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9. Verabredung zum Tod

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Das schlechte Wetter der letzten Tage hatte sich, wie vom Wetterdienst angekündigt, verzogen und es kam vom Atlantik eine Warmluftfront über Spanien nach Mitteleuropa gezogen. Es sollte ein schöner Herbst in Deutschland werden, so der Nachrichtensprecher in der ARD.

Der Anruf kam gegen zwanzig Uhr. Ernst Theodor zu Falkenstein war in seinem alten, braunen Ledersessel im Büro kurz eingenickt und zuckte erschrocken zusammen. Er nahm den Hörer ab und räusperte sich.

„Ja? Zu Falkenstein?“

Die Stimme am anderen Ende zögerte etwas.

„Sind Sie mein Ansprechpartner?“

„Was wollen Sie?“

„Ein Anwalt gab mir Ihre Telefonnummer. Sie wollen etwas von mir.“

Falkenstein war nun hellwach.

„Ja, ja. Sicher. Können Sie es tun?“

„Ja. Was zahlen Sie?“

„Was verlangen Sie? Der Anwalt sagte etwas von dreißigtausend. Aber es kann auch mehr sein.“

Der Chef presste die Lippen aufeinander. War der Mann wirklich so dumm oder war das eine Falle?

Er musste sicher gehen, bevor er sich auf ein Geschäft einlassen konnte.

„Es ist etwas mehr. Wir müssen uns treffen.“

„Warum?“

„Ich möchte sichergehen. Wir müssen über Details reden, aber nicht am Telefon.“

„Mein Telefon wird nicht abgehört!“

„Das mag sein. Aber meines ist eventuell nicht ganz sauber. Treffen wir uns in zwei Stunden am Haupteingang Hauptbahnhof, Frankfurt am Main.“

„Gut. Wie erkenne ich Sie?“

„Ich werde Sie erkennen. Haben Sie einen roten Schal?“

„Ja, ich denke schon.“

„Gut. Binden Sie ihn so, dass die beiden Enden am Rücken herunterhängen. Wenn mir etwas komisch vorkommt, verschwinde ich. Was haben Sie an Bargeld zu Hause?“

„Etwa zehntausend.“

„Das reicht nicht. Besorgen Sie mehr. Fünfzigtausend sind notwendig. Ich habe Ausgaben.“

„Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Morgen kann ich das Geld besorgen.“

„Gut. Also in einer Stunde.“

Der Chef pfiff leise durch die Zähne. Hatte er also richtig vermutet. Der Anwalt wollte ihn mit dreißigtausend abspeisen. Doch hier konnte er mindestens zwanzig mehr herausholen.

Als Ernst Theodor zu Falkenstein den Haupteingang des Bahnhofs erreicht hatte, war er zu spät. Die ausgemachte Zeit war mit vierzig Minuten überschritten. Es war nur mit Mühe ein Parkplatz zu finden gewesen. Nun stand er unschlüssig vor dem halbrunden, mit Sandstein gemauerten Eingangsbogen der Haupttüre. Dann ging er auf und ab und befürchtete, dass sein Gesprächspartner wieder verschwunden sei.

Doch er wurde beobachtet.

Nach einer weiteren Viertelstunde wollte Falkenstein aufgeben und wieder nach Hause fahren. Er zuckte mit der Schulter und trat auf den Gehweg.

Der Chef, der ihn nicht aus den Augen ließ, instruierte seinen Mann fürs Grobe.

„Verfolg ihn. Er ist bestimmt mit dem Auto hergekommen. Fahr mit ihm in eine Seitenstraße. Check die Lage. Wenn du auch nur den kleinsten Verdacht hast, dass dies eine Falle ist, verziehst du dich. Wenn alles ok ist, rufst du mich an und ich komme dahin. Verstanden?“

„Klar. Ich bin doch nicht blöd.“

Genau das dachte der Chef aber.

Olav Ortega hingegen erledigte seine Aufgabe sicher.

Als er Falkenstein an seinem Benz ansprach, war dieser erschrocken, fasste sich aber sofort wieder.

„Ich habe keinen Parkplatz gefunden und musste dreimal auf und ab fahren. So ist es später geworden.“

Ortega öffnete die Beifahrertür und ließ sich auf den Sitz fallen.

