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Unsere Anstrengung, richtig zu werden
ОглавлениеWenn wir das Urgefühl des Ichs betrachten – das Gefühl, nicht richtig zu sein –, müssen wir uns klar machen, dass es nicht um etwas geht, was einfach nur unangenehm ist. Es ist vielmehr fundamental bedrohlich.
In der Zeit, aus der dieses Gefühl stammt, sind wir so abhängig von der Umwelt, dass die Tatsache, uns nicht angenommen zu fühlen, uns in unserer Existenz bedroht – wir haben Angst, vernichtet zu werden.
Das führt zur Entwicklung einer Scheinidentität, dem Ich, mit deren Hilfe wir unsere wahre Identität, das ursprüngliche Sein, zu schützen suchen. Das Ich versucht, das Urgefühl, nicht richtig zu sein, dadurch zu kompensieren, dass es sich darum bemüht, angenommen zu werden. Dadurch verändert sich unsere Blickrichtung: Wir schauen nicht mehr darauf, was wir sind, sondern darauf, wie wir glauben, sein zu müssen, um von anderen angenommen zu werden. Wir sind nicht mehr innenzentriert und begeben uns dadurch in eine enorme Abhängigkeit von äußerer Bestätigung.
Es ist ein Teufelskreis. Je mehr wir uns anstrengen, irgendwie richtig zu werden, desto mehr haben wir das Gefühl, falsch zu sein, denn sonst müssten wir uns ja nicht anstrengen.
Es gibt unzählig viele Möglichkeiten, die sich unser Ich ausgedacht hat, um endlich angenommen zu werden: lieb und nett zu sein, sich gut darzustellen, leistungsorientiert und erfolgreich zu leben, sich immer um andere zu kümmern, den Vorstellungen von anderen zu entsprechen und vieles mehr. Aber die Wurzel all dieser Anstrengungen und Strategien ist immer unser Urgefühl, nicht angenommen zu sein. Es ist die Basis, auf der sich das Ich mit all seinen Verzweigungen entwickelt.