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Fremd bin ich eingeboren

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Die Mutter wohnte zuerst im Haus von Eris Nachbarn. Dort hatte man ihr zusammen mit den Geschwistern und Eltern ein Zimmer zugewiesen. Ein Zimmer für die Eltern, zwei Brüder und drei Schwestern. Ein Zimmer für sieben Personen. Sieben Personen aus einem fremden Land, von der Gemeindeverwaltung zwangsweise eingewiesen ins Haus einer Familie im Dorf. Abends um zehn drehte der Sohn des Hauses den Strom ab. Schraubte die Sicherungen heraus. Sein Bruder war nicht zurückgekommen aus dem Krieg.

„Du kamst zur Welt und hattest Haare, so etwas habe ich noch nicht gesehen. Schwarze Haare, viele schwarze Haare, die hingen Dir in die Augen, so lang waren die schon gleich nach der Geburt“, sagte die Großmutter zu Laura, da war Laura schon zehn. So etwas hatte es noch nicht gegeben. Schwarze Haare. Im Dorf waren alle blond oder hatten hellbraune Haare, im schlimmsten Fall. Die Mädchen trugen lange Zöpfe, lange blonde Zöpfe, bis zur Konfirmation.

„Zigeunerin, Zigeunerin“, riefen die Kinder, als Laura mit ihrer Freundin das erste Mal den Spielplatz im Nachbardorf besuchte.

Wechselbalg nannte man im Mittelalter Kinder, die von der Norm abwichen. Manche sahen nur etwas anders aus, hatten zum Beispiel rote Haare, das war teuflisch oder hexig. Manche waren geistig oder körperlich behindert. Da konnte es auch nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Da hatte der Teufel die Hand im Spiel. Wechselbälger sind Teufelskinder, dachte man. Deshalb durfte man sie beseitigen.

Bis ins Mittelalter war Kindstötung an der Tagesordnung. Wenn es zu viele Kinder gab, wurden sie getötet vom Schäfer, oder ausgesetzt, wie bei Hänsel und Gretel.

Auch Martin Luther hatte nichts einzuwenden, wenn man sich dieser Teufelskinder entledigte.

Die Kinder wurden ins Wasser getrieben, das war im Mittelalter üblich. Sie wurden ins Wasser getrieben und ertranken.

Menschen mit einer Borderlinestörung werden von ihren Affekten überflutet und verfügen über keine zureichende Affektkontrolle. Auch Kinder haben es schwer in dieser Hinsicht, denn ihr präfrontaler Kortex, auch Stirnlappen genannt, befindet sich noch in der Entwicklung. Der Stirnlappen fungiert als Hemmungsmechanismus wenn es um Affekte geht. Das Kind schreit und schlägt zu, wenn ihm sein Spielzeug weggenommen wird.

Der gesunde Erwachsene hält inne, überlegt und sucht nach einer gewaltlosen Lösung.

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