„Schon gut. Fahren Sie in die nächste ruhige Seitenstraße. Mein Chef will sich mit Ihnen unterhalten.“

Falkenstein stieg ebenfalls ein und legte geräuschvoll den ersten Gang ein.

Ortega drückte die Kurzwahltaste auf seinem Handy und erklärte dem Chef die Lage.

Als der Chef zwanzig Minuten später mit seinem Mann fürs Grobe den Platz im Benz tauschte, war Falkenstein sehr nervös.

„Ich will nichts über Sie wissen. Nur das Eine. Können Sie es tun? Können Sie mich töten?“

„Wie haben Sie sich das vorgestellt?“

Falkenstein erzählte seine Geschichte und endete mit den Worten, es solle sehr schnell und schmerzfrei gehen.

„Aber warum lassen Sie sich umbringen? Sie können es nicht selber tun? Es gibt da noch die Möglichkeit in der Schweiz. Dort ist Sterbehilfe erlaubt.“

„Aber nur Passive. Man bekommt einen Sterbebegleiter, muss aber das Gift selber zu sich nehmen. Ich kann das nicht! Ich habe das schon mehrmals versucht. Ich habe auch versucht, mich zu erschießen oder mit dem Wagen gegen eine Wand zu fahren. Ich kann auch keine Tabletten schlucken. All das geht nicht. Es ist wie eine Brücke. Ich möchte auf die andere Seite, kann aber keinen Schritt tun. Ich schaffe es einfach nicht. Sie müssen es tun!“

Friedhelm Gottlieb überlegte. Es erschien ihm plausibel, was Falkenstein da sagte.

„Ok. Und an welche Todesart hatten Sie da gedacht?“

„Das ist mir egal. Hauptsache, es geht schnell und tut nicht so weh.“

„Also erschießen?“

„Ja. Kann sein.“

„Wie nun? Ja oder nein?“

„Herrgott nochmal, das weiß ich doch nicht! Ist es denn so schwer, jemanden umzubringen?“

„Na ja. Sie konnten es doch auch nicht. Aber machen Sie sich keine Gedanken. Wir erledigen das. Wollen wir jetzt gleich?“

Mit diesen Worten holte der Chef seine Pistole aus dem Mantel.

„Was? Jetzt sofort? Nein. Ich muss noch etwas regeln. Meinen Nachlass!“

„Es war auch nicht ernst gemeint. Schließlich müssen Sie uns vorher bezahlen. Hinterher macht das wenig Sinn.“

„Was verlangen Sie genau?“

Gottlieb pokerte nun. Nach kreisförmigen Bewegungen mit dem Kopf und mehrmaligem „Hmm ... hmm ... hmm“ kam seine Antwort zögernd.

„Sechzigtausend müssen es schon sein.“

„Sie sagten am Telefon aber etwas von fünfzigtausend Euro!“

„Na ja, wissen Sie, wenn Sie tot sind, können Sie mit dem Geld doch sowieso nichts mehr anfangen.“

„Das ist wohl richtig. Also gut. Sechzigtausend. Und machen Sie es morgen Vormittag. Rufen Sie mich um neun Uhr an und sagen Sie mir, wo ich hinkommen soll.“

Friedhelm Gottlieb stieg aus, ohne ein weiteres Wort zu verlieren und ging zu seinem Helfer, der im Auto hinter Falkenstein gewartet hatte.

Olav Ortega war neugierig, was das Gespräch ergeben hatte.

„Und Chef? Wie ist es gelaufen? Sollen wir ihn nun kalt machen oder nicht?“

„Klar sollen wir. Aber erst morgen. Er besorgt die Kohle. Wir machen einen Treffpunkt aus und erledigen die Sache.“

„Erst morgen? Aber heute spielt doch St. Pauli gegen Köln. In Hamburg!“

„Das kannst du haken. Dafür hauen wir jetzt in Frankfurt auf die Pauke. Ich habe da noch einen Spezi von früher. Den ruf ich mal an und frag, in welchem Puff wir uns treffen wollen.“

Damit war Ortega sehr zufrieden.

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