Читать книгу Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt - Reiner Tetzner - Страница 71
Sieben gegen Theben
ОглавлениеAls dann das argivische Heer vor die Mauern Thebens gezogen war, forderte Tydeus die Bedrängten zum Zweikampf heraus. Aber wer sich ihm auch stellte, unterlag. Schon bald wagte niemand mehr, sich mit diesem furchtbaren Helden zu messen. Da sandte Eteokles fünfzig Männer aus, die Tydeus einen Hinterhalt legten, aber kein einziger überlebte.
Die Stadt wurde eingeschlossen, und vor jedem der sieben Tore stand einer der sieben Helden mit seinen Kämpfern. Innerhalb der Mauern bewachte Eteokles selbst ein Tor, die übrigen sechs wurden von anderen Kriegern verteidigt. Dann begannen die Belagerer die Stadt zu stürmen. Der gewaltige Kapaneus erstieg eine Leiter und mordete auf den Zinnen der Stadt wie ein blutgieriger Löwe unter einer Herde Schafe. Fürchterlich wütete sein Schwert unter den Verängstigten, die Zeus um Hilfe anflehten.
»Ha«, brüllte Kapaneus, »nichts und niemand wird euch retten! Keiner widersteht mir. Nicht einmal ein Gott vermag mich noch aufzuhalten. Selbst wenn Zeus seine Donnerkeile zündete – euch kämen sie wie schwaches Kerzenflackern vor, verglichen mit dem Brand, mit dem ich Theben in Schutt und Asche lege.«
Der Göttervater machte den Prahlereien mit einem Blitz ein Ende, und das thebanische Heer wagte einen Ausfall. Melanippos gelang es, Tydeus tödlich zu verwunden, doch selbst im Sterben hieb der seinem Gegner noch das Haupt ab. Athena hatte seit jeher Tydeus bevorzugt und eilte mit einer Medizin zur Erde, um ihn unsterblich zu machen. Doch Amphiaraos durchschaute ihre Absicht, reichte dem sterbenden Tydeus Melanippos’ Kopf, worauf der Schreckliche mit letzter Kraft den Schädel spaltete und das warme Hirn schlürfte. Angewidert verschüttete die Göttin den Balsam, und Tydeus kam in die Unterwelt.
Nachdem die beiden mächtigsten Kämpfer gefallen waren, vermochten die anderen Heerführer den Thebanern nichts mehr entgegenzusetzen. Einer nach dem anderen fiel auf dem Schlachtfeld. Als Amphiaraos sah, dass seine Vorhersagen eintrafen, wandte er seinen Streitwagen zur Flucht. Zeus hatte Mitleid mit dem Seher und ersparte ihm die Schmach, mit einer Wunde im Rücken zu sterben. Noch bevor ein Speer ihn tötete, spaltete der Donnerer die Erde: Amphiaraos fuhr in die Unterwelt und ward nie wieder gesehen. Einzig Adrastos entging dem Gemetzel.
So errang Theben einen überwältigenden Sieg. Melanippos war zu betrauern. Und König Eteokles, dem Polyneikes am siebenten Tor entgegengetreten war, wo sie sich, gemäß dem Fluch ihres Vaters Oidipus, gegenseitig töteten.