Читать книгу Wirkerei und Strickerei - Prof. Dr.-Ing Marcus O. Weber - Страница 22
Оглавление3 Maschen bildende Maschinen
3.1 Geschichtliche Entwicklung
Obgleich Funde von Handgestricken bezeugen, dass das Stricken mit zwei Nadeln Jahrtausende alt ist, begann die Mechanisierung der Maschenbildung erst im Jahr 1589 mit der Erfindung des Kulierwirkprozesses und der Spitzennadel.
Diese genialen Erfindungen, die einem Magister der Theologie, dem Reverend William Lee in Calverton bei Nottingham, gelangen, schufen die ersten technischen Grundlagen für die heutige Maschenindustrie (vgl. Bild 3.1). Lees große Erfindung hat sich bis heute im Prinzip erhalten, und fast zwei Jahrhunderte vergingen, bevor der Strumpfwirker Josiah Crane aus Nottingham zusammen mit den Brüdern John und Sinckler Porter eine erste Veränderung brachte und eine Fadenlegeeinrichtung zum Brokatieren entwickelte, die 1769 als Zusatzapparat zum Handkulierstuhl angemeldet werden konnte.
Bild 3.1: Lees Handkulierstuhl (Rösschenstuhl) mit horizontal angeordneten Spitzennadeln und vertikal arbeitenden kombinierten Kulier-Einschließ-Abschlag-Platinen (Aufnahme aus dem Museum of Technology, Leicester)
Nach weiteren Entwicklungen dieser Kettfaden-Legetechnik konnte schließlich Crane 1775 den Handkettenstuhl zum Patent anmelden. Der Handkulierstuhl von Lee wurde 1769 von Samuel Wise weiter mechanisiert (Triebwelle mit Hubscheiben u. dgl.) und schließlich durch den französischen Wirker Decroix zum Rundwirkstuhl so umkonstruiert, dass ihm 1798 in Frankreich ein Patent dafür gewährt wurde.
Damit waren die Prinzipien aller modernen Wirkprozesse der Einfaden-(Kulier-) und Kettfadentechnik entwickelt, während die Mechanisierung des von Alters her bekannten Handstrickens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts unbekannt war.
Die Mechanisierung des Strickens begann erst nach der Erfindung der Zungennadel, die die Arbeitsgeschwindigkeit der Prozesse erhöhte und die Technik des Handkulierstuhls vereinfachte (Press- und Kuliereinrichtungen entfielen). Diese Erfindung der Zungennadel wurde 1847 dem Wirker Matthew Townsend in Leicester durch ein Patent zuerkannt. 1856 begannen Jeacock und Barber mit ersten Entwicklungen einer Schiebernadel, die jedoch erst 1924 durch ein Patent von J. F. Wilcomb einsatzfähig wurde.
Wieder war es dann ein Theologe, der Baptisten-Geistliche Isaac Wixom Lamb, der das Prinzip des Strickens fand und in Form einer Flachstrickmaschine weiterentwickelte, wofür er 1863 ein Patent erhielt. 1866 wurde in den USA ein Patent für eine Rundstrickmaschine erteilt. Weitere Erfindungen bzw. deren Einsatz, z. B. 1859 Konstruktion der Raschelmaschine durch Einsatz der Zungennadel im Kettenstuhl, 1865 Erfindung der Doppelzungennadel durch Clay in England und 1881 Erfindung der Röhrchennadel durch Durand, folgten und führten unter Anwendung der Naturwissenschaften zu Verbesserungen an den Maschinen. Aber auch große Rückschläge (Gewalttaten, Streiks und dergleichen) waren zu verzeichnen.
Erst im 20. Jahrhundert wurden die Wirk- und Stricktechniken und die zu verarbeitenden Rohstoffe (insbesondere Chemiefasern) so vervollkommnet und die Entwicklungen (bis hin zur elektronischen Musterverarbeitung) so stürmisch fortgesetzt, dass heutige Massenproduktionen mit einer unvorstellbaren Mustervielfalt ermöglicht wurden.
So konnten von der Maschenindustrie in den letzten Jahren viele neue Märkte auf den Gebieten Bekleidung, Heimtextilien, Technische Textilien gewonnen und gesichert werden.
