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Von der erschreckenden Theorie zur noch erschreckenderen Realität

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Im Jahr 2008 wurde das Peak-Oil-Szenario auf einmal sehr real. Die weltweite Ölproduktion stagnierte seit 2005, die Preise waren in die Höhe geschnellt. Im Juli kostete ein Barrel Öl fast 150 Dollar – um die Hälfte mehr (inflationsbereinigt) als beim »Ölpreisschock« in den 1970er Jahren, der die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst hatte. Im Sommer 2008 wankten die PKW- und LKW-Industrie, das internationale Transportwesen, die Landwirtschaft und die Fluggesellschaften.

Aber was dann passierte, fesselte die weltweite Aufmerksamkeit derart, daß die Ölpreise bald vergessen waren: Im September 2008 stand das Weltfinanzsystem vor dem Zusammenbruch. Am meisten diskutiert als Gründe für die plötzliche, massive Krise wurden Immobilienblasen, fehlende Regulierung der Banken und die Schwemme seltsamer Finanzprodukte, die fast niemand mehr richtig verstand. Tatsächlich spielte aber auch der Ölpreis eine wichtige (wenngleich häufig übersehene) Rolle als Auslöser des ökonomischen Kollapses.16

Nach dieser Nahtoderfahrung des globalen Finanzsystems sah es so aus, als würden das ein Jahrzehnt zuvor beschriebene Peak-Oil-Szenario und das Standard-Szenario aus Die Grenzen des Wachstums von 1972 mit geradezu unheimlicher und erschreckender Präzision eintreffen. Der weltweite Handel brach ein. Die größten Automobilproduzenten der Welt rangen ums Überleben. Die US-Flugzeugindustrie war um fast ein Viertel geschrumpft. In armen Ländern überall auf dem Globus brachen Hungerrevolten aus. Kriege im Irak (dem Land mit den zweitgrößten Rohölvorkommen weltweit) und in Afghanistan (dem Standort umstrittener Öl- und Gaspipeline-Projekte) leerten die Kassen der wichtigsten erdölimportierenden Länder der Welt immer weiter.17

Unterdessen bot die anhaltende Debatte, was getan werden könnte, um den weltweiten Klimawandel aufzuhalten, ein Beispiel der politischen Untätigkeit, die die Welt seit den frühen 1970er Jahren auf den Weg ins Verderben gebracht hatte. Inzwischen lag es für die große Mehrheit der Menschen, die mit den wissenschaftlichen Daten vertraut waren, auf der Hand, daß die Welt zwei dringende, unabweisbare Gründe hat, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden: einerseits die drohende Klimakatastrophe, andererseits die schrumpfenden Brennstoffvorräte. Doch bei der großen internationalen Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 traten die Prioritäten der meisten vom Erdöl abhängigen Länder klar zutage: Begrenzung von Kohlenstoffemissionen und weniger Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, aber nur, wenn dadurch das Wirtschaftswachstum nicht in Gefahr gerät.


Grafik 8. Weltmarktpreise für Rohöl, 2000–2011.

Quelle: US Energy Information Administration.

Das Ende des Wachstums

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