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Kapitel 6
Charlies Familienclan

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Es waren einige Leute auf dem großen Platz. In dem bunten Zelt, das ich bei meiner Ankunft gleich bemerkte, waren Pferde eingestellt. Die ganze Familie von Charlie, des neuen Freundes meiner Mutter, waren alle da. Es waren viele Leute. Sie begrüßten mich freundlich, sagten, dass ich hübsch sei.

Ich starrte alle an, fühlte mich so alleine.

Charlie lachte dazu: „Das wird schon“ sagte er zu mir.

„Das sind meine Eltern“, stellte mir Charlie seine Eltern vor.

Ich bemerkte zwei ältere Leute, die ein wenig abseits standen. Ich wurde von Charlie in ihre Richtung geschoben, ich sah auf. Eine etwas korpulente Frau mit kunstvoll hochgesteckten roten Haaren stand vor mir. Ihre Augen waren blau, die Nase schmal, ebenso der Mund. Sie hatte ein blaues Kleid an, das ihr gut stand. Um ihren Hals trug sie ein Collier aus weißen und blauen Steinen, an ihren Ohren hingen lange aufwändige tropfenförmige Ohrringe, die zu dem Collier passten. An ihrer einen Hand trug sie noch den dazugehörigen großen Ring. Ihr Armgelenk war bestückt mit einem breiten, mit Münzen behangenen schweren Armband.

Wirklich, so was hatte ich noch nie gesehen.

„Hallo, Isabella!“ Ihre Augen blickten freundlich, ihre Hand bewegte sich nach vorne, um mein Gesicht zu berühren.

Entsetzt wich ich zurück.

Charlie, der hinter mir stand, hielt mich an den Schultern fest.

„Schau, Isabella, du musst wissen, das ist meine Mama und jetzt deine neue Oma Elsbeth, und hier, dieser Mann, ist mein Papa, und jetzt dein neuer Opa Adolf.“

Er bückte sich zu mir, umfasste meine Hände.

„Du weißt doch, dass wir alle eine große Familie sind“.

Ich riss meine Augen auf und starrte auf den vorgestellten neuen „Opa“.

Ich sah eine großen schlanken Mann vor mir, mit vollen weißen Haaren, eisblauen Augen, einer gebogenen

schmalen Nase, ebenfalls einem schmalen Mund, mit einem schmalen weißen Oberlippenbart. Er war gekleidet mit einem karierten Baumwollhemd, einer helle Hose und Reitstiefeln. Er schaute mich fast unbeteiligt an. Als ich seinen Blick auf mir spürte, fröstelte mich, ich fühlte die unangenehme Kälte, die mitleidlose herrische Ausstrahlung seiner Persönlichkeit, und fürchtete mich.

„Oma“ und „Opa“ sollte ich sagen? Ich sah Charlie an, schüttelte den Kopf.

„Nein, Oma und Opa will ich nicht sagen, und überhaupt will ich die alle nicht haben!“ sagte ich bockig.

Sie waren so laut und so anders.

„Ich will nach Hause, wann komme ich heim?“ Ich bekam keine Antwort.

Charlie lächelte, nahm mich an der Hand und brachte mich zu Anne, die mit Bärbelchen beschäftigt war.

Meine Mutter zeigte mir mit viel Geduld, wie ich Bärbelchens vorbereitetes Fläschchen aus der Warmhaltebox nehmen musste, übte mit mir, wie ich sie Bärbelchen zum Trinken geben sollte, mit Bäuerchen und so.

„Und wenn du sie dann ins Bettchen zurücklegst, pass auf das Köpfchen auf, stütze es ab. Lass sie niemals fallen, hörst du, Isabella? Mama muss spät abends arbeiten, damit wir was zu essen haben. Das verstehst du doch? Ich hab dich ganz fest lieb“. Sie streichelte mir über den Kopf.

Ich schaute sie an.

Mama arbeitete jetzt nachts in einem amerikanischen Offiziersclub hinter der Bar.

Charlie war in der Nacht auch nicht da.

Ich versorgte Bärbelchen, wenn sie weinte, Hunger hatte, wie Mama mir gezeigt hatte.

Ich weinte mich fast jede Nacht in den Schlaf. „Papa, wann kommst du?“

Der Freund meiner Mutter war lustig, er machte oft Musik, spielte Akkordeon, es gab Partys und Feste auf dem Platz.

Die Feste gingen oft bis tief in die Nacht.

Am Tag war ich oft im Zelt, wo die Pferde standen, und freundete mich mit einer Stute an, die Fanni hieß.

Das Pony ließ mich kurzfristig mein Heimweh vergessen.

Ich wartete.

Ansonsten half ich Anne ein bisschen beim Haushalt und mit Bärbelchen, die ich auf dem Platz in einem Kinderwagen hin und her fahren durfte. Ich holte für den Abwasch Wasser in einem Eimer, es gab kein fließendes Wasser auf diesem Grundstück. Das Wasser wurde in großen Milchkannen mit Deckel von den Arbeitern beigeschafft, die bei Charlies Familie die Pferde versorgten und auch die Fahrzeuge strichen. Das Wasser musste bei einer 1 km weit entfernten Tankstelle eingefüllt werden. Das war oft dreimal am Tag mal nötig, da auch die Pferde getränkt werden mussten. Pferde brauchen viel Wasser. Die großen Kannen standen auf einem Holzanhänger mit Deichsel, der von den Männern mit der Hand gezogen wurde.

Bemerkenswert fand ich auch, dass alle Leute mit ihren Pipieimer, der an jedem ihrer Wagen an der Ecke stand, morgens in eine Ecke auf dem Platz liefen und in ein großes ausgeschaufeltes Erdloch den Inhalt leerten.

Meine „neue Mama“ musste auch den Eimer von Charlies Eltern ausleeren, was ich wirklich eklig fand.

In der Zeit, in der ich nicht beschäftigt war, saß ich auf der Holztreppe des Wohnwagens und starrte auf das große Eisentor, das direkt geradeaus vor unserem Wagen zu sehen war.

Mit seinen senkrecht eingesetzten Gitterstäben wirkte es auf mich wie ein gefährliches Monster, das mir seine riesigen Zähne zeigte.

Ich wartete. Wann kommst du?

Ich zermarterte mir den Kopf, warum mein Papa mich nicht abholen kam.

Es gab keine Kinder zu spielen.

Ich war so allein.

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