Читать книгу Ich habe dich im Auge - Ramona Paul - Страница 15

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Ich sah den Mann an und erkannte ihn sofort. Mr. F. Seine Augenbrauen waren nach oben gezogen. Besorgt musterte er mich.

„Ja.“ Ich nickte leicht benommen. „Ja, alles okay.“

„Ich hätte dieses Arschloch nicht weglaufen lassen sollen!“, sagte er mit wütendem Unterton.

Einen Moment lang betrachtete ich ihn einfach nur und versuchte mich zu beruhigen. Ich konnte meinen Herzschlag hören.

„Danke!“

Er nickte mir kurz annehmend zu. „Nun, du solltest wahrscheinlich zur Polizei gehen“, sagte er in forderndem Ton, welcher das Wort wahrscheinlich unbedeutend werden ließ.

Nach einem tiefen Atemzug stimmte ich ihm mit einem Nicken zu.

Es waren nicht weiter nur Drohungen, eine Verfolgung aus der Ferne oder ein Anruf, bei dem sich niemand zu Wort meldete; es war nicht weiter nur eine Art von Stalking, sondern ein körperlicher Übergriff. Und wer wusste, was er noch vorgehabt hätte, wenn Mr. F. nicht dazwischengegangen wäre.

Die Frage war, ob es sich um den ein und denselben Mann handelte oder es ein unglücklicher Zufall war und es sich um zwei verschiedene Männer handelte.

Ich stand auf und schnappte mir meinen schwarzen Turnbeutel. „Dann werde ich mich wohl gleich auf den Weg machen.“

Die nächste Polizeistation war ganz in der Nähe. Es war dasselbe Revier, auf dem ich vor zwei Jahren wegen Chris gewesen war.

Auch Mr. F. war auf den Beinen und hing sich seine Sporttasche auf die Schulter. „Ok, in welche Richtung müssen wir?“

Wir? Ich sah ihn fragend an, während wir zurück auf den Gehweg spazierten.

Falten bildeten sich auf seiner Stirn, als er mich ansah. „Nun, ich werde den Teufel tun und dich, nachdem was gerade passiert ist, oder fast passiert wäre, allein ganz egal wohin laufen lassen. Übrigens bin ich ein Zeuge, also wollen die sicher auch mit mir sprechen. Wenn du aber nicht willst, dass ich mit dir komme, warte ich so lange, bis eine Freundin bei dir ist und dich begleitet.“

Mr. F. war also ein Beschützer-Typ. Genau genommen war er heute mein Schutzengel. Ich hatte Glück, dass mich jemand gefunden hatte.

Mir wurde bewusst, dass ich weniger ängstlich war als in einer solchen Situation für gewöhnlich üblich. Ich war eher wütend, was das verängstigte Gefühl etwas in den Hintergrund stellte. Wütend auf diese Person, die das zu verantworten hatte. Ebenso wütend auf den kleinen Verdacht, es könnte sich um Chris gehandelt haben.

„Na gut. Wenn du willst. Ist vielleicht gar keine schlechte Idee“, stimmte ich zu und bemerkte, dass ich vor Aufregung zitterte.

Schweigend liefen wir die ersten Minuten nebeneinander her. Ich hatte das Gefühl, als würde er nicht wissen, was er in dieser Situation am besten sagen konnte. Stattdessen fragte ich ihn: „Wie hast du mich denn eigentlich gefunden?“

„Nun, als ich aus dem Studio bin, dachte ich aus dem Augenwinkel gesehen zu haben, wie jemand vom Gehweg gezogen wurde. Beim Vorbeilaufen habe ich allerdings nichts bemerkt und bin weiter. Ich dachte ich hätte mich getäuscht.“ Er schüttelte leicht den Kopf und sah geradeaus. „Es ließ mich aber einfach nicht los. Wieder und wieder musste ich daran denken, was ich vermutete aus dem Augenwinkel gesehen zu haben. Ich bin zurück und habe genauer nachgesehen. Da habe ich dich relativ schnell entdeckt“, antwortete er. Den Blick nach vorn gerichtet. „Gott sei Dank bin ich zurück!“

Nach einer weiteren Minute sah er mich an. „Dir geht es wirklich gut, Alessa?“

Ich öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch es verschlug mir die Worte. Dann sah ich ihn an und mein Mund verzog sich zu einem schwachen Lächeln.

