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Kapitel 5
Entführung

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Ich kam vom Spielen, das Knie aufgeschlagen, es blutete. Kurz vor der Haustüre, die ich schon berührte zum Aufmachen, hörte ich meinen Namen.

„Isabella-Isabella, bleib stehen, eine Überraschung“, ich kannte die Stimme, irgendwie.

Ich stand wie angewurzelt, drehte mich langsam um.

Ein grauer Opel Blitz Kleinlaster mit geöffneter, zurückgeschobener Seitentür stand da an der Straße, direkt am Eingang meines Wohnhauses.

Die „neue Mama“ winkte fröhlich aus dem Auto, auf dem Arm das Bärbelchen, der neue Mann saß am Steuer des Lieferwagens.

„Isabella, komm her, die Überraschung", rief meine „neue Mutter".

„Wir machen einen Ausflug.“

„Oh ja“, rief ich begeistert.

„Steig ein, Isabella, schnell", antwortete Anne, meine Mutter.

„Aber Mama und Papa?“ fragte ich plötzlich ängstlich.

„Sie treffen uns“, lachte Anne, „los, beeile dich!“

Ich stieg ein.

Wir fuhren lange, es war so schön.

Irgendwann fing Bärbelchen an zu weinen, und Anne, meine Mutter, gab ihr ein Fläschchen, das vorbereitet in einem Körbchen eingewickelt stand.

Ich fühlte mich auf einmal müde und schlief ein.

Ein sanftes Rütteln weckte mich auf.

Es war dunkel, der Wagen hatte angehalten, alle stiegen aus, ich kletterte schlaftrunken aus dem Fahrzeug und schaute mich um.

Bei spärlicher Beleuchtung sah ich einen großen Platz, der eingezäunt war, mit hohen Blechwänden.

Das große Eingangseisentor war ganz zurückgeschoben, stand auf, wir alle liefen durch das Tor.

Ich sah ganz viele Fahrzeuge, Wohnwagen aus Holz, Campingwagen, ein aufgebautes Zelt mit bunter Plane, Autos, Kleinlaster.

Charlie, der Freund meiner Mutter, fuhr seinen Lieferwagen durch das Tor, stieg aus und schob es zu, schloss ab.

„Mama, Papa, wo sind sie?“ fragte ich Anne unbehaglich.

„Isabella, es ist schon spät und dunkel, sie können heute Abend nicht da sein", sagte Anne, etwas unwirsch.

„Das verstehst du doch, du bist doch schon groß“.

Ich war noch keine sechs Jahre alt.

Ich nickte tapfer, kämpfte mit den Tränen.

„Aber morgen?“

„Morgen werden sie kommen", sagte Anne.

„Ja morgen“ wiederholte ich, fühlte mich kalt und verloren.

„Jetzt gibt es was zu essen", sagte Charlie, ihr neuer Mann,

„Dann sieht die Welt ganz anders aus“, er lachte mich an.

Anne nickte dazu.

Wir alle stiegen die Treppe eines Holzwohnwagens hinauf und gingen nacheinander durch die Tür.

Ich betrat das allererste Mal einen Wohnwagen, ich sah mich um.

Im vorderen Bereich war eine kleine Küche eingerichtet mit kleinem Tisch, einer Eckbank und zwei Stühlen.

In der Mitte des Wagens gab es eine Art Wohnzimmer mit herunter klappbarer Schlafmöglichkeit.

Seitlich war ein eingebauter Kleiderschrank.

Im hinteren Bereich gab es noch eine schmale Schlafmöglichkeit, mit ebenfalls einem größeren Einbauschrank, schmal und hoch.

„Setz dich auf die Eckbank", sagte Charlie.

Bärbelchen wurde versorgt mit Windeln und einem Fläschchen, dann aßen wir zu Abend.

Sie waren freundlich zu mir. Ich hatte keinen Appetit und Mühe nicht zu weinen.

Ich wollte meine „Eltern“ bei mir haben. Der Schmerz nagte in meinem Magen, ich fühlte mich so hilflos.

Mir war schlecht.

Anne ging in den hinteren Bereich des Wohnwagens und zeigte mir das schmale Bett, das schon mit einem Kissen und einem Deckbett ausgestattet war.

„Hier kannst du schlafen", sagte sie, und zeigte mir noch eine größere Schüssel und Seife, auch ein Handtuch.

„Hier kannst du dich waschen, für heute. Wenn du Pipi musst, schau her, ist hier noch ein Eimer dafür, und wichtig“- sie schaute mich eindringlich an.

„Mit dem Eimer gehst du bitte raus aus dem Wagen und erledige dein Geschäft draußen, weil Pipi machen und das große Geschäft ist in dem Wohnwagen nicht erlaubt.“

Ich starrte Anne an.

„Na komm, ich zeige dir, wie das geht“, überspielte Anne meinen entsetzten Gesichtsausdruck.

Wir gingen raus, die schmale Holztreppe nach unten. Mama zog mir die Hose runter.

„So, jetzt kannst Du pullern oder was Du sonst so musst“, befahl sie, schob mir den Eimer unter den Hintern.

„Und vergiss das Toilettenpapier nicht, das hinter dem schmalen Schränkchen in deinem Abteil steht", ermahnte sie mich.

Ich nickte.

„Geht doch“, lachte sie zufrieden, als ich fertig war.

„Ab nach drinnen, waschen, und ins Bett!“

Alle gingen schlafen, Charlie mit Anne im Mittelteil des Wagens. Bärbelchen schlief in einem Korbwagen in der Nähe des Bettes.

In der ersten Nacht hat mir die Angst fast die Besinnung genommen.

Ich hörte fremdartige Geräusche und lachen, reden von Leuten draußen, die noch nicht schliefen.

Ich betete, dass meine Großeltern morgen kämen, um mich wieder mit nach Hause zu nehmen.

Ich machte mich ganz klein und rund, zog die Beine an, wickelte das Deckbett fest um mich.

Irgendwann schlief ich ein.

Ich fragte jeden Tag, warum kommt Mama und Papa mich nicht holen.

„Sie können nicht kommen", sagte Anne und schaute irgendwie traurig aus.

„Dein Papa ist im Krankenhaus, er ist sehr krank, sie können dich nicht abholen.“

In meinem Kopf hämmerte es unablässig,

Er kommt nicht, er kommt nicht. Warum? War ich böse?

Was ich damals nicht wusste: meine Mutter hatte einen Antrag beim Jugendamt gestellt, um bei ihr zu leben.

Es war zugestimmt worden, da mein Opa schwer an Krebs erkrankt war. Das Jugendamt hatte es genehmigt ohne Überprüfung meiner Unterkunft.

Ich wartete und wartete, jede Minute, jede Stunde, jeden Tag.


Ausgesetzt

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