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7. Pokerrunde

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Die Luft war stickig in dem kleinen Hinterzimmer der Absteige im Bahnhofsviertel der Rhein-Main-Metropole. Der Rauch der Zigaretten legte sich auf die Atemwege der Anwesenden. Das hinderte die Beteiligten nicht daran, sich dem Krebsrisiko auszusetzen und weiter zu rauchen.

Es ging um Geld. Für manchen viel Geld. Und es ging um den Nervenkitzel.

Es wurde gepokert.

Man kannte sich nicht persönlich, mit einer Ausnahme. Der Anwalt hatte einst geschäftlich mit dem „Containerheini“, wie er ihn zu nennen pflegte, wenn er es nicht hören konnte, zu tun. Man traf sich regelmäßig jeden Freitag gegen dreiundzwanzig Uhr, packte ein Bündel Geldscheine auf den Tisch und bediente sich an der kleinen Theke mit Getränken. Es wurden nur hochprozentige Sachen getrunken.

Es wurde gepokert und es wurde um Bares gespielt. Alles, was zum Einsatz kommen konnte, lag auf dem Tisch.

Heute knisterte die Luft. Es lag eine gewisse Hochspannung im Raum.

Hans-Joachim Gruber war leitender Manager der Container Consulting AG „Metranzal“ in der Niederlassung Mitteldeutschland in Frankfurt. Die Mutterfirma war in den Niederlanden angesiedelt. Von Frankfurt aus gab es eine schnellere Verbindung in alle Himmelsrichtungen Europas, als von Rotterdam aus. Daher war Frankfurt als Sitz der Niederlassung Deutschland prädestiniert.

Er kam als Letzter ins Zimmer, zog seine Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne. Dann goss er sich einen „Cardenal Mendoza“ ins Glas und setzte sich zu den anderen. Er trank einen großen Schluck von dem Brandy und stellte das Glas ab.

„Hallo. Bin spät dran. Lasst uns anfangen.“

Mit diesen Worten zog er ein Bündel Hunderter aus der Jacke und legte es auf den Tisch.

„Wer gibt?“

„Ich bin dran.“

Der Anwalt zog aus dem Kartenspender für jeden der sieben Spieler die Grundkarten.

Dann wurde geboten, Karten gekauft und wieder geboten.

Am Ende des ersten Spiels lagen achttausend Euro in der Mitte der Tischplatte. Für den Einstieg war das relativ viel.

Es gewann ein Spieler aus Baden Baden. Er war ein hervorragender Taktiker und bluffte, ohne einen Gesichtsmuskel zu bewegen. Er schaute seinen Gegnern nicht ins Gesicht, so brauchte er keine Sonnenbrille, die eventuell seine Gemütsregung verdeckt hätte, wenn er eine gehabt hätte. Andere Spieler benutzten gerne Sonnenbrillen. Denn an den Augen konnte man bei den meisten Spielern erkennen, ob sie blufften oder nicht.

Dann wechselte das Glück und es gewann jeder mal eine Runde.

Bis auf einen, der anscheinend an diesem Tag vom Pech verfolgt war.

Hans-Joachim Gruber hatte schon nach kurzer Zeit zwanzigtausend Euro verloren.

„Mist. Kein Glück heute Nacht! Ok. Noch ein Spiel! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“

Vor ihm lagen noch achttausend Euro in großen Scheinen auf dem Tisch.

Die Spieler schauten sich an und nickten ihm zu.

„OK. Ein letztes Spiel heute. Es ist ja schon nach drei.“

Aber Gruber hatte wirklich kein Glück in dieser Nacht. Nachdem er sein ganzes Bargeld in die Mitte geworfen hatte, seine Rolex mit dreißigtausend angegeben hatte und seinen Autoschlüssel für den Jaguar, der mit weiteren fünfzigtausend gehandelt wurde, stierte er auf sein Blatt. Es lagen weit über zweihunderttausend Euro auf dem Tisch. Der Wert der Rolex und des Autos wurde von allen Spielern akzeptiert.

Hans-Joachim Gruber hatte drei Asse und zwei Könige. Damit konnte er nicht verlieren, sagte er sich.

„Ich will sehen!“

Nach und nach warfen alle die Karten hin, als sie das Pärchen von Gruber sahen. Bis auf einen.

Hans-Joachim Gruber wollte schon den vermeintlichen Gewinn an sich ziehen, da legte sein Gegenüber vier Neuner auf den Tisch.

Grubers Herzschlag raste. Ihm wurde schlecht. Er zog seine Jacke an und verließ grußlos das Zimmer.

Dass der Gewinner ihm nachrief, er könne sein Auto und die Uhr am nächsten Freitag zurückgewinnen, hörte Gruber nicht. In seinen Ohren war ein Rauschen, das ihm Angst machte. Er stolperte den Bürgersteig entlang.

Dann ergriff jemand seinen Arm. Er drehte sich um. Das Rauschen in seinen Ohren ließ nach.

