Читать книгу Leben - Ralf Glahel - Страница 12
Das Frühstück
ОглавлениеDie letzten Tage waren für Benedikt unglaublich herausfordernd – überhaupt kann er sich nicht erinnern, wann er zuletzt derart hart gearbeitet hat. Zwei Tage lang hat er versucht (das Erste Mal überhaupt) die Küche, das Badezimmer und das Wohnzimmer sauber zu bekommen. Seine Mitbewohner Sebastian und Hannah amüsiert das ungemein. Hannah kann es überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb man einen derartigen Aufwand betreibt, nur weil jemand zum Frühstück kommt und Sebastian goutierte es, hat ihm aber selbstverständlich nicht geholfen (weil umgekehrt normalerweise er es stets ist, der „sauber“ macht und hierbei jegliche Hilfsbereitschaft vermissen darf). Während er mit dem Resultat von Wohnzimmer und Küche recht zufrieden ist, bleibt das Badezimmer eine kleine und sein Zimmer eine große Katastrophe. Freitag Abend kapituliert er schließlich und begnügte sich damit, dass ohnehin nur Wohnzimmer und Küche relevant seien und die anderen Räume will er ihr einfach vorenthalten.
Beinahe ebenso viel Zeit wie für die Reinigung investierte er um seine Mitbewohner zum fernbleiben zu bewegen. Sebastian ließ sich nach unzähligen Versprechungen schließlich breit schlagen und fuhr zu seinen Eltern nach Hause und bei Hannah muss er sich mit der Hoffnung begnügen, dass die frühe Uhrzeit ein Zusammentreffen der beiden schier unmöglich machen wird.
Seit 06:00 Uhr morgens ist er nun auf den Beinen. Zuerst hat er nochmals einen kurzen Feinschliff in der Küche vorgenommen, ist dann noch schnell zum Bäcker für frische Semmel und hat sich kurz vor 08:00 Uhr zum ersten Mal völlig erschöpft hingesetzt. Nie wieder wird er einem Treffen in der Wohnung zustimmen, das schwor er sich.
Exakt um 08:00 Uhr läutet es.
Eine derartige Pünktlichkeit ist ihm fremd. All seine Freunde kommen stets um mindestens 1 bis 2 Stunden verspätet (wenn sie denn überhaupt kommen), bleiben dann aber auch schon mal ein paar Tage länger. Aber bei ihr war er sich beinahe sicher, dass sie pünktlich sein würde – alles andere hätte irgendwie nicht zu ihr gepasst. Schließlich ist sie ja auch „die Ungewöhnliche“ ;-).
Hallo Benedikt! Wie geht es dir – und ach ja, danke nochmals für die Einladung! :-)
Hallo! Naja, eigentlich hast du dich ja selbst eingeladen, oder?
Hmm, ja stimmt. Aber sieh, wenn wir zusammenarbeiten wollen, dann ist es doch wichtig, dass ich weiß wie du tickst, wie du arbeitest und ja, auch wie du lebst. Sei also wieder so süß wie letztens und nicht so pingelig. Das passt gar nicht zu dir! (dabei setzt sie gekonnt ihr verschmitztetes Lächeln auf und jeglicher Unmut hinsichtlich der enormen Anstrengungen der vergangenen Tage ist bei Benedikt verflogen).
Anfangs will sie noch Ihre Schuhe ausziehen, beim Anblick des Vorraums beschließt sie jedoch diese lieber anzulassen.
Du wohnst alleine hier?
Alleine?
Benedikt musste schmunzeln.
Nein, ich habe zwei Mitbewohner. Alleine würde ich mir die Wohnung niemals leisten können.
Freue mich schon sie kennen zu lernen.
Da muss ich dich leider enttäuschen. Sebastian besucht dieses Wochenende seine Eltern und Hannah steht grundsätzlich nicht vor 14:00 Uhr auf.
Aha!
Was soll das jetzt wieder bedeuten?
Was meinst du?
Dieses Aha! Es hatte einen eigenartigen Unterton inne.
Nun ja, du hast mir soeben zu verstehen gegeben, bis wann ich spätestens verschwinden soll.
Na hör mal, du meintest du kommst zum Frühstück.
Tue ich doch auch, oder? Aber ich habe noch nicht vorab beschlossen wie kurz oder lange dieses heute dauern soll. Du jedoch schon! Das ist nicht sehr höflich, oder?
Benedikt schüttelt nur den Kopf.
Komm bitte weiter. Ich würde vorschlagen wir setzen uns in die Küche. Da ist es gemütlicher als hier im Gang.
Setz dich doch bitte?
Gerne – wohin?
Auf den Sessel?
Leicht verzweifelt blickt Aurinia den Stuhl an.
Sorry, hast du eventuell ein Handtuch? Und fügt noch schnell hinzu: „ein sauberes vielleicht?“.
