Читать книгу Die Gesundheitsformel der 100-Jährigen - Prof. Dr. Ingo Froböse - Страница 17
ОглавлениеLohnt es sich überhaupt, die kostbare Lebenszeit in einen anderen Lebensstil zu investieren? Wirkt Vorbeugung tatsächlich gegen die Gebrechen des Alters und unsere Zivilisationskrankheiten? Seit 2017 gibt es darauf endlich eine eindeutige Antwort der Wissenschaft: Menschen, die sich an zumindest drei grundlegende Lebensstilmerkmale halten, profitieren von einer höheren Lebenserwartung von mindestens sieben Jahren verglichen mit dem Durchschnitt der Bevölkerung.
Zu diesem Ergebnis kamen Prof. Mikko Myrskylä vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung und sein Kollege Prof. Neil Mehta von der Universität Michigan. Im Rahmen der „Health and Retirement Study“ werteten sie über einen Zeitraum von 1998 bis 2012 die Daten von 14 000 Menschen im Alter von 50 bis 80 Jahren aus. Die Testpersonen wurden alle zwei Jahre zu ihrer aktuellen Gesundheit, zu ihrem Lebensstil – Alkohol- und Nikotingebrauch, Bewegung, Ernährung, Stress – und zu ihren körperlichen Daten gefragt. Außerdem erfassten die Forscher, in welchem Alter die einzelnen Probanden körperlich gebrechlicher wurden, wie lange sie mit dieser Beeinträchtigung lebten und wie hoch ihre Lebenserwartung war. Besonders deutlich war der präventive Effekt bei jenen Frauen, die nie übergewichtig waren, nie geraucht haben und nur mäßig Alkohol konsumierten. Sie lebten im Durchschnitt zwölf Jahre länger als Frauen mit einem hohen BMI und einem regelmäßigen Alkohol- und Nikotinkonsum. Männer gewannen durchschnittlich elf Jahre an Lebenserwartung hinzu.
Die Vielzahl der Daten zeigte umgekehrt aber auch: Ungesunde Verhaltensweisen schränken nicht nur die Lebenserwartung ein, sondern gehen auch einher mit einem deutlich früheren Auftreten von körperlichen Beeinträchtigungen. Besonders gravierend ist es bei frühem Übergewicht: Dann müssen die Betroffenen davon ausgehen, dass sie eine deutlich längere Zeit ihres Lebens körperlich stark eingeschränkt sind und dadurch viel Lebensqualität verlieren. Ein gesundes Leben führt also nicht nur dazu, dass man länger lebt, sondern vor allem dazu, dass man seine Lebenszeit insgesamt auch gesund und vital verbringen kann.
BMI ALS MASSSTAB
Die Weltgesundheitsorganisation WHO nutzt den Body-Mass-Index (BMI) als Messgröße für ein gesundes Gewicht:
Übergewicht: ab BMI 25
Adipositas: ab BMI 30
Der BMI errechnet sich so:
Das Gewicht in Kilogramm wird geteilt durch die Körpergröße im Quadrat.
Für eine Frau mit einer Größe von 1,68 m und einem Gewicht von 66 kg bedeutet das einen BMI von 66 kg/1,68 m x 1,68 m = 23,4 (= Normalgewicht).
Tod durch Lebensstil auf dem Vormarsch
56,9 Millionen Menschen starben 2016 weltweit. Davon starben 54 Prozent, also mehr als jeder Zweite, an nur zehn Haupttodesursachen, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO ermittelt hat. Sogenannte ischämische Herzerkrankungen, verursacht von Durchblutungsstörungen am Herzen, sowie Schlaganfälle sind allein für rund 15,15 Millionen Todesfälle verantwortlich und damit weltweit die häufigste Todesursache. Die WHO schätzt aber auch, dass etwa 80 Prozent – also vier Fünftel! – der vorzeitigen Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch eine gesündere Ernährung, regelmäßigen Sport sowie durch Verzicht auf Tabak hätten vermieden werden können. Die sich wohl am schnellsten verbreitende nicht übertragbare Krankheit ist aktuell weltweit Diabetes mellitus vom Typ 2. Verursacht durch Fehlernährung und Bewegungsmangel, ist international bereits jeder zehnte Mensch davon betroffen. Es gibt sogar Nationen im arabischen Raum oder kleine Staaten in der Südsee, wo bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung an Diabetes erkrankt ist. Menschen mit Diabetes haben außerdem ein deutlich erhöhtes Risiko für Herz- und Kreislauf-Erkrankungen sowie für Schlaganfälle.
