Читать книгу Wenn etwas fehlt - Rachel Suhre - Страница 16

Kapitel 10

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Sie zog den Slip hoch, kletterte in ihre Jeans und nestelte am Hosenknopf. Darum bemüht, das kleine metallische Rund durch den Schlitz zu drücken. Noch immer standen ihr Tränen in den Augen.

Hannah war von der Behandlungsliege heruntergeglitten, nachdem sie sich von ihrem Weinen und Schluchzen beruhigt hatte.

Das gefällt mir nicht, hatte die Ärztin gesagt.

Sie versuchte das Gleichgewicht in der kleinen Kabine des Behandlungszimmer zu halten. Während sie in ihre dunklen Halbschuhe schlüpfte, stieß sie immer wieder gegen den gelborangefarbenen Vorhang, der die Ecke ein wenig vom Rest des Zimmers abtrennte. Es raschelte. Ein Schluchzen durchfuhr sie. Der Verdacht der Ärztin hatte sie unerwartet getroffen. Erschlagen. Zu Boden gerissen. Plötzlich dachte sie an Svenja. An ihr Gespräch mit den zwei Freundinnen auf Doros Babyshower. Jetzt sollte sie auch Teil einer Frauengruppe werden, die ihre Kinder verlor? Sie war beschämt. Doch sie wusste nicht wovon? War ihre Scham ausgelöst durch den Gedanken, wie sie über diese Frauen und ihre Fehlgeburten dachte? Schämte sie sich für den Gedanken, keine von ihnen sein zu wollen? Oder war es die Scham ein Kind nicht zur Welt bringen zu können? Sie wusste es nicht. Aber es war ihr auch egal. Sie wollte ihr Glück nicht gleich wieder verlieren. Sie hatte sich so auf dieses Kind gefreut. Was war bloß schief gelaufen? Woher konnte die Ärztin jetzt schon wissen, dass es nichts wird? Dass die Gefahr besteht, dass es nichts wird?

Die Ärztin führte sie zurück an ihren Schreibtisch im Sprechzimmer. Sie solle Hoffnung haben. Der HCG-Wert müsste mal überprüft werden. Heute und übermorgen. Der gäbe ganz eindeutige Hinweise darauf, wie es läuft.

Haben Sie noch ein bisschen Hoffnung, hatte die Medizinerin gemeint. Vielleicht kriegt es ja noch die Kurve. Es.

Sie nickte, wischte sich mit ihrem Handrücken Tränen und verlaufene Wimperntusche aus dem Gesicht und folgte der Ärztin ins Labor. In den Raum, in dem Blut abgenommen, die Herztöne kleiner Babys aufgezeichnet und Urinproben kontrolliert wurden. Sie sank auf dem mit schwarzen Kunstleder bezogenen Metallstuhl zusammen. Ihre Sporttasche zog sie fest an sich und starrte ins Leere. Sie wusste noch nicht, ob sie heute tatsächlich zum Tanzen bereit sein würde. Wie sollte das gehen? Sollte sie so tun, als wenn nichts geschehen wäre? Oder sollte sie sich ihre Gefühle von der Seele tanzen? Einen Streit mit Jan konnte man wegtanzen, um dann versöhnlich aufeinander zuzugehen. Aber den Tod eines Babys wegtanzen. Außerdem, vielleicht bestand ja noch Hoffnung, schoss es ihr durch den Kopf.

Die Arzthelferin erschien, um ihr Blut abzunehmen.

Da nehmen wir ... Sie hatte auf Autocomputer umgeschaltet. Lächelnd, nickend und den Pulliärmel hochschiebend, befolgte sie die Anweisung. ... geht das so für ...

Sie nickte.

Alles ging.

Klar.

Hatte sie eine andere Wahl?

Sie war bei ihrem Es. Dem kleinen Zellhaufen, der sich in ihrer Gebärmutter eingenistet hatte. Der Embryo, der eigentlich doch noch keiner wahr. Der viel zu langsam wuchs? Noch nichtmal Embryo war? Weit weg von dem, was um sie her geschah.

Die Welt war dumpf geworden. Mit einem Schlag. Die Farbe hatte sich verändert. Der Lärm hatte nachgelassen. Dumpfes Gepolter und Gebrabbel waren die einzigen Geräusche, die sie noch wahrnahm. Der kleine Junge, der sich von der Hand seiner Mutter losgerissen und ins Laborzimmer gestürmt war, sah sie aus großen leuchtenden Augen an. "Daahha!" Ein helles Quieken riss sie zurück in ihre Welt. In diese furchtbare, erschreckende Welt, die ihr nehmen wollte, was sie liebte. Die Arzthelferin war verschwunden, hatte was davon gesagt, sie solle zum Empfang kommen. Wenn sie soweit wäre. Ein heftiges Gefühlschaos überkam sie und wieder liefen ihr die Tränen übers Gesicht, ließen sie Schluchzer von tiefster Traurigkeit erbeben.

Die Mutter des Jungen kam herein, einen kleinen Babybauch vor sich hertragend und zog ihr Kind entschuldigend hinter sich her.

Wenn etwas fehlt

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