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In die Zukunft überbrücken

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Die Werbung macht es uns vor: Sobald im Fernsehen ein bestimmtes Produkt in leuchtenden Farben gezeigt und außerdem der Name, verbunden mit den Vorzügen gerade dieses Erzeugnisses, immer wieder genannt wird, ist bei vielen Kunden eine Art Anker gesetzt worden.

Wenn ein Boot verankert wird, dann wird es mit dem Anker an einer bestimmten Stelle im Wasser festgemacht, So ähnlich sorgt die Werbung dafür, daß eine Suggestion im Unbewußten der potentiellen Käufer verankert wird. Dahinter steht die Erwartung, daß der Kunde das Erzeugnis kaufen wird, wann immer er es im Geschäft sieht.

Die geankerte Erinnerung und die damit verknüpften Suggestionen sollen als starke Antriebskraft für den Kauf wirken. Ist die Werbung sehr erfolgreich, so wirkt der Anker manchmal tatsächlich so stark, daß Kunden am nächsten Tag ins Geschäft laufen, um ein bestimmtes, neu auf den Markt gekommenes Erzeugnis zu kaufen. Dies ist zum Beispiel bei frei verkäuflichen Medikamenten der Fall.

Das gleiche trifft zu, wenn in einer Talkshow bestimmte Bücher erwähnt werden. Als der Fernsehproduzent Udo Stöcker mein Buch Entschuldigen Sie die Unordnung gelesen hatte und das Problem Ordnung für so interessant hielt, daß er daraus eine Fernsehsendung machen wollte, entstand daraus die Gesprächsrunde im ZDF zum Thema »Ordnung ist das halbe Leben«.

In dieser Gesprächsrunde wurde natürlich auch mein Buch gezeigt. Dies war ein Anker für viele Zuschauer, denn in den nächsten Tagen wurde in vielen Buchhandlungen verstärkt nach meinem Buch gefragt. Und wenn Sie diese Zeilen gelesen haben, sind auch bei Ihnen Anker entstanden. Wenn Sie demnächst in einer Buchhandlung sind oder das Buch in einer Buchhandlung sehen, werden Sie sich wahrscheinlich daran erinnern, daß ich Ihnen dieses Buch vorgestellt habe.

Nur wenn es gelingt, eine Brücke in die Zukunft zu schlagen, wird sichergestellt, daß ein bestimmtes zukünftiges Verhalten verfügbar sein wird. Was nützt es denn, wenn zum Beispiel ein Therapeut seinem Klienten zu der gewünschten Verhaltensänderung verhilft, diese aber nur so lange anhält, wie der Klient sich auf der Couch des Therapeuten befindet? Der Therapieraum ist doch mehr oder weniger die heile Welt. Dort kann viel geschehen, aber genauso schnell wie eine Seifenblase wieder zerplatzen, wenn es nicht in der rauhen Wirklichkeit, unter realistischen Bedingungen, bestehen bleibt.

Leidet jemand darunter, daß er nicht über Brücken fahren kann, dann ist die Angst erst wirklich weg, wenn er zum ersten Mal ohne zu zittern über eine Brücke gefahren ist. »The proof of the pudding is in the eating«, sagen die Engländer. Erst beim Essen wird der Pudding geprüft. Man könnte auch sagen: Probieren geht über Studieren.

Wieviel wertvolle Arbeit ging schon verloren, weil jemand darauf vertraute, daß sie von selbst in die Zukunft wirken würde. Da hält der Lehrer dem Schüler eine Standpauke und hofft, daß dieser sich die Ermahnungen zu Herzen nehmen wird. »Aus dem Auge, aus dem Sinn«, sagt das Sprichwort. Kaum ist der Schüler weg, hat er alles vergessen. Hier wurde keine Brücke in die Zukunft geschlagen.

»Dreifach ist der Schritt der Zeit: Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, ewig still steht die Vergangenheit«, schrieb Friedrich Schiller. Wer ein angestrebtes Ziel erreichen will, muß die Gegenwart mit der Zukunft so fest verbinden, daß das, was er jetzt gelernt hat, auch morgen zur Wirkung kommt, ohne pfeilschnell zu entfliegen! Damit eine Verhaltensänderung dauerhaft bleibt, ist es also absolut notwendig, sie in irgendeiner Form in die Zukunft zu übertragen. Sonst geht es Ihnen wie mit den guten Vorsätzen am Ende eines Jahres: Kaum beginnt das neue Jahr, sind alle Vorsätze schnell vergessen.

Wie schlägt man eine Brücke in die Zukunft? Eine besonders gut dafür geeignete Möglichkeit habe ich schon erwähnt. Sie besteht darin, daß wir das neue Verhalten oder die neue Reaktion mit einem bestimmten sensorischen Reiz verknüpfen, also verankern. Nicht irgendein Reiz kommt allerdings in Frage, sondern es muß einer sein, der später genau dort vorkommt, wo das neue Verhalten zum Einsatz kommen wird oder wo die neue Reaktion zum Zuge kommt.

