Читать книгу Einfach nur Spurensuche - Rainer Jaeckle - Страница 7
Mutterseelen allein
ОглавлениеJohann wurde am 19. Juli 1881 in Peterzell geboren. Er hatte durch den frühen Tod seines Vaters eine sehr schwere Kindheit. Seine Mutter wusste nicht, was sie jeden Tag für ihre lieben Kinder überhaupt kochen konnte. Es war nichts im Küchenschrank, einfach nur Leere im Lebensmittelfach. Ihr Mann war tot und die Kinder waren noch klein. Andreas war vier und Friedrich zwei Jahre alt. Johann lag noch in seinem kleinen Strohbett.
Wenn Anna Maria unter der Woche von Tür zu Tür ging und Verwandte, Nachbarn, Freunde und Bekannte um Hilfe für ihre hungrigen Kinder bat, war sie immer mehrere Stunden unterwegs. Sie kam dann abends weinend und erschöpft, aber meistens mit leeren Händen, wieder nach Hause. Sie war niedergeschlagen und tief enttäuscht darüber, dass selbst die eigene Verwandtschaft sie in ihrem Elend allein ließ. Die lieben und hartherzigen Vettern und Cousinen packten dann immer schnell das Brot und die Butter vom Küchentisch, wenn sie meine Mutter auf ihren Hof zukommen sahen. Meistens gab es zu Hause nur trockenes Brot zu essen. Die Mutter hatte Tränen in den Augen, wenn sie den Küchentisch immer so gegen 12 Uhr mittags deckte.
Er war schnell gedeckt. Auf dem alten rotkarierten Leinentischtuch, mit den kleinen roten Rosenstickereien an seinen Rändern, standen dann die Wassergläser und in der der Mitte der Brotkorb mit dem harten dunklen Brot darin. Das war alles. Die Folge war, dass der kleine Johann dürr war, wie auch seine Geschwister, und sein Kindergesicht alt und wie ausgemergelt wirkte.
Als er dann mit sechs Jahren in die Volksschule kam, musste er von Peterzell nach St. Georgen in die Gerwig-Schule zu Fuß laufen. Bei jedem Wetter, im Sommer und im Winter. Wenn es besonders kalt war, wärmte er seine kalten, rötlich angelaufenen Füße in Kuhfladen, die er am Wegesrand vorfand. Johann besaß weder Schuhe noch Strümpfe, geschweige denn eine warme Jacke als Schutz vor den eiskalten Wintertagen. Vor der Schule war ein Brunnen, in welchem er sich die Füße wusch, bevor er die Schule betrat.
Gelegentlich kam es vor, dass er nicht einmal mehr die Kraft besaß, im Klassenzimmer während der Schulstunde auf der Holzbank sitzen zu bleiben. Er fiel dann vor Schwäche einfach auf den hölzernen Fußboden und rappelte sich dann mühevoll wieder auf. Das war immer dann der Fall, wenn er, manchmal tagelang, nur ein paar Scheiben trockenes Brot zu essen bekam. Die Mutter hatte nichts.