Benedikt verdrehte die Augen. So eine Zicke hat er noch nie hier gehabt. Wie kann es sein, dass sie auf der Straße so süß war und in Wirklichkeit derart anstrengend? Wortlos geht er ins Badezimmer und kommt ein paar Sekunden später mit einem zusammen gefalteten Handtuch wieder.
Danke! Sei mir bitte nicht bös, aber der Stuhl hier hat doch schon einige Mahlzeiten erlebt. Lächelnd nimmt sie Benedikt das Handtuch ab.
Ich würde vorschlagen du greifst einfach zu. Darf ich dir vielleicht auch einen Kaffee anbieten?
Kaffee ist eine tolle Idee.
Und wie hättest du ihn gerne.
Schwarz – einfach nur schwarz!
So mag ich ihn auch am liebsten. Zum ersten Mal muss er nun endlich lächeln. Eine Gemeinsamkeit haben sie ja doch.
Also, erzähl mir von dir.
Was möchtest du denn wissen?
Mich interessiert wer du bist, was du so machst, wie du deinen Lebensunterhalt bestreitest, einfach alles was dich so ausmacht.
Naja, da gibt es nicht soviel zu erzählen. Ich komme ursprünglich aus dem Südburgenland, bin aber zum Studieren vor 2 Jahren hierher nach Wien gezogen.
Und du studierst Malerei? Nennt man das so?
Nein, ich studiere Architektur. Das Malen ist mein Hobby. Bin auch immer wieder am Überlegen, ob ich es nicht vielleicht doch auch noch professionalisieren soll. Mal sehen, vielleicht bewerbe ich mich ja wirklich noch um einen Studienplatz.
Du bist somit gar kein Künstler?
Ist das wichtig?
Nein, ist es nicht. Dachte halt nur, dass du ein talentierter junger Maler wärst.
Maler bin ich zwar keiner, aber zumindest Künstler ;-). Studiere nämlich an der Kunst – falls dich das eher zufrieden stellt.
Stillschweigend kauen Sie beide an ihrem Frühstück. Benedikt isst genüsslich eine Honigsemmel und Aurinia eine mit Schinken und Käse. Dabei mustert sie in einem fort jeden Teil der Küche.
Du nennst mich also „die Ungewöhnliche“? Bei dieser Aussage lächelte sie wieder auf Ihre ganz eigene bezaubernde Weise. Wie komme ich zu der Ehre?
Die Art und Weise wie du mich angesprochen hast – das war ganz einfach ungewöhnlich.
Du meinst, du bist normalerweise nur mit passiven Frauen zusammen?
So würde ich das nicht sagen, aber es war schon sehr ungewöhnlich, dass sich jemand einfach neben mich setzt, in meinen Unterlagen wühlt, mir ihre Handy Nummer gibt und dann auch noch nach Aktbildern fragt. Die Summe hieraus würde ich meinen verdient durchaus das Prädikat „ungewöhnlich“.
Darf ich mir deine Arbeiten ansehen?
Jetzt?
Naja, wann denn sonst?
Nach dem Frühstück vielleicht?
Du gehst ein großes Risiko ein?
Risiko? Wieso?
Nun, ich frühstücke normalerweise sehr ausführlich – das kann schon ein paar Stunden dauern. Und wenn wir erst danach beginnen deine Arbeiten anzusehen, dann riskierst du, dass ich deiner Mitbewohnerin doch noch über den Weg laufe.
Sie versuchte das so beiläufig und emotionslos als möglich rüber zu bringen, kann sich jedoch ein Grinsen nicht ganz verkneifen. Auch Benedikt lächelt.
„Tja, dann werde ich wohl damit zu leben lernen müssen“, erwidert Benedikt und streicht sich genüßlich seine zweite Semmel.
Wie hat es dir eigentlich gefallen, mal keine Hausfassaden, sondern nackte Frauen zu malen?
Die Hausfassaden sind üblicherweise geduldiger und zappeln nicht so wild rum … aber es war nicht das erste Mal, dass ich mich auch an menschlichen Modellen probiert habe. Aktmalerei gehört auch zu unserem Studium und habe ich letztes Semester bereits belegt.
Dann hattest du ja eh schon Erfahrung?!
Wenn du so willst, ja. Aber es ist etwas anderes in einem Uniraum unter lauter Studenten ein Aktmodell zu malen oder privat. Privat ist es etwas ganz Anderes. Viel intensiver. Ich habe es genossen, es war unglaublich spannend.
Los, hol schon deine Zeichnungen, ich bin echt gespannt.
Es wurde schlussendlich noch ein sehr netter, unaufgeregter Brunch. Aurinia bestaunte Benedikts Zeichnungen (die ihr tatsächlich sehr gut gefielen) und gemeinsam diskutierten sie über dieses und jenes. Zu Mittag wechselten Sie in den nahegelegenen Burggarten, genossen das schöne Wetter und ein klein wenig auch die beiderseitige Gesellschaft.