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4 Der unbequemen Außenperspektive nicht ausweichen

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Es bedarf an dieser Stelle der Überlegungen einiger theologischer Vergewisserungen. Zum einen ist an den universalen Heilswillen Gottes zu erinnern. Gott will, so heißt es etwa in 1 Tim 2,4, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“. Die deutet nicht auf ein bevorzugtes begnadetes Segment von Menschen, auf einige wenige Auserwählte, sondern auf alle Menschen überhaupt. Die Kirche als das Volk Gottes in seiner sichtbaren Verfasstheit ist Zeichen dafür, dass alle Menschen in universaler Weise zum Heil berufen sind. (vgl. Gaudium et spes 23f).

Zum anderen ist die Kirche nicht für sich selber da, sondern für die Verkündigung der Botschaft vom Gott Jesu in Wort und Tat. Die Bindung der Kirche an ihre sakramentale Sendung reißt sie aus dem Sog ihrer reinen institutionellen Selbsterhaltung und verweist sie auf ihre Existenz begründende Aufgabe: die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat.

Pastoral im Sinne des Konzils ist nun aber genau das, was geschieht, wenn die Kirche diese ihre Aufgabe in Angriff nimmt. Das Zweite Vatikanische Konzil hält die pastorale Konstitution der Kirche fest. Sie ist dazu da, heutige Existenz kreativ mit dem Evangelium zu konfrontieren und dies in einer zweifachen Richtung: das eigene individuelle wie soziale Leben aus der Perspektive des Evangeliums zu befreien und das Evangelium aus der Perspektive der eigenen Existenz zu entdecken.

Auf dieser Basis lassen sich drei naheliegende Reaktionsmechanismen auf die Sinus-Studie als veritable Versuchungen identifizieren. Zum einen droht die Strategie „Verleugnen, Verharmlosen, Herunterspielen“. Sie liegt menschlich und im gewissen Sinne sogar wissenschaftlich nahe. Niemand nimmt unbequeme Wirklichkeiten gerne zur Kenntnis, gar solche, die zu Handlungskonsequenzen nötigen, von denen man noch nicht einmal genau weiß, welche das sein sollen. Erkenntnissen, die solche Krisensituationen und deren implizite Ohnmachtserfahrungen nach sich ziehen, weicht jeder gerne aus.24

Natürlich kann man, wie an jede Forschung und an empirisch-sozialwissenschaftliche zumal, auch an diese Studie methodische Anfragen stellen, etwa was mit „qualitativer Repräsentativität“25 genau gemeint ist oder welchen Status die milieu(mit)konstituierenden „Wertorientierungen“ zwischen verhaltensnormierenden moralischen „Werten“ und eher ästhetischen Konsum- und Lebensstilvorlieben besitzen.

Doch all dies wäre zu offenkundig nur ein Ausweichen vor den unbequemen Außenperspektiven, welche diese Studie präsentiert, als dass eine Kirche, welche mit guten Gründen allen ihren Mitgliedern regelmäßige realistische Selbstkritik empfiehlt, auch nur in die Nähe dieser Strategie geraten sollte. Sie wäre zudem operativ verheerend: Wer sich nicht von außen wahrnehmen kann, ist in differenzierten Gesellschaften schlicht anschluss- und damit handlungsunfähig.

Sie wäre aber auch ein massiver Verstoß gegen den eigenen Pastoralbegriff, der schließlich die inkarnatorische Struktur des eigenen Handelns festhält. Die aber ist grundsätzlich gefährdet, wo man die Wirklichkeit, zumal noch die eigene, nicht akzeptieren kann und sich an ihr vorbeimogeln will. Letztlich wäre das eine spirituelle Katastrophe: Wer sich nicht halbwegs selbstkritisch wahrnehmen kann, wird nach und nach unaufrichtig mit sich und also unredlich.

Doch auch wenn man die Ergebnisse der Studie als Herausforderung anerkennt, droht eine Versuchung, jene des institutionalistischen Opportunismus. Man reagiert dann, weil man auf den (religiösen) Markt geraten ist, reflexartig wie ein Marktteilnehmer und versucht den Schwund der eigenen Marktanteile mit allen Mitteln aufzuhalten. Zu erkennen ist diese Strategie an ihren falschen Alternativen. Inhaltlich wird hier mit der Alternative „Profil versus Anpassung“ gearbeitet, im Blick auf die möglichen Vergesellschaftungsformen von Kirche mit der Alternative „Kundenorientierung versus Gemeinschaftsorientierung“. Die Studie selbst scheint im Einleitungsteil sowie in ihren milieuspezifisch vorgeschlagenen „Do’s & Don’ts“ solch einem Konzept nicht ganz abgeneigt zu sein.

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