Читать книгу Einfach nur Spurensuche - Rainer Jaeckle - Страница 10
Nicht-Dabei-Sein
ОглавлениеJohann hatte aus meiner Sicht Glück gehabt als der Erste Weltkrieg begann. Er wäre sicherlich auch gerne mit „Hurra!“ und in strammer Uniform, unter dem Beifall der Bevölkerung am Straßenrand durch St. Georgen marschiert. Er wäre auch sicherlich gerne patriotisch für das Vaterland in den Krieg gezogen.
Aber am Ersten Weltkrieg durfte er nicht teilnehmen, weil er bei der Musterung durchgefallen war. Seine gesundheitlichen Defizite kenne ich allerdings nicht.
Das alles hat ihn tief getroffen, dem völkischen Zeitgeist nicht gerecht zu werden, der obersten Pflicht nicht zu genügen, für Volk und Vaterland nicht alles geben zu dürfen. Das war für ihn schon hart. Schade, dass er das „Nicht-Dabei-Sein“ nicht als Glück empfinden konnte.
Ich bin mir bewusst, dass mein damit geäußerter Anspruch an ihn im Rückblick natürlich zu einfach ist und den damals herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen bei weitem nicht gerecht wird. Ich müsste still sein. Ich selbst habe bei meiner eigenen Musterung für die Bundeswehr alles gegeben, um ja nicht durchzufallen.
Als der Musterungs-Arzt zu mir sagte:
„Sie haben sicherlich immer wieder mal Rückenschmerzen. Ihr Rückgrat ist schief“, war meine ganz schnelle Antwort,
„das kann nicht sein, ich habe noch nie Rückenschmerzen gehabt.“
Das war von mir schlicht weg gelogen. Es wäre für mich unerträglich gewesen, von der Musterung heimzukommen und meinem Vater sagen zu müssen: „Ich muss nicht zum Bund, ich bin durchgefallen.“