Читать книгу Erinnerungen an 60 Jahre Weltgeschichte - Reinhard Warnke - Страница 5
2 Das Ende des Schreckens
ОглавлениеSpätestens im Frühjahr des Jahres 1945 hätte eigentlich auch dem letzten fanatischen Hitler-Jungen klar geworden sein müssen, dass Deutschland den Krieg verlieren würde und dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis der 2. Weltkrieg in Europa beendet sein würde. Schon lange gab es keine Front mehr und die Deutsche Wehrmacht war aus den besetzten Gebieten weit in das eigene Reich zurück gedrängt worden. Im März hatten die alliierten Soldaten den Rhein überquert und damit den entscheidenden Schritt zur Besetzung des Deutschen Reiches genommen. Auch Hitler war mittlerweile klar, dass der Kampf verloren war, aber immer noch forderte er von den Soldaten, dass sie bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen hätten. Die Wehrmacht erhielt den Befehl, dass sie bei ihren Rückzügen Industrie und Infrastruktur gründlich zerstören sollte. In einem vertraulichen Gespräch mit Albert Speer, der von ihm im Jahr 1937 zum Generalbauinspektor ernannt worden war und ab 1942 den Posten des Rüstungsministers inne hatte, machte Hitler deutlich, dass er enttäuscht sei von Deutschland und seinen Soldaten, die nicht in der Lage gewesen waren, die feindlichen Armeen entscheidend zu schlagen. Jetzt wolle er dafür sorgen, dass Deutschland mit ihm zusammen untergehen werde. Er war ein absoluter Psychopath und das nicht erst zu diesem Zeitpunkt. Albert Speer pflegte „zu seinem Führer“ bis dahin ein fast freundschaftliches Verhältnis. In einem Brief an Hitler fasste Speer den Gesprächsinhalt zusammen mit der Fragestellung, ob er die einzelnen Passagen der Unterhaltung richtig verstanden habe. Speers Zusammenfassung des Gespräches mit der Aussage des Führers, dass Deutschland mit ihm zusammen untergehen werde, wurde von Hitler nicht dementiert. Speer versuchte, in der Folgezeit die angeordnete Zerstörung der Industrieanlagen zu verhindern, was ihm teilweise auch gelang, indem er durchsetzen konnte, dass die Anlagen nur vorübergehend zu „lähmen“ seien.
Am 25. April 1945 erreichten sowohl die amerikanischen wie auch die sowjetischen Truppen die Elbe. Von Hamburg aus kommend rückten die britischen Truppen in Richtung Berlin vor. Die Hauptstadt war damit umzingelt. Fünf Tage später nahm sich Adolf Hitler zusammen mit seiner Lebensgefährtin Eva Braun, die er wenige Stunden zuvor geheiratet hatte, in seinem Führerbunker das Leben. Zuvor hatte er testamentarisch Großadmiral Karl Dönitz, den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, zu seinem Nachfolger als Staatsoberhaupt bestimmt. Von Flensburg aus zögerte Dönitz die Kapitulation hinaus, um möglichst vielen Soldaten und Zivilpersonen die Flucht aus dem Osten zu ermöglichen. In den Morgenstunden des 07. Mai 1945 unterzeichnete dann Generaloberst Alfred Jodl die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Truppen. Einen Tag später wurde von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel die Kapitulationsurkunde ratifiziert. Damit war der 2. Weltkrieg und die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten in Europa zu Ende gegangen. Der von Hitler und seinem Regime angezettelte Krieg hatte unermessliches Leid, Tod und Zerstörung über weite Teile Europas gebracht. 39 Millionen Menschen wurden in Europa durch die Kriegseinwirkungen getötet. Im Laufe der nationalsozialistischen Diktatur des Dritten Reiches verloren zudem rund 5,6 Millionen Juden ihr Leben, die infolge eines krankhaften Rassenwahns grausam ermordet wurden, die Hälfte davon in Vernichtungslagern. Noch aber befanden sich Japan und die USA im Kriegszustand. Die Kapitulation der Japaner am 02. September 1945 wurde erst durch den Abwurf der ersten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki erzwungen. Erst jetzt war der 2. Weltkrieg endgültig beendet. In Asien kamen 16 Millionen Menschen durch den Krieg ums Leben.
Mit der bedingungslosen Kapitulation hatte der deutsche Staat aufgehört zu existieren. Bereits während des Krieges hatten die Kriegsgegner in verschiedenen Konferenzen über die Zukunft Deutschlands nach Kriegsende diskutiert. Auf der Außenministerkonferenz 1943 in Moskau wurde vereinbart, dass nach der Besetzung Deutschlands eine alliierte Kontrollkommission als Regierung errichtet werden soll. Deutschland sollte entmilitarisiert, entnazifiziert und demokratisiert werden. Auf der Konferenz von Jalta zwischen dem US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, dem britischen Premierminister Winston Churchill und dem sowjetischen Regierungschef Josef Stalin wurde die bedingungslose Kapitulation Deutschlands, Gebietsabtretungen, die Zerschlagung des Nationalsozialismus und des deutschen Militarismus, die Aburteilung der Kriegsverbrecher sowie Reparationen gefordert. Außerdem beschlossen die Staatsoberhäupter, dass Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt werden soll und eine Zentralkommission in Berlin eingerichtet wird. Auf der Gipfelkonferenz nach Beendigung des Krieges im Potsdamer Schloss Cecilienhof vom 17. Juli bis zum 02. August 1945 verhandelten die Regierungschefs und Außenminister der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der Sowjetunion unter anderem über das endgültige Schicksal Deutschlands. Es wurde beschlossen, dass die Vereinbarungen der Konferenz von Jalta durch Bildung eines Alliierten Kontrollrats verwirklicht werden solle, der aus den Oberkommandierenden der Besatzungsmächte als die oberste Regierungsgewalt bestehen müsse. Die deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße sollten von Polen, der Nordteil Ostpreußens von der Sowjetunion verwaltet werden. Die endgültige Festlegung der deutschen Grenzen sollte in einem Friedensvertrag geregelt werden, zu dem es jedoch im Laufe des „Kalten Krieges“ nie gekommen ist. Regelungen zu der Ostgrenze Deutschlands wurden im Jahr 1970 schließlich in dem deutsch-polnischen Vertrag und dem deutsch-sowjetischen Vertrag getroffen. Das Konferenzzimmer im Schloss Cecilienhof, in dem Truman, Stalin und Churchill (ab 28.07.1945 C. Attlee) im Rahmen der „Potsdamer Konferenz“ über das Schicksal Deutschlands verhandelt hatten, ist heute ein Museum. Als ich diesen Raum im Frühjahr 2001 als Museumsbesucher betrat, verspürte ich einen Hauch von Ehrfurcht, denn es handelt sich zweifellos um einen der historisch bedeutsamsten Räumlichkeiten des 20. Jahrhunderts.