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Teil 1 EinleitungIV. Überlegungen zur Mandatsübernahme › 1. Besondere Anforderungen an Mandatsführung/Arbeitsbelastung

1. Besondere Anforderungen an Mandatsführung/Arbeitsbelastung

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Bereits aus den eben skizzierten Besonderheiten ergibt sich, dass sich der Verteidiger darüber im Klaren sein muss, was auf ihn zukommt, wenn es um die Übernahme eines Mandats geht, in dem die Inhaftierung des Mandanten droht oder der Mandant bereits in Untersuchungshaft sitzt. Neben den üblichen Überlegungen zur Mandatsübernahme (etwa Art des Vorwurfs, Umfang des Verfahrens, Honorar/Pflichtverteidigung) muss der Verteidiger entscheiden, ob er den besonderen Anforderungen eines Haftmandats auch zeitlich gewachsen ist.

Der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer führt in seinen Thesen zur Strafverteidigung zur Übernahme von Haftmandaten in These 58[1] zutreffend aus:

„Die Verteidigung des inhaftierten Mandanten stellt an den Verteidiger besondere Anforderungen an die zeitliche Verfügbarkeit, insbesondere zum Zweck der sofortigen Kontaktaufnahme mit dem Mandanten. Geboten ist ein dauerhafter persönlicher Einsatz, insbesondere in Haftrichterterminen, bei Vernehmungen und als Beistand während der Dauer der Untersuchungshaft. Bei der Übernahme des Mandates prüft er, ob er diesen Anforderungen gerecht werden kann.“

Ein Haftmandat ist kein OWi-Verfahren wegen Falschparkens. Zusätzlich zu den Aktivitäten in Nichthaftsachen sind Anträge auf Aufhebung der Inhaftierung zu stellen, Haftprüfungsanträge, Beschwerden (auch hinsichtlich der Haftbedingungen), Anträge auf gerichtliche Entscheidung sowie Stellungnahmen zu OLG-Haftprüfungen können anfallen. Alles muss mit dem inhaftierten Mandanten besprochen und sachlich und juristisch erörtert und begründet werden. Zusätzliche Ermittlungstätigkeiten, insbes. hinsichtlich der Haftgründe, sind notwendig (Nachweis von Wohnung, Arbeitsplatz, sozialen Bindungen). Daneben muss sich der Verteidiger auch um die Lebensbedingungen des Mandanten in der Haft, die sog. Haftbedingungen, kümmern, ggf. durch Anträge eine Verbesserung erreichen (vom Fernseher über den Laptop, zusätzlichen Einkauf bis hin zur Lichtverlängerung, vgl. dazu unten insgesamt Teil 9 Rn. 1026 ff.). Und schließlich bedarf es eines kontinuierlichen Besuchskontaktes, insbes. in der ersten Zeit der Inhaftierung, in der der Mandant noch unter dem Schock der Inhaftierung steht. Gerade Besuche nehmen viel Zeit in Anspruch. Nur der ständige Kontakt zu dem inhaftierten Mandanten schafft die Voraussetzungen dafür, dass das notwendige Vertrauensverhältnis aufgebaut und die Verteidigung sorgfältig und sachgerecht vorbereitet wird. Lässt sich der Verteidiger lediglich Vollmacht erteilen und kommt vielleicht erst geraume Zeit später wieder, wenn er die Akten (nochmals) erhalten und durchgearbeitet hat, wird sich der Mandant verlassen und vergessen vorkommen, d.h. er wird sich nicht verteidigt fühlen und bald wegen Vertrauensverlustes den Anwalt wechseln. Insoweit kann nicht verschwiegen werden, dass der Verteidiger auch eine Art betreuerische und seelsorgerische Funktion hat. Selbstverständlich ist es möglich, den Mandanten schriftlich zu informieren, sei es durch Anschreiben oder durch Übersendung von Kopien von Schriftsätzen. Diese unpersönliche Art der Kommunikation ist bei inhaftierten Mandanten ungenügend. Der Verteidiger ist die einzige Person, mit der der Gefangene über seine Situation unbeaufsichtigt sprechen kann. Es gehört zur Mandatsführung, in bestimmten Abständen den Mandanten aufzusuchen und ihm die Verfahrenssituation zu erläutern, auch wenn sich „nichts Neues getan hat.“ Der Mandant will wissen, warum. Die lediglich schriftliche Information, dass etwa vollständige oder erneute Akteneinsicht noch nicht gewährt wurde, reicht nicht aus. In nicht wenigen Fällen drängen die Mandanten zu Verteidigungsaktivitäten, etwa zu einer Einlassung, Haftprüfungsantrag oder Beschwerde. Das ohnmächtige Warten zermürbt. Die Verfahrenssituation ist nochmals und immer wieder neu mit dem Mandanten zu erörtern. Anderenfalls läuft der Verteidiger Gefahr, dass der Mandant die Verteidigung selbst übernimmt und ungeachtet aller vorherigen Absprachen ohne Einschaltung des Verteidigers eine (schriftliche) Einlassung abgibt oder aus der Sicht des Verteidigers in dieser Verfahrenssituation unkluge Anträge stellt. Auf die Frage nach dem Grund der absprachewidrigen Aktivitäten heißt die Antwort oft: „Sie haben doch nichts unternommen!“. Abgesehen davon, dass nur durch den kontinuierlichen Kontakt verhindert werden kann, dass der Mandant „aus dem Ruder läuft“, fallen ihm während seines Grübelns in der Haft neue Dinge ein, die mit dem Verteidiger zu erörtern sind. Und schließlich gibt auch die Haftsituation selbst oftmals Anlass, mit dem Verteidiger darüber zu sprechen. Alle Erfahrung zeigt, dass nur regelmäßige Besuche des Verteidigers bei dem inhaftierten Mandanten die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schaffen und dem Mandanten die Gewissheit geben, dass er gut verteidigt wird.

