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b) Die unüberwindbare Kluft zwischen Wort und Tat universalistischer Konzepte

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Hitler grenzt sich jedoch gegenüber den christlichen Kirchen nicht nur dadurch ab, dass er deren Glaubensaussagen als unvereinbar mit den modernen Wissenschaften denunziert und damit den baldigen Einflussverlust des Christentums bei weiten Teilen der Bevölkerung voraussagt. Er wirft den Kirchen bezeichnenderweise auch vor, sich selbst mehr über das Wort als über das Handeln zu definieren und gerade dadurch unglaubwürdig geworden zu sein. In Hitlers Sprache: Es sei ein „Christentum des Wortes“ geworden und keines mehr „der Tat“.

Eine Bewegung der Tat zu sein, gerade dies aber nimmt Hitler für den Nationalsozialismus in Anspruch. In seinen Anfängen reklamiert Hitler für den Nationalsozialismus gar, das eigentliche „Christentum der Tat“ zu sein. „Wer nicht will, daß unser Christentum, das heute leider Gottes nur noch ein Christentum des Scheins statt der Tat ist, verloren geht, der muß Front machen gegen den, der uns unser Christentum raubt. (…) Aus uns heraus muß die Gesundung wachsen. Wir sind zwar klein, aber einst stand auch ein Mann auf in Galiläa, und heute beherrscht seine Lehre die ganze Welt. Ich kann mir Christus nicht anders vorstellen als blond und mit blauen Augen, den Teufel aber nur in der jüdischen Fratze“34 – so Hitler auf einer NSDAP-Versammlung 1921 in Rosenheim.

Noch 1937 benutzt Hitler das Klischeebild eines für das „Winterhilfswerk“ sammelnden Kindes, um das wahre Christentum der (nationalsozialistischen) Tat gegen die unaufrichtigen Wortbekenntnisse der Kirchen auszuspielen. „Wenn ich so manches Mal ärmlich gekleidete Mädchen mit unendlicher Geduld sammeln sehe“, so Hitler, „selbst frierend, um für andere Frierende zu sorgen, dann habe ich das Gefühl, daß sie alle auch Apostel eines Christentums sind. Und zwar eines Christentums, das von sich mit mehr Recht als ein anderes sagen kann: Dies ist das Christentum eines aufrichtigen Bekenntnisses, weil hinter ihm nicht das Wort, sondern die Tat steht.“35

Diese Argumentationslinie hält sich bis zu Hitlers Tod. Sie findet sich noch im „Politischen Testament“ vom 21.2.1945. Es formuliert noch einmal das Konzept des „Nationalsozialismus als Tat“ und entwickelt dieses Konzept bezeichnenderweise aus dem Anti-Universalismus des Nationalsozialismus. Denn gerade die Unfähigkeit zur Tat, das Scheitern am eigenen Anspruch, das Steckenbleiben im bloßen „Wort“ sei eine direkte Folge des falschen „westlichen“ Universalismus.

Universalistische Konzepte können für Hitler nie die Grundlage tatkräftigen Handelns werden. Während diese nämlich „das Wohl des abstrakten Individuums (erstreben)“ und so „dem Trugbild einer universalistischen Lösung nach(jagen)“, kenne der Nationalsozialismus „nur das Deutschtum“ und interessiere ihn „nur das Wohl des deutschen Volkes“. „Zwei Fronten“ stünden sich so „als unversöhnliche Lager“ gegenüber: „Auf der einen Seite das Weltjudentum und seine Helfershelfer, auf der anderen Seite die Führer einer völkischen Realpolitik.“36 „Die Universalisten, Idealisten und Utopisten“ aber, so Hitler, „zielen ins Nichts. Sie versprechen ein unerreichbares Paradies und betrügen damit die Welt. Wie auch immer sie sich tarnen mögen, ob als Christen, Kommunisten oder Liberalisten, ehrliche Narren oder zynische Betrüger, sie arbeiten allesamt an der Unterjochung des Menschengeschlechtes. Ich aber habe immer nur das im Bereich des Möglichen und unserer Macht Liegende auf dieser Welt für mein Volk vor Augen gehabt.“37

„Universalisten, Idealisten und Utopisten“, das ist die zentrale Feindkennung Hitlers in seinem „Politischen Testament“ aus dem Februar 1945. Hitler war dezidiert der Meinung, dass nur eine anti-universalistische Weltanschauung überhaupt politisch handlungsfähig mache. Sowohl der ethische Universalismus („Alle Menschen besitzen die gleiche Würde“) als auch der religionsgemeinschaftliche Universalismus („Das Christentum ist objektiv wahr und hat daher überall zu herrschen“) sind für Hitler politische Handlungshindernisse. Der ethische Universalismus „zielt ins Nichts“ des irdischen Paradieses für alle und ist damit schlicht etwas für „Narren“ und „Betrüger“, der religionsgemeinschaftliche Universalismus ist für Hitler aber einfach durch die Fakten widerlegt.

