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Telegraphie

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Den Weg dazu ebnete die am Beginn der Neuzeit einsetzende praktische Anwendung der Elektrizität. (Bekannt war sie schon seit dem Altertum.) Aufbauend auf dem neu entdeckten Elektromagnetismus entwickelte Samuel Morse 1837 seinen Schreibtelegraphen, der folgendermaßen funktionierte: Über einem langsam fortlaufenden Papierstreifen war ein Schreibstift angebracht, der mit einem Elektromagneten auf das Papier heruntergezogen wurde und dort je nach Dauer der Stromzufuhr kurze oder lange Striche zeichnete. Die elektrischen Impulse dazu kamen durch Metalldrähte von einer weit entfernten Person, und zwar nach einem von Morse erfundenen Code, der für jede Zahl und jeden Buchstaben des Alphabets eine bestimmte Abfolge von langen und kurzen Strichen festlegte, die am Empfangsort von geschulten Kräften decodiert werden mussten (siehe Abb. 1). Dieser Code wurde zum internationalen Standard der Telegraphie.

Abb. 1: Der internationale Morse-Code

Als sich zeigte, dass Nachrichten, die früher mühsam von der Briefpost an den gewünschten Ort gebracht werden mussten, jetzt wie von Zauberhand in Minutenschnelle ankamen, wurde die Öffentlichkeit von einem Fieber der Begeisterung gepackt: Immer mehr und immer längere elektrische Kabel wurden verlegt, überall entstanden «Telegraphenämter», die eine ständig wachsende Flut von Telegrammen zu bewältigen hatten, und schon gegen 1870 überzogen Kabelnetze weite Teile der Erde; Tiefseekabel verknüpften sogar die Kontinente miteinander. Ab dem 20. Jahrhundert konnten die Morsezeichen dann auch akustisch per Kurzwellenfunk in alle Winkel der Welt gelangen und wurden besonders im Schiffs- und Flugzeugverkehr eingesetzt. Eine erste, die ganze Menschheit überspannende Kommunikationstechnik war geschaffen – und mit ihr ein früher Vorläufer des heutigen Internets.

Dass die Sprache durch den Morsetelegraphen in einen Wust kurzer und langer Striche verwandelt wurde, die mit dem grafischen Bild der Buchstaben nicht mehr die geringste Verwandtschaft zeigten – daran nahm niemand Anstoß, denn so wie die Sprache hier behandelt wurde, so empfand man sie auch in der Realität des Alltags: als ein System von Zeichen zur Informationsübermittlung und nichts sonst.

Die Faszination, die von dem elektrischen Telegraphennetz ausging, bewirkte, dass deren Technik unreflektiert auf die gesprochene Sprache übertragen wurde, indem man den Sprecher als «Sender» bezeichnete und die von ihm geformten Sprachlaute als «codierte Schallwellen», die der Empfänger decodiert. Ein durch und durch mechanistisches Bild von Sprache entstand, das sich in den grassierenden Materialismus des Zeitalters einfügte.

Die Sphinx des digitalen Zeitalters

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