Читать книгу Die Sphinx des digitalen Zeitalters - Rainer Patzlaff - Страница 32
Milliarden Menschen in den Fängen der Suchtmaschinen
ОглавлениеAdam Alter, seines Zeichens Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University, ist in den USA als Bestsellerautor bekannt. Er hat 2017 ein Buch herausgebracht (2018 auf Deutsch erschienen), das nüchtern und schonungslos die Situation beleuchtet, in die sich die moderne Menschheit manövriert hat. Aus seinen aufschlussreichen Recherchen in den USA sollen hier einige Passagen wiedergegeben werden, in denen u.a. auch führende Köpfe des Silicon Valley zu Wort kommen:
«Walter Isaacson, der während der Recherchen zu seiner Steve-Jobs-Biografie oft mit Jobs’ Familie zu Abend saß, verriet Bilton: ‹Ich habe die Kinder nie mit einem iPad oder einem Computer gesehen. Sie wirkten von technischen Geräten jeder Art ganz und gar unbeeindruckt.› Es schien so, als würden die Menschen, die Hightech-Produkte herstellen, die Grundregel aller Drogendealer beherzigen: Never get high on your own supply (so Michelle Pfeiffer in Scarface – Nimm nie selbst die Drogen, die du verkaufst.) (…) Viele Experten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hightech-Welt, haben ähnliche Entscheidungen getroffen. Mehrere Spieledesigner erzählten mir, sie würden das extrem schnell süchtig machende Online-Spiel World of Warcraft tunlichst vermeiden. (S. 10)
Greg Hochmuth, einer der Instagram-Gründer, begriff schnell, dass er eine Suchtmaschine baute. ‹Immer findet man einen weiteren Hashtag, auf den man klicken könnte›, sagte Hochmuth. ‹Und dann entwickelt sich wie bei einem Organismus ein hashtaggetriebenes Eigenleben, das Menschen obsessiv macht.› Instagram ist, wie so viele Social-Media-Plattformen, bodenlos. Die Timeline von Facebook ist endlos; Netflix startet die nächste Folge einer Serie automatisch; Tinder ermutigt seine Nutzer, auf der Suche nach immer besseren Partner-Optionen weiterzuklicken. Nutzer profitieren zwar von diesen Apps und Websites, tun sich aber schwer damit, sie nur in Maßen zu benutzen. Der ‹Design-Ethiker› Tristan Harris glaubt, dies liege nicht an mangelnder Willenskraft, doch kämpfe man gegen ‹ein ganzes Heer auf der anderen Seite des Bildschirms, dessen Job einzig darin besteht, jegliche Selbstdisziplin zu unterminieren›. (S. 11)
Die Leute, die Hightech-Geräte, Computerspiele und interaktive Erlebnisse entwickeln und verfeinern, sind sehr gut in dem, was sie tun. Sie führen Tausende Tests mit Millionen von Nutzern durch, nur um herauszufinden, welche Feinjustierungen gut funktionieren und welche nicht – welche Hintergrundfarben, Schrifttypen und Töne maximale Hingabe bei minimaler Frustration versprechen. Wird eine solche Erfahrung immer weiterentwickelt, entsteht schließlich eine unwiderstehliche, hochexplosive Version jener Erfahrung, die sie einst war. 2004 war Facebook Spaß, 2016 ist das Netzwerk eine Droge. (S. 13)
Die meisten Menschen verbringen zwischen einer und vier Stunden täglich an ihrem Smartphone – doch viele weitaus mehr Zeit. Es handelt sich hier also nicht um das Problem einer Minderheit. (…) Sie verbringen im Schnitt ein Viertel ihrer Wachzeit mit ihren Telefonen – so viel wie sonst mit keiner der täglichen Routinen, Schlafen einmal ausgenommen. Jeden Monat gehen fast hundert Stunden für E-Mails-Checken, SMS-Schreiben, Spiele-Spielen, im Internet surfen, das Lesen von Nachrichten, Überprüfen von Bankkonten und so weiter verloren. Bei durchschnittlicher Lebenserwartung addiert sich dies auf niederschmetternde elf Jahre. Im Schnitt nahmen sie ihr Telefon etwa dreimal pro Stunde in die Hand. Diese Form der extremen Nutzung ist so verbreitet, dass Forscher den Begriff der ‹Nomophobie› geprägt haben: der Angst, ohne Mobiltelefon dazustehen (nach der Abkürzung für no-mobilephobia). Smartphones stehlen unsere Zeit, und schon ihre reine Gegenwart ist schädlich.» (S. 22f.)