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Kritische Fragen

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Die vorangegangenen Passagen konnten einen ersten Eindruck von den Möglichkeiten digitaler Technik vermitteln; viele weitere Bereiche sind noch zu besprechen. Doch dürfte schon deutlich geworden sein, dass wir es mit einem zweischneidigen Schwert zu tun haben: Auf der einen Seite sehen wir großartige Erfindungen, auf der anderen Seite öffnet sich zunehmend die Büchse der Pandora mit fragwürdigen oder sogar kriminellen Anwendungen, befeuert von Machtgelüsten und Allmachtsphantasien. Nicht zufällig sprachen Digital-Freaks schon vor Jahren vom «Achten Schöpfungstag», der erreicht sei, weil die Menschheit sich ab jetzt mit einer Sinneswelt umgeben könne, die nicht von Mutter Natur oder irgendwelchen Göttern erschaffen wurde, sondern vollständig des Menschen eigenes Werk sei, bis in jede Einzelheit seinem Geist entsprungen und mit höchster Intelligenz verwirklicht.

Was ist von einer solchen Auffassung zu halten? Erfüllt sich jetzt tatsächlich ein alter Menschheitstraum, den schon Prometheus träumte? Oder droht ein Menschheitswahn, der sich bitter rächen könnte? Berechtigte Fragen brechen auf:

Dürfen wir achtlos darüber hinwegsehen, dass die Sprache eines Menschen während der digitalen Übertragung abgetötet wird zu einem milliardenfachen Wechsel von «Strom an» und «Strom aus», aus dem dann ein Schallgebilde konstruiert wird, das nicht mehr eine vollmenschliche Realität darstellt, sondern ein technisches Scheingebilde, eine Art Gespenst?

Kann es uns gleichgültig sein, dass diese Technik bei Musik und Sprache wie auch bei visuellen Vorgängen von Anfang an auf Sinnestäuschung angelegt ist und wir uns schleichend daran gewöhnen, keinen Unterschied mehr zu sehen zwischen Original und Imitat?

Wohin führt es, wenn wir die Bilder von irgendwelchen Ereignissen noch immer ungeprüft als getreue Abbildungen der Wirklichkeit auffassen und in der Folge unser Urteil auf Fälschungen gründen? Wollen wir uns in einer Welt der Fake-News einrichten? Zugegeben, meistens können wir die Echtheit nicht prüfen. Aber dann müssten wir auch unser Urteil zurückhalten, uns nach anderen Quellen umschauen und die entstandenen Fragen bis zu einer möglichen Klärung offenlassen. Sind wir bereit, uns diese strenge Disziplin aufzuerlegen?

Ein sachgemäßes Urteil zu diesen und vielen weiteren Fragen wird nicht zu erreichen sein, wenn man die Digitaltechnik einfach euphorisch in den Himmel hebt und sie unkritisch als immensen Menschheitsfortschritt preist. Ebenso wenig angemessen wäre es, sie schlichtweg zu verteufeln und möglichst von sich fernzuhalten, denn sie schafft schon jetzt Realitäten, denen wir uns gar nicht mehr entziehen können. Wir müssen sie nicht um jeden Preis in jedem Detail akzeptieren; eines aber ist in jedem Falle gefordert: begründet Stellung zu beziehen, um verantwortlich handeln zu können.

Damit stehen wir vor einer Aufgabe, zu der wir uns Grundlagen verschaffen sollten, indem wir einerseits die geistesgeschichtlichen Hintergründe digitaler Technik erkunden, andererseits ihre konkreten Realisierungen kennenlernen und drittens deren soziale Auswirkungen zu beobachten versuchen. Dazu möchte dieses Buch einen bescheidenen Beitrag leisten.

Die Sphinx des digitalen Zeitalters

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