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5. Nationalsozialismus als „Politische Religion“

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Nun hatten bereits Zeitgenossen den Nationalsozialismus als Ganzes als „Politische Religion“37 begriffen und damit versucht, ihn primär von einer religionswissenschaftlichen Perspektive her zu verstehen. Der Erste, der diesen Analyseansatz für den Nationalsozialismus wählte, war der emigrierte österreichische Philosoph und Staatsrechtler Eric Voegelin. In seinem Werk „Die politischen Religionen“38 bestimmt er sie als politische Massenbewegungen, die Innerweltliches wie Staat, Rasse oder Klasse mit dem Ziel sakralisieren, einen innerweltlichen Idealzustand herbeizuführen.

Voegelin vertritt die These, dass moderne Totalitarismen säkularisierte Formen ehemals absoluter kirchlich-religiöser Gewissheiten darstellten. Der Zerfall klassisch-kirchlicher Autorität in der Moderne habe zum Entstehen innerweltlicher Religionen geführt, die an die Stelle eines transzendenten Gottes immanente Phänomene setzten, welche für die Anhänger dieser „Politischen Religionen“ nun aber eben jenen religiösen Stellenwert besitzen, wie er einstmals den kirchlichen Glaubensinhalten zukam.

Politische Religionen verkörpern für Voegelin also Heilslehren, die, wie die klassischen Religionen, das Ganze der Geschichte erklären, anders als sie aber ein in der Geschichte erreichbares Endziel der Geschichte vorstellen. Diese Erreichbarkeit rechtfertigt nun aber absolute Gewalt, nicht als Ausbruch roher Leidenschaften, sondern als kalte Exekution einer erkannten Logik, als „Säuberung“ und „Befreiung“. Politische Religionen seien also nicht einfach ein Rückfall in frühere Grausamkeiten, sondern Ausdruck eines neuen immanenten, aber absoluten Glaubens.

Voegelins Ansatz wurde von Anfang an kritisch diskutiert. Die Einwände gegen Voegelin laufen darauf hinaus, seinen weiten Religionsbegriff zu kritisieren, der letztlich nur rein Immanentes umfasse, zudem absolut Grausames, ja Grausamstes, und bei der Anwendung auf den Nationalsozialismus davon ausgehe, dass dieser ein halbwegs geschlossenes, in sich konsistentes System gewesen sei.

Genau diese drei Voraussetzungen Voegelins – dass es sinnvoll ist, auch von rein immanenten Religionen zu sprechen, dass Religionen nicht nur das Höchste, sondern auch das Grausamste umfassen und dass der Nationalsozialismus zwar ein primitives, aber zumindest bei Hitler ein in sich relativ kohärentes System darstellt – dürften heute wieder plausibler geworden sein. Die totalitären politischen Projekte des 20. Jahrhunderts können als Risikovarianten einer aufgeklärtmodernen Trennung von Religion und Politik verstanden werden, insofern sie diese Trennung wieder zurücknehmen, Politik also resakralisieren, diesmal aber von der unabhängig gewordenen Sphäre des Politischen aus. Darauf wird noch einzugehen sein.

Dennoch: Der Ansatz dieser Untersuchung ist im gewissen Sinne bescheidener. Es geht hier nicht darum, Voegelins universalhistorischen Ansatz fortzuschreiben, sondern Hitlers Texte auf ihre theologischen Kategorien hin zu analysieren.

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