Читать книгу Die Sphinx des digitalen Zeitalters - Rainer Patzlaff - Страница 22
Die Neigung der Intelligenz zum Bösen
ОглавлениеAuf rätselhafte Weise ist in der Digitaltechnik das Gute engstens verknüpft mit dem Schlechten, obwohl das niemand beabsichtigt hat. Wie konnte es dazu kommen?
Wir stoßen hier auf ein menschheitsgeschichtliches Phänomen, das Rudolf Steiner schon 1919 zum Thema eines Vortrages gemacht hat.8 In der Kulturepoche, die der griechisch-römischen vorausgegangen ist, so schildert er, war Intelligenz etwas ganz anderes als das, was wir heute darunter verstehen. Wenn Ägypter oder Chaldäer9 «dachten, wenn sie ihre Intelligenz in Fluss brachten, dann lebte in dieser Intelligenz ihr Zusammenhang mit dem Kosmos». Die Verwandtschaft «der eigenen Wesenheit mit dem ganzen Kosmos» war der bestimmende Inhalt ihres Denkens. In der griechischen Epoche ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. wusste man noch von diesem Zusammenhang, doch richtete sich der Blick von jetzt an vor allem auf das eigene Wesen und seinen Zusammenhang mit allem Irdischen, Vergänglichen. Der Grieche «begriff alles dasjenige von der irdischen Welt durch diese Intelligenz, was dem Tode unterliegt».
Zu der nach dem Ende des Mittelalters beginnenden Neuzeit bemerkt Steiner:
«Heute sind wir noch sehr stark in einer solchen Entwickelung der Intelligenz darinnen, wie sie die Griechen hatten. Wir begreifen durch unsere Intelligenz dasjenige, was dem Tode unterliegt. Aber auch diese Art von Intelligenz, die das Tote begreift, verwandelt sich. Und in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird diese Intelligenz etwas anderes, etwas weit weit anderes werden. Sie hat heute schon eine gewisse Anlage, unsere Intelligenz. Wir werden als Menschheit einlaufen in eine Entwickelung der Intelligenz so, dass die Intelligenz wird die Neigung haben, nur das Falsche, den Irrtum, die Täuschung zu begreifen, und auszudenken nur das Böse.»
Blicken wir vor diesem Hintergrund auf unsere gegenwärtige Situation, dann scheint es, dass wir dem Bösewerden der Intelligenz in den letzten hundert Jahren seit Steiners Äußerung schon ein Stück näher gekommen sind. Die täglichen Nachrichten sind heute voll von Berichten über übelste Machenschaften mithilfe des Internets. Die geronnene, tote «Intelligenz» des Computers wird zum Instrument, um böse Absichten zu verwirklichen, Betrug, Lügen und Verleumdungen in die Welt zu setzen, den Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum zu verwischen und auf diese Weise nicht nur materiellen Schaden anzurichten, sondern auch seelische und geistige Verwüstungen zu schaffen, die zu heilen gewaltige und lang anhaltende Bemühungen erfordern würden.
Dennoch – es wäre nicht in Steiners Sinne, seine Aussagen als Glaubenssätze zu behandeln. Sie sind als Hinweise zu verstehen, die anhand der Wirklichkeit geprüft werden sollten. Dazu bieten die folgenden Kapitel Gelegenheit.