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Teil 1 EinleitungIV. Überlegungen zur Mandatsübernahme › 2. Besonderheiten bei nicht deutschsprachigen Ausländern

2. Besonderheiten bei nicht deutschsprachigen Ausländern

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Besonders arbeitsintensiv sind Mandate mit nicht deutschsprachigen Ausländern.[1] Diese bedürfen zunächst hinsichtlich der Haftbedingungen besonderer Betreuung, da sie mangels Verständigungsmöglichkeiten oft nicht in der Lage sind, selbst Anträge oder Anliegen zu schreiben oder ihre Wünsche und Bedürfnisse auch nur dem Sozialarbeiter oder dem Stationsbeamten mitzuteilen. Auch können sie sich mangels Verständigungsmöglichkeit oft nicht bei anderen Gefangenen informieren oder sich von ihnen bei der Formulierung und Weiterleitung ihrer Anliegen helfen lassen. Gerade hier hat der Verteidiger die Pflicht, den Mandanten über die Möglichkeit der Ausgestaltung der Haftbedingungen zu informieren und sich selbst in besonderem Maße darum zu kümmern. Die Frage der konkreten Haftsituation ist bei den regelmäßigen Besuchen anzusprechen, damit umgehend vom Verteidiger interveniert werden kann.

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Darüber hinaus sind die Besuche auch wegen der notwendigen Übersetzung besonders zeitaufwendig. Jeder Verteidiger sollte sich davor hüten, Akteninhalt und Verteidigungsstrategie mit einem Mandanten zu erörtern, der nicht perfekt deutsch spricht, im Vertrauen darauf, man werde sich schon richtig verstehen. Bei der Besprechung von Akteninhalt, Einlassung und Verteidigungsstrategie kommt es auf Feinheiten, oftmals auf Formulierungen an. Schon die geringsten Missverständnisse können fatale Folgen haben. Im Zweifel muss ein Dolmetscher hinzugezogen werden.

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Muss wegen Verständigungsschwierigkeiten ein Dolmetscher hinzugezogen werden, muss der Verteidiger großen Wert auf die Auswahl des Dolmetschers legen.[2] Nur die Professionalität des Dolmetschers und die Qualität der Übersetzung gewährleisten die optimale Verteidigungsvorbereitung. Nicht zu unterschätzen sind oftmals auch die jenseits der Übersetzung liegenden Hinweise des Dolmetschers. Nicht selten kann er dem Verteidiger die Gepflogenheiten eines fremden Kulturkreises erklären und damit ein für den Verteidiger ansonsten unverständliches Verhalten des Mandanten erläutern.

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Die Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers im Ermittlungsverfahren oder für Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung sind dem Verteidiger zu erstatten und zwar unabhängig davon, ob der Verteidiger als Wahl- oder Pflichtverteidiger tätig wird. §§ 187 Abs. 1-3 GVG, Art. 6 Abs. 3 Buchst. e EMRK räumen dem der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten (Beschuldigten) unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein, auch wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 oder des Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gegeben ist.“[3] Einer vorherigen Beiordnung des Dolmetschers für die Hinzuziehung zu Gesprächen mit dem Verteidiger oder eines sonstigen Antragsverfahrens bedarf es nicht[4], selbst dann nicht, wenn zusätzlich ein Pflichtverteidiger bestellt ist.[5] Allerdings könnte es zur Vermeidung späteren Streits im Kostenfestsetzungsverfahren sinnvoll sein, die Beiordnung des Dolmetschers zu beantragen bzw. die Hinzuziehung des Dolmetschers vom (Haft-) Richter genehmigen zu lassen.

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Ferner ist bei ausländischen inhaftierten Mandanten in der Regel mit ausländerrechtlichen Folgesachen zu rechnen.[6] Es ist Praxis vieler Ausländerbehörden, nach Erlass des Haftbefehls die Ausweisung und Abschiebung anzudrohen und Abschiebehaft zu erwirken. Damit stehen zusätzliche Termine und Besprechungen an. Auch die Frage der Ausweisung ist für den Mandanten oft von existenzieller Bedeutung. Ist Abschiebehaft angeordnet, ist diese als sog. Überhaft notiert, so dass in Fällen der Aufhebung des Haftbefehls der Mandant automatisch in Abschiebehaft genommen wird. Allerdings sollte die Anordnung der Abschiebehaft als Überhaft auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Sie darf nicht auf Vorrat angeordnet werden.[7] Die ausländerrechtliche Problematik kann hier nicht erörtert werden.[8] Nur ein ganz genereller Hinweis auf einen Gesichtspunkt, der in jedem Fall dringend der Überprüfung bedarf: Wird die Ankündigung der Abschiebung und Ausweisung sowie die Abschiebehaft allein mit der im Haftbefehl vorgeworfenen Straftat begründet, besteht in der Regel ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Strafverfahren und ausländerrechtlichem Verfahren. Wird der Mandant freigesprochen oder der Haftbefehl aufgehoben, wird in der Regel auch der Abschiebehaftbefehl nicht mehr vollstreckt. Allerdings geschieht dies nicht automatisch, da die Ausländerbehörde von der Aufhebung des Haftbefehls zunächst nichts erfährt. Hier muss der Verteidiger unverzüglich Kontakt zur Ausländerbehörde aufnehmen und sie von der Aufhebung des Haftbefehls in Kenntnis setzen. Zusätzlich sind Gericht und Staatsanwaltschaft anzugeben, damit die Ausländerbehörde, falls sie dies für erforderlich hält, dort Rücksprache nehmen kann. Gleichzeitig empfiehlt es sich, Gericht und Staatsanwalt zu bitten, die Ausländerbehörde von der Aufhebung des Haftbefehls zu informieren. Es darf nicht angehen, dass der Mandant nur deswegen länger in Haft bleibt, weil die unverzügliche Information der Ausländerbehörde unterbleibt. Hat sie sich von der Aufhebung des Haftbefehls vergewissert, wird der Mandant auf Anweisung der Ausländerbehörde aus der Abschiebehaft entlassen. Probleme entstehen immer dann, wenn der Haftbefehl erst am späten Nachmittag, insbes. freitags, aufgehoben wird. Zu diesen Zeiten ist bei der Ausländerbehörde niemand mehr zu erreichen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass der Mandant nicht am Tage der Aufhebung des Haftbefehls auf freien Fuß gesetzt werden kann. Dies kann erst am Folgetag geschehen; liegt ein Wochenende dazwischen, können fast drei Tage bis zur Entlassung des Mandanten vergehen. Dies ist ein unhaltbarer Zustand, auf dessen Problematik hier nur hingewiesen werden kann.