Die Zahlen der WHO zeigen, dass allein die Zahl der Diabetestoten seit dem Jahr 2000 rasant angestiegen ist. Dieser negative Trend nimmt leider immer weiter zu – mit dem zunehmenden Wohlstand in der Welt. Bei den traditionellen Lebensformen spielte Diabetes Typ 2 bisher keine oder nur eine winzige Rolle. Der veränderte Lebensstil ist ganz eindeutig der Hauptverursacher von Diabetes. Besonders prägnant zeigt sich das an der chinesischen Bevölkerung.
Bis in die 1980er-Jahre war China relativ abgeschottet und eher verschlossen für alles West-liche. Diabetes Typ 2 war dort damals angesichts der vorherrschenden traditionellen Lebensweise und der Dominanz der traditionellen chinesischen Medizin überhaupt kein Thema. Doch nach der Öffnung veränderte sich das rasend schnell: 1980 litt etwa 1 Prozent der Bevölkerung an Diabetes Typ 2, im Jahr 2000 waren es bereits 5,5 Prozent, 9,7 Prozent im Jahr 2008 und 2013 schon 11 Prozent erkrankte Menschen. Heute führt China die weltweite Rangliste mit absolut mehr als 110 Millionen erkrankten Menschen an, das entspricht etwa 13 bis 15 Prozent aller Chinesen. Eindrucksvoller kann man wohl nicht belegen, wie ein veränderter Lebensstil eine komplette Nation krank werden lässt, nur weil anders gegessen und anders gelebt wird.
Auch Krebserkrankungen nehmen ständig zu. Das mag zum einen auch an den verbesserten Screenings liegen, das heißt, dass mehr Krebserkrankungen erkannt werden. Aber zum anderen ist den wenigsten Menschen bewusst, dass der Lebensstil gerade bei Krebs eine wichtige Rolle spielt. Das gilt nicht nur für den sofort einleuchtenden Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs. Nikotin fördert auch andere Krebsarten ebenso wie das hormonell aktive Bauchfett bei Menschen mit Übergewicht.
Prof. Rudolf Kaaks, Epidemiologe vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, analysierte 2017 mit seinem Team die Gesundheitsdaten von mehr als 25 000 Deutschen im Alter von 35 bis 65 Jahren, um zu ermitteln, was den Menschen die Lebensjahre stiehlt. Das Resultat ist eindeutig: Rauchen raubt die meiste Lebenszeit. So verliert eine Frau, die jeden Tag mehr als zehn Zigaretten raucht, 7,3 Lebensjahre und ein Mann sogar 9,4 Jahre. Wer „nur“ bis zu zehn Zigaretten am Tag qualmt, muss etwa fünf Jahre früher sterben. (Falls Sie sich jetzt die Hände reiben, weil Sie auf E-Zigaretten umgestiegen sind: Auch dazu gibt es inzwischen einige Studien, die deren Schädlichkeit nachweisen.)
Aber auch Bewegungsmangel, der zu Übergewicht führt und zu massiven Stoffwechselveränderungen, verkürzt das Leben genauso wie jede unausgewogene Ernährung. Die Heidelberger Forscher errechneten sogar, dass sich das Leben um bis zu 17 Jahre verlängern lässt, wenn man Alkohol und Zigaretten meidet und den richtigen Mix aus Ernährung und täglicher Bewegung praktiziert.
VERLORENE LEBENSJAHRE aufgrund eines schädlichen Lebensstils*
* Bei über 40-Jährigen, Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum