Читать книгу Ein Leben für die Einschlussforschung – ein Freiberger Mineraloge erzählt - Rainer Thomas - Страница 13

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Ende des Studiums

Mit dem Thema „Untersuchungen von Flüssigkeitseinschlüssen in Mineralen der Fluorit-Baryt-Mineralisationen der DDR“ haben Professor Ludwig Baumann und Dr. Otto Leeder genau meinen „Nerv“ getroffen. Dr. Leeder hatte bereits zwischen 1960 und 1965 in seiner Zeit als Assistent/Oberassistent am Mineralogischen Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) im Rahmen der Vorbereitungen zu seiner Dissertation „Geochemie der Seltenen Erden in natürlichen Fluoriten und Calciten“ 1965 an der Bergakademie erste Erfahrungen bei der Präparation der Flußspatproben mit den Flüssigkeitseinschlüssen gemacht. Ich war zwar durch die Gespräche mit Dr. Popov auf unseren Spaziergängen in Grüna schon etwas eingestimmt, aber der erste mikroskopische „Kontakt“ mit dieser Mikrowelt im September 1968 hat mich nach Anfangsschwierigkeiten nachhaltig fasziniert. Diese Schwierigkeiten am Beginn solcher Arbeiten resultierten aus der Unerfahrenheit mit dem Erscheinungsbild der meist sehr kleinen Flüssigkeitseinschlüsse unter dem Mikroskop. Zwischen der mikroskopischen Petrografie anhand von Dünnschliffen mit einer Dicke von rund 25 µm und den Untersuchungen von Flüssigkeitseinschlüssen in unaufgeklebten und polierten Mineralpräparaten mit einer Dicke von 200 bis 500 µm liegen Welten. Dieses Problem hat viele „Einsteiger“ am Anfang verzweifeln lassen – manche haben diesen „Schock“ nie überwunden.

Auch heute noch, nach über 40 Jahren Einschlussforschung, ist die Präparation der notwendigen Dickschliffe keine ganz einfache Sache. Darauf werde ich später nochmals eingehen.

Die praktische Seite der Arbeit (Probennahme in der Flußspatgrube Schönbrunn) wurde von Herrn K.-H. Bernstein (1937–2013) aus dem VEB Geologische Forschung und Erkundung Halle, Betriebsteil Freiberg (Kirchgasse) betreut. Herr Karl-Heinz Bernstein besaß auch eine umfangreiche Literaturkartei und viele Sonderdrucke von meist russischen und tschechischen Arbeiten zu Flüssigkeitseinschlüssen in Fluoriten und Baryten, die ich ausgiebig genutzt habe. Auch RGW8-Informationen standen zur Verfügung (Thema II-1.4 Land SSR, Prag, Juni 1968).

Gleich bei meinem ersten Besuch der Dienststelle in der Kirchgasse ist mir Bernsteins Kauzigkeit aufgefallen. Ich war mit dem Sichten der Lochkarten nach Einschluss-Literatur beschäftigt, als das Telefon läutete. Es war gerade Frühstückszeit, die offensichtlich für Herrn Bernstein heilig war. Als das Läuten nicht aufhörte, nahm er den Hörer ab und ohne zu wissen wer an der anderen Seite war, rief er ein lautes Quak-Quak-Quak in das Mikrofon, legte auf und setzte sein Frühstück fort.

Seine kompetent geführte Grubenbefahrung und Probennahme in der Flußspatgrube Schönbrunn im Vogtland hat bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen.

In der gleichen Dienststelle arbeitete auch Frau Mund. Sie hatte als Fräulein G. Scheumann die überhaupt erste Einschlussarbeit an der Bergakademie verfasst.

Da die Arbeiten sehr zeitaufwendig waren, hatte ich von Professor Baumann die Erlaubnis bekommen, die Heiztisch-Untersuchungen zuhause durchzuführen. Dazu nutzte ich ein altes Leitz-Mikroskop und einen Boetius M-Heiztisch für den Temperaturbereich 20 bis 360° C aus dem mineralogischen Institut. Nach einem Umbau in der Institutswerkstatt konnte er bis 400° C eingesetzt werden.

Neben der eigentlichen mikroskopischen Arbeit zur Bestimmung der Homogenisierungs-Temperaturen sollten auch Informationen zur Zusammensetzung der Einschlusslösungen gewonnen werden. Dazu habe ich die Einschlüsse in den Fluoritproben durch Mahlen einer Kornfraktion mittels Achat-Kugelmühle geöffnet und den Einschlussinhalt mittels doppelt destillierten Wassers herausgelöst. Vor der Analyse wurde der Extrakt in einer großen Quarzglas-Schale eingedampft. Dabei zeigte sich randlich ein rosafarbener Saum, der sich beim weiteren Erhitzen blau färbte. Dr. Leeder war begeistert: Kobalt – ein wichtiger Hinweis auf die Herkunft des Fluors aus dem Mantel! Ich war aber skeptisch, und im alten Remy aus dem Jahr 1950 (Lehrbuch der Anorganischen Chemie, von Siegfried Hahn gegen eine Chronik von Annaberg eingetauscht) fand ich, dass in den verwendeten Wolframkarbid-Kugeln bis 10 % Kobalt enthalten ist. Also: beim Mahlen ging Kobalt in Lösung, die „Mantel-Hoffnung“ zerrann und meine Skepsis gegenüber der Wirkung des Mantels auf die oberflächennahen, niedrigthermalen Mineralisationen wuchs weiter.

