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Verspätet

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Drei Tage sind nun vergangen. Drei Tage in denen nichts geschehen ist.

Normalerweise wäre sie glücklich, vor allem, wenn man bedenkt, dass sie an jedem der Tage sich zumindest kurz mit Benedikt getroffen hat. Sie mag ihn, sie mag ihn sogar sehr. Er schafft es sie zum Lachen zu bringen, wenngleich ihr bewusst ist, dass sie in vollkommen unterschiedlichen Welten leben. Er ist halt tatsächlich Künstler. Durch und durch. Lebt in seiner eigenen kleinen Welt und wird wahrscheinlich auch nie aus dieser Blase herauskommen. Und trotzdem … mag sie ihn.

Heute ist es so weit – heute hat sie ihn zu sich nach Hause eingeladen. Aurinia blickt auf die Uhr. 16:15 Uhr. In knapp zwei Stunden würde er bei ihr läuten und gerade heute will Ihr Professor noch unbedingt dieses blöde Zwischenergebnis. Ahh, wie sie ihn dafür hasst. Immer und immer wieder verändert sie den Quellcode, aber die erwarteten Ergebnisse stellen sich einfach nicht ein.

Aurinia, was ist los mit dir?

Aurinia schreckte hoch. Sie hat nicht bemerkt, dass ihr Professor direkt hinter ihr steht.

Sorry, wollte dich nicht erschrecken. Ich fühle, dass du heute etwas abwesend wirkst, oder?

Du hast Gefühle? [den Witz kann sie sich einfach nicht verkneifen]. In den vergangenen beiden Jahren, seit sie bei ihm am Institut begonnen hat zu arbeiten, schien ihr Status hin und wieder zu verschwimmen. Es gab mehrere Male Anzeichen dafür, dass sich mehr entwickeln könnte, als nur eine Doktorvater- / Studentenbeziehung. Aber jedes Mal wenn sie gerade wieder ganz knapp davor waren diese Barriere zu überwinden, versaute er es. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob er sich dessen bewusst ist. Selbstverständlich hat sie ihm nie etwas von ihren Gefühlen ihm gegenüber erwähnt. Und er war so …. ahh, sie hasste ihn für seine Nüchternheit. Benedikt war da glücklicherweise ganz anders. Er ist Gefühl pur. Für ihn gibt es, so scheint es zumindest, gar nichts anderes als Gefühle. Sein ganzes Handeln drehte sich nur darum. In diesem Moment ertappt sie sich, dass Benedikt tatsächlich konträr anders als ihr Professor ist.

Verzeih, aber das war aufgelegt! [ihr freches grinsen hätte jeden Anflug von Gekränktheit sofort im Keim erstickt. Aber das ist gar nicht notwendig. Er mochte ihre lockere Art und er war fasziniert von ihrem Intellekt].

Also, wo ist das Problem?

Es funktioniert einfach nicht. Jede Testreihe verhält sich vollkommen konträr meinen Erwartungen gegenüber. Es passt auch nicht in unser Modell.

Aber du hattest es doch am Freitag schon fertig?

Den Algorithmus ja, … [jetzt wurde sie kleinlaut und verstummte]

… aber du hast es noch nicht getestet gehabt, stimmts?

Sie nickt. Es hätte aber funktionieren müssen. Ich weiß, dass es richtig ist.

Wäre es richtig, würden die Testergebnisse stimmen junge Dame.

Sie ärgert sich. Sie kann mit Kritik nur schwer umgehen, vor allem wenn sie gerechtfertigt ist. Was wenn sie das tun und nur unsere Erwartungen ob dieser Ergebnisse falsch sind?

Hmm, gewagte These.

Ist es ok wenn wir morgen weitermachen. Ich glaube ich brauche ein wenig Abstand und Zeit zum Nachdenken.

In dem Zustand denke ich, würde alles andere ohnehin keinen Sinn machen. Wünsche dir somit noch einen schönen Nachmittag!

Aurinia nimmt ihre Tasche und rennt so schnell sie kann die Treppe hinunter in den Innenhof und hinaus auf die Strasse. 17:00 Uhr, nur noch eine Stunde bevor Benedikt bei ihr läutet. Zum Glück ist ihre Wohnung nur wenige Gehminuten vom Institut entfernt. Minuten später steht sie unter der Dusche und nach weiteren drei Minuten hat sie sich bereits vollständig neu adjustiert. Anders als bei Benedikt muss sie nicht extra aufräumen. Bei ihr ist es stets sauber. Eigentlich Zeit ihres Lebens war es bei ihr immer sauber. Soweit sie sich zurück erinnern kann, hasste sie von Beginn an Unordnung. Unordnung macht sie nervös. Benedikts Wohnung hat sie nervös gemacht. Das war auch der Grund weshalb sie vor wenigen Tagen ihren Besuch bei ihm abgebrochen und in den Park verlegt hatte. Nein, seine Wohnung bietet keinen Platz für … egal was.

Sie öffnet die Terassentüre und lässt die warme Abendluft in ihr Wohnzimmer strömen. Sie atmete tief ein und genießt diesen Moment. Nur Zehntelsekunden danach, breitet sie sämtliche vorbereitete Zutaten auf Ihrer Kochinsel aus, beginnt die Cocktailtomaten zu waschen und in kleine Dreiecke zu schneiden und alles wunderschön auf vorgekühlten Tellern zu drapieren.

Nur noch 5 Minuten bis sechs Uhr. Aurinia hat soeben alle Utensilien die sie zur Vorbereitung benötigte abgewaschen und wieder ordentlich verstaut und den Tisch auf der Terasse fein säuberlich gedeckt. Sie ist zufrieden mit sich.

Erneut blickt sie auf die Uhr. 18:05 Uhr. Sie fasst es nicht. Wie kann man sich beim aller ersten Mal verspäten? 18:10 – noch immer keine Spur von ihm, noch nicht einmal eine SMS dass er sich verspätet. Gerade als sie kurz davor ist, das Essen im Mistkübel zu entsorgen klingelt es.

Bin ich zu unbeherrscht? Wahrscheinlich. Sie erinnert sich, dass sie geduldiger werden muss, dass er nun mal Künstler ist und … aber selbst Künstler sollten der Uhr mächtig sein.

Sie atmet tief ein, hält kurz inne und atmet dann langsam wieder aus. Das hilft ihr im allgemeinen besser als alles andere. Was ist schon eine Viertel Stunde, oder?

Leben

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