Sensorisch bedeutet, daß man etwas Bestimmtes sieht, hört, fühlt, riecht oder schmeckt, mit anderen Worten, mit irgendeinem unserer Sinne, mit mehreren oder allen gleichzeitig erfaßt.

Frank litt unter einem Minderwertigkeitskomplex. Dieses Gefühl, minderwertig zu sein, war durch reale Erfahrungen begründet. Nach seinem BWL-Studium hatte er in zwei Positionen versagt und war entlassen worden. Der Grund hatte darin gelegen, daß er seine eigenen Fähigkeiten falsch eingeschätzt und sich an Aufgaben gewagt hatte, die ihm nicht lagen und die einfach eine Nummer zu groß für ihn waren. Da die Konjunktur gut war, gelang es ihm auch nach der letzten Kündigung »im gegenseitigen Einvernehmen« relativ schnell, eine neue Stelle zu bekommen.

Diesmal wußte er, daß er bestimmt die richtige Arbeit gefunden hatte. Er nutzte die Chance, die Arbeit machte ihm Spaß, er hatte Erfolgserlebnisse – nur mit seinem Chef kam er nicht zurecht. Dieser brauchte nur ein Wort der Kritik zu sagen, und schon sank Frank in sich zusammen. Alle bitteren Erfahrungen der letzten Arbeitsstellen kamen dann in Sekundenschnelle zurück, sein Versagen, die Verzweiflung und Scham.

Ein bestimmter Ausdruck bei seinen früheren Vorgesetzten, wenn sie ihn auf seine Fehler aufmerksam gemacht hatten, der spezifische Tonfall, all das war zu einem sehr starken negativen Anker geworden, der in die Zukunft, also in die jetzige Stelle, hineinwirkte. Frank wußte, daß er diese Gefühle loswerden mußte, wenn er bestehen wollte.

Die negativen Gefühle in positive zu verwandeln, sein Selbstbewußtsein zu stärken, das war relativ einfach. Worauf es ankam, war, daß dieses Vertrauen in sich selbst in Zukunft auch beim Anblick seines neuen Chefs vorhanden sein würde. Der sensorische Reiz war in diesem Fall der Anblick des Chefs oder der Klang seiner Stimme.

Nachdem der Anker gesetzt war, geschah folgendes: Ganz automatisch richtete Frank sich auf, wenn er seinen Chef sah, spannte die Schultern etwas an, hielt den Kopf gerade, schaute den Vorgesetzten offen an, sprach mit fester Stimme, bewegte sich, wenn es sich so ergab, lebhaft und, vor allem, hatte in seinem Inneren ein sicheres Gefühl.

Dieses Brückenschlagen in die Zukunft ist übrigens eine bekannte Methode bei der Hypnose. Die sogenannte posthypnotische Suggestion ist im Grunde genommen nichts anderes. In der Trance wird dem Klienten eine bestimmte Suggestion gegeben, die später automatisch im Wachzustand wirksam wird, sobald ein Schlüsselreiz, an den sie gekoppelt ist, eintritt.

Ich könnte also zum Beispiel sagen: »Wenn ich Sie später wecken werde, werden Sie sich gut fühlen und alles vergessen haben, was ich Ihnen jetzt sage. Sobald Sie einen Blick auf das Fenster werfen, werden Sie zum Fenster gehen und dieses aufmachen.« Wenn ich dann den Klienten wecke, wird er genau das tun, was ich ihm aufgetragen habe, ohne zu wissen, warum er es tut. Frage ich ihn aber, warum er das Fenster aufgemacht hat, so wird er vermutlich eine rationale, logische Erklärung präsentieren, die in sein Weltbild paßt. Vielleicht wird er darauf hinweisen, daß es im Raum sehr heiß ist und er das Fenster unbedingt öffnen müßte. Man nennt das sekundäres Rationalisieren. Dieses sekundäre Rationalisieren benützen Menschen immer, wenn sie eine Entscheidung getroffen haben, die von ihrem Unbewußten gesteuert wird, also in der Regel geankert ist, die sie sich aber nicht eingestehen wollen. In unserer Gesellschaft ist es ja so wichtig, daß wir alle Entscheidungen mit dem Verstand treffen!

Das, was durch posthypnotische Befehle möglich ist, geschieht in ähnlicher Form Tag für Tag, indem wir unbewußt Suggestionen wie zum Beispiel in der Werbung aufnehmen, ankern und uns zu einem späteren Zeitpunkt entsprechend diesem Anker verhalten.

Verhindern können wir wohl nicht ganz, daß wir auf diese Weise durch Suggestionen manipuliert werden. Je besser wir aber Bescheid wissen, um so eher können wir einer Manipulation entgehen. Wie man bewußt ankert, wird in einem besonderen Teil genau beschrieben.

Der Frosch auf der Butter - NLP - Die Grundlagen des Neuro-Linguistischen Programmierens

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