3.2 Einteilung Maschen bildender Maschinen
Die Maschen bildenden Maschinen können zunächst eingeteilt werden in die Maschinen, die allein durch Maschenbildung eine Fläche erzeugen, und die Verbundtechniken, zu denen die Näh- und Nähwirktechniken zählen. Die allein durch Maschenbildung eine textile Fläche bildenden Maschinen werden Wirk- oder Strickmaschinen genannt.
Nach der Nadelbeweglichkeit können die Maschinen weiter unterteilt werden (s. Tabelle 3.1). Alle Maschinen mit einzeln bewegten Nadeln werden Strickmaschinen, die mit gemeinsam bewegten Nadeln Wirkmaschinen genannt. Nicht die Nadelart – Zungennadel/ Strickmaschine, Schiebernadel/Wirkmaschine –, sondern nur die Nadelbeweglichkeit gestattet eine einwandfreie Unterscheidung der Strickmaschinen von den Wirkmaschinen ohne Ausnahme. Sowohl die Strickmaschinen als auch die Wirkmaschinen können nach der Fadenvorlage und Fadenverarbeitung – ein Faden oder eine Fadenkette – in Einfaden-Strick/ Wirkmaschinen bzw. Kettfaden-Strick/Wirkmaschinen eingeteilt werden.
Tabelle 3.1: Einteilung Maschen bildender Maschinen
Die Einfaden-Wirkmaschinen werden auch Kulierwirkmaschinen genannt, weil der vorgelegte Faden vor der Maschenbildung kuliert (zu Fadenschleifen ausgebildet) werden muss (vgl. Kap. 3.3).
Durch die Maschenbildung in der Einfadentechnik entsteht eine Einfaden-Maschenware, deren Maschen in Richtung einer Maschenreihe aufgebaut sind und die sowohl auf Strickmaschinen als auch auf Wirkmaschinen hergestellt werden kann (Unterscheidung in einigen Maschenwaren nicht möglich).
Durch die Verarbeitung einer Fadenkette, die zurzeit nur in der Wirkerei Bedeutung hat, entsteht eine Kettfaden-Maschenware, deren Maschen vorwiegend in Richtung der Maschenstäbchen aufgebaut sind.
Die Kettenstrickmaschinen haben derzeit keine Bedeutung, sodass auch keine Kettfadengestricke hergestellt und deshalb sämtliche Kettfaden-Maschenwaren als Kettengewirke bezeichnet werden können. Aus dem gleichen Grund kann die Bezeichnung „Einfaden-Strickmaschine“ durch die Bezeichnung „Strickmaschine“ ersetzt werden.
Nach der Nadelanordnung können alle Maschinen weiter unterteilt werden. Bei geradliniger Nadelanordnung lautet die Bezeichnung Flachstrick- bzw. Flachwirkmaschine, bei kreisförmiger Nadelanordnung Rundstrick- bzw. Rundwirkmaschine. Nach der üblichen und von der Konstruktion der Maschine abhängigen Arbeitsweise in einer Bindungsgruppe unterscheidet man RL-, RR- und LL- Strick/ Wirkmaschinen. Alle Maschinen mit einer Nadelgruppe und einer Durchzugsrichtung können nur RL-Maschenwaren herstellen, die Maschinen mit zwei Nadelgruppen und zwei Nadeldurchzugsrichtungen RR-Maschenwaren bzw. bei Ausschaltung einer Nadelgruppe ebenso RL-Maschenwaren und mit Spezialnadeln durch Maschenübergabe auch LL-Maschenwaren. Die Maschinen mit LL-Nadeln (Übergabe von Doppelzungennadeln) können LL-Maschenwaren, RR-Maschenwaren und RL-Maschenwaren herstellen.
In der Ausführungsform haben zurzeit die Flachstrickmaschinen der RR-Bindungsgruppe, die Rundstrickmaschinen der RL-, RR- und LL-Bindungsgruppe, die RL-Flachkulierwirkmaschinen (System Cotton) und die Flachkettenwirkmaschinen der RL- und RR-Bindungsgruppe eine Bedeutung.
Bevor diese Maschinen sowie deren Mustereinrichtungen beschrieben werden, soll als Ergänzung, zum besseren Verständnis der Maschineneinteilung und für einen besseren Überblick zunächst das Prinzip ihrer Arbeitsweise kurz erläutert werden.
3.3 Arbeitsprinzipien der Strick- und Wirkmaschinen
3.3.1 Strickprinzip der Einfaden- und Kettfaden-Strickmaschinen
Die Strickmaschinen sind vorwiegend mit Zungennadeln ausgestattet, die einzeln bewegt werden und somit die Maschen nacheinander einzeln ausbilden.
In Bild 3.2 ist die Maschenbildung nach dem Strickprinzip dargestellt. Der gestreckt vorgelegte Faden wird von den Haken der ausgetriebenen Nadeln nacheinander erfasst und durch die zuvor gebildeten Maschenschleifen gezogen. Auf diese Art werden alle Phasen der Maschenbildung von den Nadeln nacheinander ausgeführt und die für die Maschenbildung notwendige Fadenmenge von jeder einzelnen Nadel abgezogen.
Bild 3.2: Strickprinzip
3.3.2 Wirkprinzip der Einfaden-Wirkmaschinen (Kulierwirkmaschinen)
Die Einfaden-(Kulier-)Wirkmaschinen sind mit gemeinsam bewegten und geradlinig angeordneten Spitzennadeln ausgestattet. Ein gestreckt vorgelegter Faden kann von gemeinsam bewegten Nadeln nicht gleichzeitig zu Maschen ausgebildet werden, da ein Faden ohne extreme Dehnbarkeit zerreißen würde (Bild 3.3).
Bild 3.3: Gemeinsame Maschenbildung aus einem gestreckten Faden ist nicht möglich
Bild 3.4: Wirkprinzip (Einfadentechnik) „Fadenlegen“
Bild 3.5: Wirkprinzip (Einfadentechnik) „Kulieren“ – Ausformen des Fadens zu Schleifen nacheinander
Bild 3.6: Wirkprinzip (Einfadentechnik) „Ausbildung der Maschenschleifen“
Aus diesem Grund wird der vorgelegte Faden (Bild 3.4) zunächst von dünnen Stahlprofilen (Kulierplatinen) nacheinander zu Schleifen vorgeformt (Bild 3.5, Kulieren), die dann gemeinsam (Cottonmaschine, Bild 3.6) von den Nadeln zu Maschenschleifen ausgebildet werden. Die für die jeweilige Maschengröße erforderliche Fadenmenge muss stets während des Kuliervorganges bereitgestellt werden.
3.3.3 Wirkprinzip der Kettfaden-Wirkmaschinen (Kettenwirkmaschinen)
Die Kettenwirkmaschinen sind ebenfalls mit gemeinsam bewegten und geradlinig angeordneten Spitzen-, Zungen-, Schieber- oder Karabinernadeln ausgestattet. Um eine Fadenkette von den Nadeln gleichzeitig zu Maschenschleifen ausbilden zu können, ordnet man jeder Nadel mindestens einen Fadenleger zu (Bild 3.7). Die in einer Barre angeordneten Fadenleger schwingen in die Nadelgassen, versetzen und schwingen wieder aus, wodurch sie die Fäden um die Nadeln legen (Bild 3.8). Durch die gemeinsame Nadelbewegung werden die in den Nadelkopf gelegten Fäden anschließend gleichzeitig zu Maschenschleifen ausgebildet. Die für die entsprechende Maschengröße notwendige Fadenmenge kann von den Nadeln ohne Kuliervorgang aus dem jeweiligen Fadenleger gezogen werden. Infolge der Einsparung des zeitraubenden Kuliervorganges ergibt sich eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit während der Maschenbildung.
Bild 3.7: Wirkprinzip (Kettfadentechnik) „Einschwingen der Fadenleger“
Durch den Einsatz mehrerer Legebarren (Fadenleger) und durch entsprechenden seitlichen Versatz der Fadenleger vor und nach dem Einschwingen entstehen zahlreiche Musterungen.
Bild 3.8: Wirkprinzip (Kettfadentechnik) „Legen der Fäden“