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Auf der Brücke

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Sie gehen vorbei am Haus des Nachbarn, biegen rechts ein in den Feldweg, vorbei an der wiederaufgebauten Scheune, abgebrannt vor dreißig Jahren. Brandstiftung. Täter noch immer unbekannt?

Langsam gehen sie an den letzten Fachwerkhäusern vorbei, die Mutter links, Laura rechts, der Vater in der Mitte stützt sich auf die Gehhilfe. Auch mit dem Rollator schafft er nur noch kurze Wege. Manchmal eine halbe Stunde. Zwanzig Minuten. Zehn Minuten. Es wird immer weniger.

Dann links und rechts das Wiesental.

Am Ufer des kleinen Flusses stehen noch immer die Zwetschgenbäume. Der Vater hat sie gepflanzt. Das war in seiner Jugend. Helmut, der mit dem Vater durch die Wälder fährt, weil der Vater sie nicht mehr zu Fuß durchqueren kann, kommt mit dem Hund.

Auf der Brücke passiert es. Da wird Laura überflutet von der Erinnerung:

„Da hinten, wo der Fluss eine Rechtskurve macht, da hat mich die Eri ins Wasser gestoßen. Im Winter. Vorsätzlich. Stellt Euch das einmal vor.“

Laura blickt auf das schmutzig-braune Wasser, das sich träge unter der Brücke hindurchwälzt. Die letzten Tage hatte es geregnet, der steigende Fluß hat viel lehmigen Uferboden mitgenommen. Heute ein regenloser Tag ohne Sonne mit grau verhangenem Himmel. Die feuchte Luft fühlt sich kalt an. Laura knöpft den Mantel zu und wickelt den Schal noch einmal mehr um den Hals bis unters Kinn.

„An diesem Nachmittag hat sie mich zuhause abgeholt. Das war ungewöhnlich, denn Christiane, ihre Schwester, war meine Freundin. Nicht Eri.

‚Wollen wir zusammen am Fluss spielen?’,

hat sie mich gefragt. Ich bin mit ihr gegangen. Habe mir nichts dabei gedacht. Wir liefen durch das nasse Gras.

‚Wir spielen Mutter und Kind’, entschied Eri, ‚du bist das Kind und spielst immer ganz nah am Ufer. Stell dich mal hierher. Ganz dicht ans Wasser. Noch ein bisschen näher. Du hättest immer ganz dicht am Rand gestanden. Da, wo das Wasser anfängt. Wir spielen jetzt, du hättest immer dagestanden und in den Fluss geguckt.’

Laura hat sich dicht ans Wasser gestellt, so wie Eri es gewollt hat. Es regnet und der Ufergrund ist glitschig und aufgeweicht. Laura blickt ans andere Ufer zu den Weiden, über die matschigen Wiesen und in den grauen Himmel.

Plötzlich ist Eri hinter ihr, und Laura spürt einen heftigen Stoß im Rücken, findet sich im kalten Wasser des braunen Flusses. Kein Boden unter den Füßen. Braunes Schlammwasser im Gesicht und in den Haaren. Nur die rechte Schulter und der rechte Arm ragen aus dem Wasser. Irgendwann, nach Sekunden, Minuten, Stunden?, für Laura steht die Zeit still, bekommt sie den Ast einer Weide zu fassen. Wie sie ans Ufer gekommen ist, das weiß sie nicht mehr. Eri hat ihr nicht geholfen. Das ist sicher. Eri stand dabei. Unbeteiligt. Laura hat nichts gespürt. Nicht die Kälte, die durch die nassen Kleider kriecht. Kein Entsetzen. Keine Enttäuschung. Keine Wut.

Mördermädchen

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