indem in kleinen »Squads« gearbeitet wird, die sich zu größeren »Tribes« organisieren.
Die in den Phasen des Greiner-Modells zu erreichenden Wachstumsraten – ob bei den Kundenzahlen, den Einnahmen oder den Gewinnen – variieren abhängig vom Unternehmen. Organisationen wie Facebook waren bereits groß, als die Krisen bezüglich Delegation und Kontrolle eintraten. Andere wiederum bleiben jahrelang klein und erreichen nicht einmal das Stadium der Führungskrise.
Was nützt das Modell?
Anhand des Greiner-Modells können Unternehmensgründer die unvermeidlichen Wachstumskrisen vorhersehen und bewältigen. Am besten ist es, wenn sie schon in der Anfangsphase an die Schritte denken, die beim Ausbau der Firma notwendig werden. Es ist sinnvoll, möglichst früh die notwendigen Strukturen zu schaffen. Je eher formelle Systeme und professionelles Management eingerichtet werden, desto reibungloser funktioniert das Unternehmen und desto fester ist die Basis für weiteres Wachstum.
Die Krisen im Greiner-Modell können auch als natürliche Übergangsstufen betrachtet werden. Organisationen müssen diese Herausforderungen meistern und ihre Geschäftsfelder, ihre Werte und ihren Daseinszweck laufend neu definieren. Schon Benjamin Franklin bemerkte: »Ohne kontinuierliches Wachstum und Fortschritt sind Verbesserung, Leistung und Erfolg nur hohle Begriffe.«
Groß, aber flink und flexibel
Eine Firma, die anscheinend mit dem Greiner-Modell arbeitet, ist der digitale Musikdienst Spotify. Die schwedischen Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon setzten sich bereits 2008, als der Dienst entstand, das Ziel zu wachsen. Gleichzeitig wollten sie die Vorteile der spannenden Atmosphäre in einer jungen Firma nicht aufgeben.
Deshalb hat sich Spotify in Form von Projektteams organisiert, »Squads« genannt. Die Organisation ist in kleine Gruppen von Squads unterteilt und jede Squad wird als Start-up-Unternehmen geführt. Sie alle sind, ganz im Sinne der ersten Phase des Greiner-Modells, jeweils autonom und möglichst unabhängig von anderen Squads und halten direkten Kontakt zu ihren Interessengruppen.
Um die Wachstumskrisen zu bewältigen (wie Autonomie und Bürokratie), werden verwandte Squads zu »Tribes« gruppiert. Ein Tribe soll die Aktivitäten seiner Squads fördern und unterstützen. Dabei übernimmt er eine ähnliche Rolle wie Wagniskapitalgeber für Start-up-Unternehmen. Die Operation bleibt klein und flexibel, da ein Tribe maximal 100 Mitarbeiter hat.
Spotify scheint einen Weg gefunden zu haben, um Wachstum und die Wohlfühlelemente eines Startups zu verbinden. Wie die Gründer zugeben, ist das System aber nicht fehlerlos. Sobald eine Strategie für die gesamte Organisation erforderlich wird, entgeht womöglich selbst Spotify nicht den Krisen, die das Greiner-Modell vorhersagt.
»Wachstum erfolgt nur durch Aktivität. Es gibt weder physische noch geistige Entwicklung ohne Anstrengung und Anstrengung heißt Arbeit.«
Calvin Coolidge ehemaliger US-Präsident (1872–1933)
Larry Greiner
Larry Greiner ist Professor für Management und Organisation an der Universität von Southern California (USA). Er hat einen BA-Abschluss von der Universität von Kansas und einen MBA sowie einen Doktortitel von der Harvard Business School.
Greiner ist Verfasser zahlreicher Publikationen über Wachstum und Entwicklung von Organisationen, Managementberatung und strategische Veränderungen. Sein Artikel Evolution and Revolution as Organizations Grow von 1972 gilt als Klassiker. Greiner hat außerdem viele Firmen und Behörden in den USA und international beraten, darunter Coca-Cola, Merck, Andersen Consulting, Times Mirror Company und KinderCare.
Hauptwerke
1972 Evolution and Revolution as Organizations Grow
1998 Power and Organization Development
1999 New CEOs and Strategic Change. Across Industries