Читать книгу An neuen Orten - Rainer Bucher - Страница 6

VORWORT

Оглавление

Die religionssoziologisch fassbaren Kontexte kirchlichen Handelns verändern sich dramatisch. Diese Verschiebungen berühren die unterschiedlichsten Ebenen: das Individuum und sein Verhältnis zu religiösen Praktiken und Gehalten, die religiöse Fundierung, Orientierung und Interpretation der unmittelbaren Nahbeziehungen des Einzelnen, den intermediären Sektor zwischen Individuum und Gesellschaft und die auf ihm angesiedelten Sozialformen religiöser Vergesellschaftung, und sie betreffen die Nationalgesellschaften wie die zunehmend globalisierte Weltgesellschaft und ihre jeweiligen religionspolitischen Positionierungen und Realitäten.

Auf all diesen Ebenen spielen sich auch in dem nach 1648 über lange Zeit religionspolitisch stabil regulierten deutschsprachigen Raum vielfältige, teilweise unabsehbare, offenbar aber grundlegende Veränderungsprozesse ab. Das bedeutet unter anderem, dass die katholische Kirche nicht mehr jene ist, die sie einmal war. Denn die epochalen Kontextveränderungen kirchlichen Handelns schreiben sich diesem Handeln selbst ein, kreieren neue Orte auch im Alten und schaffen damit völlig neue Räume.

Es ist schon die Frage, ob man in solch einer unübersichlichen Lage überhaupt genau wissen kann, wo man ist und wer man dort ist. Diese Unsicherheit der Selbstwahrnehmung und Ortsbestimmung teilt die katholische Kirche zwar mit vielen anderen Institutionen, denn nicht genau zu wissen, wer und man in den eigenen und in den Augen der anderen ist und wo man ist, markiert eine Signatur der Postmoderne. Deren Hauptaufgabe dürfte die Entdeckung der eigenen Gegenwart als möglicher Basis einer möglichen Zukunft sein. Es ist dabei völlig unwichtig, was die katholische Kirche von all dem hält, es geht vielmehr darum, wie sie an neuen Orten neue Orte schafft, die Räume bilden, in denen die Chancen steigen, dass ihre alte und einzige Aufgabe erfüllt wird.

Der hier vorgelegte Band versammelt ausgewählte Beiträge, die der Verfasser in den letzten Jahren zu pastoraltheologischen Fragestellungen im Kontext von Kirchenbildungsproblemen im deutschsprachigen Raum1 vorgelegt hat. Die Texte entstanden häufig auf konkrete Anfragen aus der pastoralen Praxis hin, oft im Rahmen von Fortbildungen, bisweilen auch auf Bitten der Herausgeber theologischer Fachzeitschriften und kollegialer Sammelbände. Die thematische Ausrichtung dieses Buches dokumentiert so einerseits die spezifischen Interessen des Verfassers, es spiegeln sich in den verhandelten Themen aber auch die Problemlagen der pastoralen Akteure.

Damit ist diesen Überlegungen freilich eine Grenze eingeschrieben: Sie erkunden das Neue von den Differenzerfahrungen der herkömmlichen Akteure an neuen Orten her. Ein kommendes Projekt müsste diese von der Vergangenheit bestimmte (Zentral-)Perspektive verlassen und endgültig von den neuen Orten her denken; dass sich pastorale Akteure freilich heute schon nur noch an dezentralen, pluralen, flüchtigen und riskanten Orten befinden, darüber lassen die vorliegenden Untersuchungen keinen Zweifel.

Sie werden der Fachöffentlichkeit noch einmal gebündelt in der Hoffnung vorgelegt, dass sich in ihrer Gesamtschau ein Umriss der aktuellen Konstitutionsprobleme der deutschen – und mit gewissen spezifischen Differenzierungen: österreichischen – katholischen Kirche ergibt. Die Beiträge wurden in ihrer Substanz wie in ihren Fußnoten gegenüber der Originalpublikation nicht verändert. Offenkundige Fehler wurden ausgebessert, Wiederholungen so weit als möglich gestrichen.

Dieser Band steht im Kontext einiger anderer vom Autor in letzter Zeit vorgelegter Veröffentlichungen, so Theologie im Risiko der Gegenwart, Stuttgart 2010, in dem einige Grundlagenfragen des Faches diskutiert werden, wenn nichts bleibt, wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche, Würzburg 2012, das für einen Leserkreis über den engeren Wissenschaftsbetrieb hinaus geschrieben wurde, sowie Priester des Volkes Gottes, Würzburg 2010, in dem eine gegenwärtig besonders gefährdete Gruppe thematisiert wird.

Frau Ingrid Hable hat die umfangreiche Arbeit der Texterfassung für dieses Buches mit jener Genauigkeit, Unermüdlichkeit und Zuverlässigkeit übernommen, die mir seit vielen Jahren so wertvoll sind: Dafür danke ich ihr sehr! Herzlich danke ich auch dem Echter-Verlag für die jahrelange ausgezeichnete Zusammenarbeit, die sich bei diesem Buch wieder einmal bewährt hat.

Graz, im Mai 2014 Rainer Bucher
An neuen Orten

Подняться наверх