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5 Der Fußball rollt wieder

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Der Fußball hat mich seit meiner Kindheit fasziniert und begeistert. Schon als kleiner Knirps habe ich mit gleichaltrigen und älteren Jungs auf der Straße oder in jeder Pause auf dem Schulhof gebolzt. Ich hatte bei ihnen nicht nur aufgrund meiner Schnelligkeit und Ausdauer einen Stein im Brett, sondern auch die Tatsache, dass ich von meiner Tante einen neuen Lederball geschenkt bekommen hatte, dürfte meiner Beliebtheit nicht geschadet haben. Meine Technik hielt sich sicherlich in überschaubaren Grenzen, aber schon als Kind hatte ich eine überdurchschnittlich gute Kondition. Ich bin immer noch, wie an der Schnur gezogen, hin und her gerannt, wenn die anderen schon längst nach Luft schnappten. Diesen konditionellen Vorteil habe ich nicht zuletzt meinen beiden älteren Schwestern zu verdanken, die sich rührend um meine Fitness kümmerten. Etwa ein bis zwei Kilometer von unserer Wohnung entfernt gab es einen „Tante Emma Laden“ in dem man Bonbons oder Lakritze zu einem Stückpreis von einem Pfennig erwerben konnte. Immer, wenn meine Schwestern Appetit auf Süßigkeiten und ein paar Pfennige zur Verfügung hatten, schickten sie mich los, um ihnen das Gewünschte zu holen. Dabei spornten sie mich an, dass sie die Zeit stoppen würden, um zu sehen, wie lange ich für den Weg benötige. Also rannte ich los und kam mit hängender Zunge und hochrotem Kopf zurück, falls ich nicht zwischendurch von der Schranke am Bahnübergang gestoppt wurde, um einen von einer Dampflokomotive gezogenen Zug passieren zu lassen. Wenn ich ohne Unterbrechung schnell zurück war, waren meine Schwestern voll des Lobes und stellten immer häufiger fest, dass ich schon wieder eine Minute schneller gewesen sei. Als ich dann etwas älter geworden war und in der Lage, gewisse Dinge etwas skeptischer zu sehen, mussten meine Schwestern auf meine konkrete Frage wahrheitsgemäß antworten, dass sie bei meinen Süßigkeitsrennen niemals auf die Uhr geschaut hatten. Nun ja, meiner Grundkondition haben diese Läufe sicherlich nicht geschadet. Aber ihre Bonbons mussten sich meine Schwestern fortan selber holen.

Im Alter von 8 Jahren habe ich begonnen, mich auch für den großen Fußball zu interessieren und ich habe davon geträumt, irgendwann einmal Helmut Rahn, Uwe Seeler und andere Größen des Fußballs leibhaftig spielen zu sehen. Aber zunächst musste ich mich mit Radioreportagen begnügen und mit dem was ich in der Zeitung oder in Büchern lesen konnte oder von meinem Vater erfuhr, denn das Fernsehen war zu dieser Zeit noch eine Rarität und für meine Eltern nicht erschwinglich. Aber schon damals interessierte ich mich auch für Fußballereignisse, die in der Vergangenheit lagen, sicherlich beflügelt durch den Gewinn der Weltmeisterschaft 1954. Die Aufstellungen sowohl der deutschen wie auch der ungarischen Nationalmannschaft, die in Bern das Weltmeisterschafts-Endspiel bestritten hatten, kannte ich schon sehr bald auswendig.

So beginnen meine Aufzeichnungen auch in Bezug auf den Fußball ebenfalls bereits in einer Zeit, als ich noch gar nicht auf der Welt war. Der nationale Fußball in Deutschland nahm den offiziellen Spielbetrieb in den Oberligen Nord, Süd, West, Südwest und Berlin im Jahr 1947 wieder auf. Mit einem 2:1 Sieg im Endspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern wurde der 1. FC Nürnberg 1948 erster Deutscher Meister nach dem zweiten Weltkrieg. Dagegen war die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bis Ende 1950 noch vom internationalen Fußball ausgeschlossen. Am 22. November 1950 fand dann das erste offizielle Länderspiel der Nachkriegsgeschichte mit deutscher Beteiligung statt. Fast selbstverständlich ist es, dass die Schweiz der Gegner war, waren es doch auch die Eidgenossen, gegen die Deutschland 1908 in seinem allerersten Länderspiel antrat und die auch Gegner im ersten Länderspiel nach dem 1. Weltkrieg waren. Nicht nur weil es sich um die erste Begegnung nach dem Kriege für die deutsche Nationalmannschaft handelte, ist sie als historisch zu betrachten, sondern auch aufgrund der Zuschauerzahl. 115.000 Besucher haben die Ränge des Stuttgarter Neckarstadions anlässlich dieses Fußballspiels gefüllt, soviel wie nie zuvor und niemals später bei einem Länderspiel auf deutschem Boden. 61.000 Zuschauer passten seinerzeit offiziell in das Stadion. Die Sicherheitskräfte der Gegenwart wären wahrscheinlich dem Wahnsinn nahe, angesichts einer dermaßen überfüllten Arena. Die Devise von Trainer Sepp Herberger und seinen Nationalspielern lautete: „Bloß keine groben Fouls begehen, keine Emotionen wecken. Lieber verlieren.“ Fußball – die schönste Nebensache der Welt. Deutschland gewann das Spiel dennoch mit 1:0, durch einen von Herbert Burdenski, Vater des späteren Nationaltorwarts Dieter Burdenski, verwandelten Elfmeter. Das Ergebnis aber spielte an diesem Novembertag sicherlich nur eine untergeordnete Rolle.

Von der Fußball-Weltmeisterschaft 1950 in Brasilien war Deutschland noch ausgeschlossen. Abgesehen davon, nahmen ohnehin nur 13 Mannschaften, darunter 7 aus Europa, an dieser WM teil. Erstmals war allerdings England, das „Mutterland des Fußballs“, dabei. Doch die Briten blamierten sich bis auf die Knochen und schieden nach einer sensationellen 0:1-Niederlage gegen die USA vorzeitig aus dem Turnier aus. Der Weltmeister wurde in einer Endrundengruppe mit vier Mannschaften ermittelt, also ohne klassisches Endspiel. Aber es kam dennoch zu einer Art Finale, denn das letzte und entscheidende Gruppenspiel fand zwischen Brasilien und Uruguay statt. Uruguay benötigte einen Sieg, während Gastgeber Brasilien, mit 200.000 Zuschauern im neuen Maracaná-Stadion von Rio de Janeiro im Rücken, ein Unentschieden gereicht hätte, um erstmals Weltmeister zu werden. Doch es kam zu einer Tragödie. Trotz einer 1:0-Führung verlor Brasilien das Spiel mit 1:2. Das kleine süd-amerikanische Land Uruguay, das 1930 bereits die erste Weltmeisterschaft gewonnen hatte, wurde beim großen Nachbarn Brasilien erneut Weltmeister. Für die Brasilianer dagegen brach eine Welt zusammen und es war Staatstrauer angesagt. Drei Zuschauer starben während des Spiels an Herzschlag, einer beging Selbstmord. Fußball - die schönste Nebensache der Welt.

Erinnerungen an 60 Jahre Weltgeschichte

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