Читать книгу Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt - Reiner Tetzner - Страница 75

Narkissos und Echo

Оглавление

Berühmt wurde Teiresias auch durch seine Prophezeiung: »Narkissos wird lange leben, wenn er sich nicht selbst erkennt.« Narkissos wuchs zu einem begehrenswerten Jüngling heran, um dessen Liebe Männer wie Frauen buhlten, doch der Stolze wies alle brüsk ab.

Auch die Nymphe Echo gehörte zu den Unglücklichen. Einst hatte sie Hera mit schwatzhaften Reden abgelenkt, damit Zeus sich ungestört mit anderen Nymphen vergnügen konnte. Als die Göttin die List entdeckte, strafte sie Echo: ihre geschwätzige Zunge vermochte fortan nur noch das Ende von Reden anderer wiederzugeben.

Echo konnte zwar Narkissos nicht ansprechen, aber folgte ihm heimlich auf Schritt und Tritt. Einmal verlor der Jüngling seine Jagdgenossen inmitten des Waldes und rief:

»Ist jemand hier?«

»Hier!«, antwortete Echo.

»So komme!«, rief Narkissos.

»Komme!«, echote die Nymphe.

»Was ist los mit dir, warum meidest du mich?«, fragte er, da er niemanden erblickte.

»Meidest du mich?«, schluchzte Echo.

»Tritt heraus, wir wollen uns hier vereinen«, schlug Narkissos vor.

Wie geheißen trat die Nymphe vor, jubelte: »Vereinen!«, und umarmte den Begehrten leidenschaftlich.

Doch er schüttelte sie schroff ab und flüchtete mit den Worten:

»Eher stürbe ich, als mit dir zu liegen.«

»Mit dir zu liegen!«, flehte die Verschmähte. Sie verwand ihre Liebe niemals, nahm fortan nichts mehr zu sich. Kummer zehrte an ihr, Echo magerte ab zu einem Schatten, bis zuletzt nur noch ihre Stimme übrig blieb. Sie haust nun in den Bergen, von keinem gesehen, doch von allen gehört.

So wie Narkissos die Nymphe kränkte, ging er mit allen seinen Verehrern um. Bis ein Verschmähter die Himmlischen anrief: Narkissos solle einmal selbst lieben, ohne den Geliebten zu erreichen. Die Götter erhörten ihn und fügten es, dass der Jüngling zu einem unberührten, strahlend klaren Waldsee kam. Als Narkissos sich über das Wasser beugte, um seinen Durst zu stillen, erblickte er im See einen Jüngling, dessen Körper aus Marmor gehauen schien. Hell leuchteten dessen Augen, die Haare – eines Apollon würdig – lockten sich um die stattliche Brust, wie Elfenbein schimmerten der Hals und das Gesicht von göttlicher Anmut. Narkissos bewunderte alles, worum er selbst zu bewundern war. Er gab unzählige Küsse, tauchte seine Arme ins Nass, um den ersehnten Hals zu umschlingen, doch das Spiegelbild zerging.

Selbst als Narkissos sich erkannt hatte, vermochte er sich nicht von seiner bezaubernden Schönheit zu trennen. Ganz in seinen Anblick versunken, schmachtete er, gab sich seufzend hin, war nicht mehr fähig zu essen oder sich nur für einen Augenblick von seinem Bilde zu trennen. Die Götter verwandelten ihn sterbend in eine Blume, die nun seinen Namen trägt, die Narzisse.

Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt

Подняться наверх