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3. Ein Resümee

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Totaler Anspruch, Dogmatisierung und Normierung des Diffusen sowie 2000-jährige Organisationsklugheit: So lässt sich zusammenfassen, was Hitler an den christlichen Kirchen analysiert und durchaus bewundert. All dies ist formaler Natur. Hitlers inhaltliche Kritik gilt der materialen Verkündigung der Kirchen, deren Entplausibilisierung durch die modernen (Natur)Wissenschaften für ihn feststeht.

Doch Hitlers Kritik geht über diese szientistische Trivialargumentation hinaus. Denn die Unvereinbarkeit der christlichen Verkündigungsinhalte mit dem „modernen Bewußtsein“ schlägt für Hitler nicht nur auf deren Plausibilität im Bewusstsein der Einzelnen zurück, sondern auch auf die Möglichkeit der Konstitution von Kirche als handlungsfähigem sozialem Organismus. Nach wie vor sieht Hitler in der christlichen Verkündigung ein universalistisches Konzept am Werk. Dieses aber bleibt für Hitler handlungsunfähig. Es zielt für ihn „ins Nichts“, da es zu keiner Konkretion fähig sei, ohne darin den eigenen universalistischen Anspruch implizit zu verraten. Christliche Konzepte würden permanent zwischen dem eigenen Anspruch, dem ins Ganze zielenden „Wort“, und dem eigenen Handeln, der dann weit hinter dem eigenen Anspruch zurückbleibenden „Tat“, zerrieben.

Die Kirchen retteten sich dann notgedrungen einerseits in einen Intellektualismus des Wortes, andererseits in eine Form bloß partikulärer Konstitution, die ihre eigene konfessionelle und regionale Partikularität vor sich selbst verschleiern muss. Es fällt nicht schwer, diese beiden Varianten mit den Gefährdungen der beiden großen christlichen Konfessionen zu parallelisieren.

Auf dieser implizit selbstwidersprüchlichen Basis aber ist für Hitler die Schaffung einer handlungsfähigen sozialen Organisation unter den Bedingungen der Moderne nicht möglich. Hitlers Ausweg ist ebenso schlicht wie effektiv: Der grundsätzliche Abschied vom Universalismus beseitigt das typisch moderne Problem der Kluft von universalem Anspruch und bloß regionaler Plausibilität. „Wort“ und „Tat“, universeller Anspruch und historisch-kontingente Realität bleiben so vermittelbar.

Erst wenn man sich vom Universalismus befreit, wie es Hitler mit dem Ideologem der Volksgemeinschaft tut, dann, so Hitler, ist es möglich, eine handlungsmächtige Weltanschauungsinstitution unter den Bedingungen der Moderne zu schaffen. Denn dann erst ist es möglich, die plausibilitätszerstörende Kluft von Anspruch und Wirklichkeit im Bewusstsein der Einzelnen zu überwinden, insofern man dem „Wort“, also der „Verkündigung“ der Weltanschauung, auch eine identifizierbare und realistische soziale Basis verleiht. Wenn dies, wie bei Hitler, auch noch unter Rückgriff auf die sozialdarwinistische Interpretation biologischer Theorien geschieht und sich also mit „wissenschaftlicher“ Legitimation versehen kann45, dann ist die Anschlussfähigkeit an die Moderne sichergestellt.

Hitler sieht im Totalisierungs-, aber auch im Normierungs- und Konkretisierungspotential der kirchlichen Verkündigung deren herausragende Leistung, deren existenzgefährdende Schwäche aber erkennt er zum einen in der veralteten kirchlichen „Weltanschauung“, zum anderen aber in der notwendigen Kluft von „Wort“ und „Tat“.

Beide Schwächen zusammen aber zerstören, so Hitler, unaufhaltsam die Basis der eigentlich eindrucksvollen Herrschaftstechniken und Konkretisierungsleistungen der kirchlichen Institutionen. Hitler ist der festen Überzeugung, dass eine „Weltanschauungsinstitution“ in der Moderne nur plausibel und handlungsfähig wird, wenn sie anschlussfähig bleibt an das Wissen der Gegenwart und zudem nicht zwischen ihrem eigenen universalistischen Anspruch und der modern notwendig erkennbaren Regionalität zerrieben wird. Beides sieht er bei seinem Politikprojekt einer rassisch geeinten Volksgemeinschaft als gegeben.

Institutionell aber will Hitler keine andere Kirche, sondern Individuum, Öffentlichkeit und Religion sollen auf politischer Basis in eine neue Konstellation zueinander treten. „Die Zukunft denke ich mir deshalb so: Jeder hat zunächst seinen Privatglauben; Aberglaube wird auch immer eine Rolle spielen. Die Partei ist der Gefahr enthoben, ein Konkurrenz-Unternehmen für die Kirche zu werden. Es muß durchgesetzt werden, daß die Kirche im Staat nichts mehr dreinredet. Die Erziehung von Jugend auf sorgt dafür, daß jeder weiß, was richtig ist im Sinne der Staatserhaltung. (…) Wir werden dafür sorgen, daß die Kirchen keine Lehren mehr verkünden, die mit unseren Lehren in Widerspruch stehen. Wir werden weiter unsere nationalsozialistischen Lehren durchsetzen, und die Jugend wird nur mehr die Wahrheit hören.“46

Hitlers Theologie

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