„Was ist mit dir? Alles in Ordnung?“

Der Anwalt war ihm nachgeeilt und stellte sich nun vor ihn.

„Ja, ja, hab heute nur neunzigtausend Euro verspielt.“

„Holst du wieder rein, nächste Woche.“

„Na, da bin ich mir nicht so sicher.“

„Komm, ich fahre dich heim.“

Sie gingen zu Elberfeldes Wagen und der Anwalt fuhr in die noble Villengegend, in der Gruber seit seiner Scheidung wohnte.

An der Villa angekommen, stiegen sie aus. Gruber schaute den Anwalt an.

„Willst du noch mal mit reinkommen?“

„Ein letzter Drink könnte nicht schaden.“

So schaltete der Manager der Container Consultingfirma die Alarmanlage aus und sie betraten die Wohnung.

Er goss Brandy in zwei Gläser und sie setzten sich in die weißen Ledersofas.

„Prost.“

„Ja. Prost. Das ist heute echt scheiße gelaufen.“

„Naja. Blöd, aber nicht bedrohlich. Ich erwarte eine Lieferung nächste Woche und dann bin ich wieder saniert.“

Dem Anwalt fielen die Augen aus dem Kopf.

„Was? Eine einzige Lieferung und … und … dann hast du den Verlust wieder raus?“

„Ja doch. Mehr sogar. Wesentlich mehr.“

„Wie das denn?“

Hans-Joachim Gruber sah den Anwalt an. Er dachte nach, ob er ihn einweihen konnte. Über die Geschäfte wusste er eh schon das meiste. Schließlich brauchte er ihn als Anwalt ab und zu. Auch für dieses Geschäft sollte der Anwalt Papiere ausstellen.

„Ok. Aber du hältst die Klappe!“

„Ja doch! Klar. Denkst du, ich plaudere?“

„Es liegt schon seit Wochen ein Container im Waltershof …“

„Wo liegt der?“

„Im Containerhafen in Hamburg.“

„Aha. Und warum liegt der so da rum?“

„Mann. Hör einfach zu! Es kann sein, dass du gewisse Papiere anfertigen musst.“

Der Anwalt pfiff leise vor sich hin.

„Lass das.“

„Was ist den im Bauch des Containers?“

„Was wohl! Reines Kokain. Zwei Tonnen.“

Jetzt pfiff der Anwalt recht laut.

„Du sollst das lassen!“

„Wie ist den der Container durch die Kontrolle gekommen?“

Der Alkohol machte die Zunge des Managers locker und so erzählte er es dem Anwalt.

„Ist er nicht. Ganz im Gegenteil. Im Inneren hat der Zoll jede Menge Duplikate gefunden. Klamotten! Versace, Dior, Lagerfeld und so weiter. Das ganze Zeug wurde beschlagnahmt und in die Speicherstatt gebracht.“

„Hä? Und das Koks?“

„Das steckt zwischen der Außenwand und der inneren Wand an der Stirnseite des Containers.“

„Haben die Rauschgifthunde nicht angeschlagen?“

„Nee. Da waren keine. Die hielten es nicht für notwendig, welche dazu zu nehmen. Da ging vorher eine anonyme Meldung beim Zoll ein, dass im Container ZXWASS 348 aus Südamerika illegale Duplikate von Stardesignern gelagert wären. Da hat man keinen Gedanken an Rauschgift gehabt.“

Abermals pfiff der Anwalt durch die Zähne.

„Clever. Ganz schön clever! Hat man bewusst auf die falsche Fährte gelockt. Und wem gehört das Rauschgift nun?“

„Mir. Also, jetzt gehört es mir. Organisiert hat das die Chinesengang. Du hast den einen Anführer von denen mal verteidigt. Kannst du dich erinnern?“

„Ja, ja, ja. Stimmt. Da gibt es doch zwei Gangs, die sich gegenseitig die Hölle auf Erden machen.“

„Machten! Beide Anführer leben nicht mehr. Auch sind einige Mitglieder der Vorstandsriege umgekommen. Es gab vor vier Monaten einen Bandenkrieg in Hamburg und in Den Haag. Ausnahmsweise waren mal nicht die Hells Angels beteiligt, sondern die Chinesen. Die Chinesen unter sich. Das hat es auch noch nicht gegeben.“

Der Anwalt lachte nun laut.

„Und der Rest weiß nichts von dem Koks? Klasse!“

Nun wurde es dem Manager doch etwas flau im Magen.

„Halt bloß deine Klappe!“

„Keine Bange. Etwas Schweigegeld steht mir aber doch zu, oder?“

„Sobald ich einen Deal gemacht habe, bekommst du einen Anteil. Mache mir die Papiere fertig. Ohne die kann ich den Container nicht vom Hof schaffen. Die genauen Daten gebe ich dir noch.“

Der Anwalt grinste.

„Mach ich. Mach ich. Und?“

„Was und?“

„Na … wo willst du das Zeug loswerden?“

„Braucht dich nicht zu kümmern. Ich habe einen Käufer.“

„Na, dann lass dich nicht übers Ohr hauen.“

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