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Bei der Mandatsführung selbst muss der Verteidiger sich des besonderen kulturellen Hintergrunds und des evtl. anderen Rechtsverständnisses bewusst sein. Fragen nach der Bestechlichkeit von Richtern und Staatsanwälten aber auch von Verteidigern (Bestechung/Bezahlung durch die Polizei, damit sie den Mandanten zum Geständnis veranlassen) sollten den Verteidiger nicht überraschen. Ferner ist zu beachten, dass in bestimmten Kulturkreisen ein Tateingeständnis eine Schmach ist, nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern für die ganze Familie. Ein noch so eindringlicher Hinweis auf die Möglichkeit der Strafmilderung und die Herausarbeitung strafmildernder Gesichtspunkte durch eine geständige Einlassung bewirken nichts. Der Mandant geht lieber erhobenen Hauptes unter. Die Fälle sind nicht selten, in denen der bis ans Ende der Hauptverhandlung trotz erdrückender Beweislage bestreitende Mandant eine mehrjährige Freiheitsstrafe erhält, nach Urteilsverkündung aber auf Rechtsmittel verzichtet. Für lateinamerikanische Drogenkuriere hat Zier[9] die Schwierigkeiten in der Verteidigung wegen des anderen kulturellen Hintergrundes und des anderen Rechtsverständnisses anschaulich geschildert. Ein letztes Beispiel dazu. Es wird berichtet, dass in der Türkei, obwohl rechtlich anders möglich, in „normalen“ Strafverfahren nur sehr selten Anklage erhoben wird oder gar eine Verurteilung erfolgt, wenn nur die belastende Aussage eines einzigen Zeugen vorliegt. Die Skepsis gegenüber dem Zeugenbeweis soll weit stärker ausgeprägt sein als in Deutschland. Voraussetzung für Anklage und Verurteilung sind daher häufig mindestens zwei belastende Zeugenaussagen und/oder objektive Beweismittel, z.B. Festnahme mit der Beute am Tatort. Vor dem Hintergrund dieser weit verbreiteten Auffassung ist es für einen türkischen Staatsangehörigen kaum verständlich, wenn der Verteidiger ihm erklärt, eine Verurteilung aufgrund der Aussage eines anonymen V-Mannes, der noch nicht einmal in der Hauptverhandlung als Zeuge erscheint, sei möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich.

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Damit soll verdeutlicht werden, dass der Verteidiger, der das Optimale für den Mandanten „herausholen“ will, bei ausländischen Mandanten manchmal überhaupt nicht „ankommt“ und mit seinen guten Ratschlägen eher das Gegenteil bewirken kann, nämlich Zweifel an der Qualifikation des Verteidigers, Zweifel daran, ob sich der Verteidiger wirklich für den Mandanten einsetzt oder nicht statt dessen ein „einfaches“ und wenig arbeitsaufwendiges Verfahren führen will und schließlich der Argwohn, dass der Verteidiger mit Gericht und Polizei zusammenarbeitet, wenn er dem Mandanten zu einem nach seinem Verständnis schädlichen Geständnis rät. Den andersartigen kulturellen Hintergrund und das andersartige Rechtsverständnis sollte dem Verteidiger bewusst sein und veranlassen, mit besonderem Fingerspitzengefühl an die Beratung und Besprechung heranzugehen. Merkt der Verteidiger, dass es im Mandatsverhältnis nicht „läuft“, der Mandant auch dem Verteidiger gegenüber „mauert“, sollte er einen Kollegen fragen oder aber einen Dolmetscher, der oftmals kulturelle Hintergründe und ein anderes Rechtsverständnis ganz allgemein und unabhängig vom jeweiligen Mandatsverhältnis sehr gut erläutern kann. Dies lässt evtl. wichtige Rückschlüsse auf das Verhalten des Mandanten zu und kann den Verteidiger veranlassen, auf mögliche Vorbehalte des Mandanten angemessener zu reagieren.

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