Da ich in der Gesamtschau kein förderungswürdiger Student war, kam für die Institutsleitung eine direkte Weiterbeschäftigung als Forschungsstudent nicht infrage. Mit der Diplomverteidigung im Juli 1969 fand somit das Einschluss-Kapitel erst einmal ein abruptes Ende. Professor Rösler schickte mich als Diplom-Mineraloge ins Stahlwerk Riesa (VEB Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk Riesa), nachdem ich eine Beschäftigung als Mineraloge in der Tongrube Wetro strikt abgelehnt hatte. An Tonmineralen hatte ich absolut kein Interesse. Das geht einmal auf mein Interesse an Pegmatiten und insbesondere auf Diskussionen am Ende des ersten Studienjahres als Reaktion auf die sehr schlechte Einführungs-Vorlesung von Prof. Rösler zurück. Das eigene Kümmern um einen geeigneten Arbeitsplatz war uns anfänglich strengstens untersagt, das wurde aber, als es ernst wurde, stillschweigend für einzelne aufgehoben. In Riesa begann ich im September 1969 eine Tätigkeit als Feuerfest-Ingenieur in der TKO (Technische Kontroll-Organisation) unter der Leitung von Frau Stopper. Die Arbeit war extrem stupide, hatte aber auf meinen politischen Background einen nicht zu vernachlässigten Einfluss. Im Umgang mit den Zulieferbetrieben von Feuerfestmaterialien lernte ich Praktiken kennen, die dem idealisierten sozialistischen Weltbild, wie man es uns in der Schul- und Studienzeit zu vermitteln versuchte, widersprachen. Ein Beispiel: Für die Auskleidung der 70t-Stahlpfannen benötigte man große Mengen an Feuerfeststeinen, die unter anderem aus Aken an der Elbe angeliefert wurden. Unsere Aufgabe als Angestellte (zusammen mit Herrn Meier, als Meister beschäftigt, und einem Hilfsarbeiter, Windschüttel genannt) der TKO war es, zu prüfen, ob die Lieferung auch den Qualitätsanforderungen entsprach. Bis dahin gibt es keine Einwände. Aber eine wichtigere Aufgabe war es, die „normabweichenden“ Steine auszusortieren und sie in der Lieferung so zu verteilen, dass sie auf jeden Fall bei einer Kontrolle gefunden werden mussten. Anschließend wurde der Herstellungsfirma mitgeteilt, dass die Lieferung nicht qualitätsgerecht erfolgt war und dass wir um Ersatz bitten – der Extremfall des kostenlosen Ersatzes stand im Vordergrund. Manchmal kam dann von der Produktionsfirma ein Vertreter zur Kontrolle und ist regelmäßig in unsere „TKO-Falle“ getappt. Ergebnis: Wir bekamen eine kostenlose Ersatzlieferung und die beanstandete Lieferung blieb auch im Besitz des Stahlwerkes, da ein Rücktransport nicht infrage kam – also doppelter Gewinn. Betrug auf sozialistische Art. Auch der Umgang mit den kaum lösbaren sozialen Problemen des Hilfsarbeiters „Windschüttel“ – ein ehemaliger Polizist aus der Ostlausitz – hinterließen sehr tiefe Spuren. Den richtigen Namen habe ich vergessen.

Summa summarum, diese Beschäftigung machte mir überhaupt keinen Spaß. Da konnte auch die gelegentliche Arbeit mit dem Hochtemperaturmikroskop MHO 2 keine Abhilfe schaffen.

Ich kündigte und bewarb mich im VEB Spurenmetalle Freiberg und kam im Dezember 1969 durch Vermittlung von Dr. Claus ins Technikum auf der Brander Straße in Freiberg. Dieses Technikum gehörte ursprünglich zum 1949 gegründeten Forschungsinstitut für Nichteisenmetalle (FNE) in Freiberg. Ende der Sechziger Jahre kam dieses Technikum als Außenstelle zum am 1. April 1957 gegründeten VEB Spurenmetalle Freiberg (SMF). Die Arbeit in diesem Technikum war der Entwicklung halbleitender Verbindungen, wie Galliumphosphid und anfänglich auch Indiumantimonid für die Optoelektronik gewidmet. Der Schwerpunkt lag auf der Züchtung von Galliumphosphid-Einkristallen aus der nichtstöchiometrischen Schmelze und aus der Gasphase über eine chemische Transportreaktion. Voraussetzung war die Erzeugung von polykristallinem GaP durch eine Druckreaktion aus den ultrareinen Elementen im gleichen Technikum unter der Regie von Ewald Möller, Dieter Ahlbrecht, Eberhard und Karin Zuber sowie Klaus Hädecke.

8 Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (kurz RGW) war eine internationale Organisation der sozialistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion.

Ein Leben für die Einschlussforschung – ein Freiberger Mineraloge erzählt

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