„Ja, mir geht es gut. Ich …“ Zögernd sah ich zu Boden. „Ich bin einfach wütend.“

„Wütend? Bist du gar nicht verängstigt?“

„Doch, ja. Schon etwas. Aber hauptsächlich bin ich wütend. Ich … Ich glaube, ich weiß wer es war. Na ja, es ist eher eine vage Vermutung.“

Abrupt blieb er stehen. „Wie, du weißt wer das vielleicht war?“

„Nur eine vage Vermutung!“ Ich atmete einmal tief durch, bevor ich weitersprach. „Mein Ex-Freund.“

„Oh.“ Seine Beine setzten sich wieder in Bewegung. „Lass mich raten. Ihr habt euch nicht im Guten getrennt?“

„Ist eine längere Geschichte.“ Ich zuckte mit den Schultern.

„Verstehe.“ Mr. F. sah mich mit dem Lächeln an, mit welchem er so unverschämt attraktiv aussah.

Ich wollte ihn nicht weiter Mr. F. in Gedanken nennen. Schließlich war er heute mein Schutzengel und verdiente einen richtigen Namen. Zwar würde ich seinen Namen gleich bei der Polizei erfahren, wenn er sich bei den Beamten vorstellte, doch ich wollte nicht länger warten.

„Ehm …“ Mir war es etwas unangenehm, dass ich seinen Namen vergessen hatte, obwohl er sich an meinen, nach all den Monaten, erinnern konnte.

„Ja?“ Er sah mich an.

Ich lachte schwach auf. „Ehrlich gesagt kann ich mich an deinen Namen nicht mehr erinnern.“

Um seine Lippen zuckte es zu einem Grinsen. „Nun, das ist auch schon ein paar Monate her. Ich nehme es dir also nicht übel“, sagte er und zwinkerte mir zu. „Wie heißt du mit Nachnamen?“

„Ahrens.“

„Ms. Alessa Ahrens, darf ich mich vorstellen? Finn Reichel.“ Er strahlte mich an und reichte mir seine Hand entgegen.

Finn war es gewesen. So schlecht war mein Gedächtnis gar nicht.

„Freut mich.“ Ich ergriff seine Hand und zuckte von der Berührung zusammen. Nicht weil sie sich nicht gut angefühlt hätte, sondern weil sie mich daran erinnern ließ, wie der Maskierte meine Hände mit seiner fixiert hatte. Sofort strömte das Adrenalin wieder durch meinen Körper.

„Tut mir leid.“ Finn löste den Händedruck und zog seinen Arm zurück.

Kaum wahrnehmbar schüttelte ich den Kopf. „Alles ok.“

Ein paar Minuten liefen wir schweigend nebeneinander her.

„Wusste ich es doch. Ein kurzer Name mit einem F“, murmelte ich vor mich hin, als ich mich etwas beruhigt hatte.

„Du hast also über mich nachgedacht?“, sagte er schmunzelnd. Die Erkenntnis schien ihn zu freuen.

„Vielleicht.“

„Hm“, amüsierte er sich.

Wenige Häuser weiter sah ich das Schild der Polizeistation. Davor parkten zwei Polizeiwagen.

Ich hatte kurz vergessen, was unser Ziel war und was vor zwanzig bis dreißig Minuten passiert war. Finn hatte es geschafft mich abzulenken - wenn auch nur für einen Moment.

Ich habe dich im Auge

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