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Dabei sollte sich der Verteidiger ausreichend Zeit für die Besprechungen mit dem Mandanten nehmen. Gefangene berichten immer wieder, ihr Verteidiger habe in kurzer Zeit mit 10, 20 oder mehr Mandanten gesprochen, wobei sich die einzelnen Gespräche auf Begrüßungsfloskeln, „wie gehtʼs“, „gibt es bei Ihnen was Neues?“, „Im Verfahren gibt es nichts Neues, ich kümmere mich darum“ beschränken. Die einzelnen Gespräche dauern nach den Berichten der Gefangenen oft weniger als 5 Minuten. Es ist selbstverständlich, dass sich die Mandanten bei einer derartigen Vorgehensweise nicht ernst genommen fühlen und die Tendenz zum Verteidigerwechsel entwickeln. Trotz aller zeitlichen Probleme muss der Verteidiger das Gesprächs- und Mitteilungsbedürfnis des Mandanten ernst nehmen, auch wenn ihm die Gespräche als überflüssig und als Zeitverschwendung erscheinen. Bei der Abwägung zwischen den eigenen zeitlichen Möglichkeiten und dem Interesse des Mandanten am Gespräch mit seinem Verteidiger muss der Verteidiger stets vor Augen haben, dass er den Mandanten durch eine schnelle „Abfertigung“ nicht auch noch selbst zum bloßen Objekt herabwürdigt.

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Ist der Verteidiger etwa im Hinblick auf anderweitige große Arbeitsbelastung nicht in der Lage, diese zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen sollte er das Mandat nicht übernehmen und die Sache lieber an einen Kollegen abgeben. Auch finanzieller Druck sollte den Verteidiger nicht dazu verleiten, ein Mandat zu übernehmen, dessen Anforderungen er nicht in vollem Umfange gewachsen ist. Die Abgabe des Mandats an einen Kollegen zahlt sich allemal für den Mandanten und ihn selbst mehr aus. Der Kollege, der das Mandat übernommen hat, wird sich bei Gelegenheit „erkenntlich“ zeigen und dem Verteidiger die Übernahme eines anderen Falles anbieten, so dass der Verteidiger in einer dann vielleicht entspannteren Arbeitssituation die Möglichkeit hat, dieses Mandat mit voller Kraft wahrzunehmen.

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