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Liberalismus heute

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Weltweit wird heute unter Liberalismus unterschiedliches, ja auch Gegensätzliches verstanden.3 Bald gelten Liberale als konservativ, bald als links, bald als Anhängerinnen und Anhänger eines rücksichtslosen Casinokapitalismus, bald als volksfremde Eliten – ein vor allem in populistischen Kreisen erhobener Vorwurf –, bald als hoffnungslos weltfremde Träumerinnen und Träumer. Ich kann und will diesen verschiedenen Deutungen nicht nachgehen. Den wahren Liberalismus gibt es nicht.4 Der europäische Liberalismus stellt sich in einer historischen Perspektive nicht als einheitliches Phänomen dar; die Vielzahl von Liberalismen lassen sich kaum auf einen Nenner bringen, der über das Anliegen der individuellen Selbstbestimmung hinausgeht. Das Verständnis des «Liberalen» stand stets in Abhängigkeit von besonderen historischen Erfahrungen und Erwartungen in den verschiedenen europäischen Gesellschaften. In den USA gilt liberal als links; in Frankreich wird der Begriff von Linken wie Konservativen als Schimpfwort verwendet und mit dem Wirtschaftsliberalismus des 19. Jahrhunderts assoziiert.5 In der Schweiz deckt der Liberalismus ein Spektrum unterschiedlicher Deutungen ab, die sich von denen in Frankreich, England oder Deutschland unterscheiden.6 Als prägend erwies sich ein politisches Denken, das dem Republikanismus verpflichtet war und nie zu einer absoluten Trennung von Staat und Gesellschaft führte.7 Pate stand Rousseau mit seiner Vaterlandsliebe und mit einer Staatsbürgerschaft, die Freiheit, Gesetz und Tugend eng miteinander verband.8 Der gemeinsame Nenner aller Verständnisse des Liberalismus dürfte darin liegen, dass es diesem darum geht, Wege zu suchen, wie unterschiedliche Menschen in Freiheit gut zusammenleben und ihre Freiheit grösstmöglich verwirklichen können.

Edmund Fawcett basiert seine Ideengeschichte des Liberalismus9 auf vier Säulen, auf denen dieser beruht: die Anerkennung der Konflikthaftigkeit der Gesellschaft, das Misstrauen gegenüber jeglicher Macht, der Glaube an den menschlichen Fortschritt und der Respekt gegenüber anderen Menschen, was auch immer sie denken und wer auch immer sie sein mögen. Mit diesen Wegmarken grenzt er den Liberalismus vom Konservatismus und vom Sozialismus sowie vom Autoritarismus, vom nationalen Populismus und von der islamistischen Theokratie ab.

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