Hitlers ideologische Gebundenheit an die rassistisch legitimierte Volksgemeinschaftsideologie ist dabei derart massiv, dass er universalistische Konzepte noch im Angesicht seiner eigenen totalen Niederlage gegen die westlichen Demokratien und die kommunistische Sowjetunion für handlungsunfähig erklärt. Wenn „Universalisten, Idealisten und Utopisten“ letztlich nichts anderes als Unerreichbares versprechen können, so Hitler, müssen sie auch notwendig im Spalt zwischen „Wort“ und realer Tat stecken bleiben. Denn ihr Handeln bleibe nicht nur gelegentlich, sondern prinzipiell hinter ihren eigenen Worten zurück. Zumal, wie Hitler sehr genau sieht, universalistische Konzepte dann doch nur partielle soziale Räume belegen können und so ihren universalistischen Anspruch in der Begrenztheit ihrer eigenen sozialen Existenz selbst zu dementieren scheinen. Hitler war sich der konkreten Partikularität religiöser und/oder weltanschaulicher Geltungsansprüche sehr bewusst. Durchgängig wirft Hitler dem Christentum vor, einen allgemeinen und universalistischen Anspruch zu erheben, also Aussagen über alle Menschen und für alle Menschen zu machen, aber doch immer nur eine historisch und geographisch beschränkte Partikularität zu erreichen.

So etwa in einem Tischgespräch am 27.2.1942: „Warum gibt Gott den Menschen nicht die Möglichkeit, alle zur richtigen Vorstellung zu kommen? Horizontal gesehen, wissen die Gebildeten heute, daß die Gottesvorstellung des Katholizismus noch nicht einmal zehn Prozent der Menschheit hinter sich hat. Im gleichen Zeitraum haben die von der gleichen Vorsehung geschaffenen Menschen tausenderlei verschiedenen Glauben. Wir sehen die Dinge heute aber auch vertikal: Wir wissen, daß dieses Christentum nur eine ganz kurze Epoche der Menschheit umfaßt.“38 Und nicht ohne Hohn stellt Hitler im erwähnten „Politischen Testament“ denn auch fest, dass „der ganze Erfolg der bewunderten christlichen Mission, deren Künder die göttliche Wahrheit für sich allein in Erbpacht genommen haben“, nur einige „winzige Farbflecke als Inselchen der Christenheit, und auch diese mehr dem Namen nach“ ausmache.39

Die regional begrenzte Bedeutsamkeit und die damit verbundene soziale Verkapselung der Konfessionen gerade in Deutschland stehen für Hitler in unübersehbarem Gegensatz zur für ihn einzig – politisch wie „wissenschaftlich“ – möglichen Handlungsbasis: der rassisch geeinten Volksgemeinschaft. „Unser Volk ist nicht von Gott geschaffen, um von Priestern zerrissen zu werden“, so Hitler in einer Rede vor Gauleitern bei der Einweihung der Ordensburg in Sonthofen am 23.11.1937. „Daher ist es notwendig, seine Einheit durch ein System der Führung sicherzustellen. Das ist die Aufgabe der NSDAP. Sie soll jenen Orden daher stellen, der, über Zeit und Menschen hinwegreichend, die Stabilität der deutschen Willensbildung und damit der politischen Führung garantiert.“40 „Heute vollzieht sich“, so Hitler in dieser Rede weiter, „eine neue Staatsgründung, deren Eigenart es ist, daß sie nicht im Christentum, nicht im Staatsgedanken ihre Grundlagen sieht, sondern in der geschlossenen Volksgemeinschaft das Primäre sieht. Es ist daher entscheidend, daß das ‚Germanische Reich Deutscher Nation‘ diesen tragfähigsten Gedanken der Zukunft nun verwirklicht, unbarmherzig gegen alle Widersacher, gegen alle religiöse Zersplitterung, gegen alle parteimäßige Zersplitterung.“41

Dieser Kampf gegen die „konfessionelle Zersplitterung“ Deutschlands ist für Hitler nicht nur rein taktisch motiviert, sondern gründet unmittelbar in seiner rassistischen Anschauung vom unerbittlichen Kampf der Rassen gegeneinander und von der Auserwählung der Deutschen als Teil der arischen Rasse. Hitler fordert denn auch in der Konsequenz der oben analysierten „Wort“-„Tat“-Dichotomie von seinen Anhängern die Reinterpretation ihrer Konfessionsmitgliedschaft in rassistischen Handlungskategorien. „Gerade der völkisch Eingestellte hätte“, so Hitler in „Mein Kampf“, „die heiligste Verpflichtung, jeder in seiner eigenen Konfession, dafür zu sorgen, daß man nicht nur immer äußerlich von Gottes Willen redet, sondern auch tatsächlich Gottes Willen erfülle und Gottes Werk nicht schänden lasse.“42 Bereits in „Mein Kampf“ hatte Hitler auch in jenen, „die heute die völkische Bewegung in die Krise religiöser Streitigkeiten hineinziehen, schlimmere Feinde meines Volkes“ gesehen „als im nächst besten international eingestellten Kommunisten“43. Denn „jüdisches Interesse“ sei es heute, „die völkische Bewegung in dem Augenblick in einem religiösen Kampf verbluten zu lassen, in dem sie beginnt, für den Juden eine Gefahr zu werden“44.

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