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Leeder, 15. September 1560

»Da können wir uns drehen und wenden, wie wir wollen, der sonntägliche Kirchgang muss als lutherischer Predigtgottesdienst durchgeführt werden.« Jacobus Rehlinger war etwas ungehalten.

Anna hatte an diesem Abend die Frage in die versammelte Runde geworfen, ob man sich nicht den teuren Unterhalt der Kirche sparen könnte. »Es tut mir leid, wenn ich dich mit meinem Vorschlag erzürnt habe, Jacobus, aber die meisten von uns leben nach dem Vorbild Caspars und besuchen die Kirche nur als Vorwand«, versuchte sie, die Wogen zu glätten, und Georg nickte ihr bestätigend zu.

»Um uns nicht auf dem eigenen Territorium angreifbar zu machen, ist es geradezu überlebenswichtig, den Augsburger Religionsfrieden umzusetzen. Nicht wenige der Altgläubigen laufen hinauf nach Denklingen, um ihre Sakramente zu empfangen. Wir stehen dadurch ständig unter Beobachtung.«

Anna wurde durch ein Geräusch vor der Tür abgelenkt. Als sie nachschaute, stand Hieronymus vor ihr und umarmte sie innig.

»Wach auf, mein Seel«, rief er in den Raum. »Ich wollte euch nicht stören.«

Das »Lobsinge seinen Namen« schallte ihm vielfach zurück. Anna bat ihn herein und spürte sofort, dass ihn irgendetwas bedrückte. Jacobus, Georg und Emanuel begrüßten ihn.

»Was führt dich zu uns, Oheim? Wir waren gerade dabei, über unsere protestantische Gottesdienstordnung zu beratschlagen, setz dich!«, lud Anna ihn ein.

Hieronymus Rehlinger zögerte nicht lange und verkündete die Neuigkeit: »Anton Fugger ist gestern überraschend gestorben.«

»Der Herr sei ihm gnädig. Ein großer Verlust für die Katholischen«, bemerkte Jacobus.

»Ich würde sagen, für die ganze Stadt und weit darüber hinaus. Denn schließlich war er es, der nach dem Augsburger Religionsfrieden mit beiden Konfessionen im Dialog geblieben ist und bemüht war, bei seinen Einladungen vor allem die protestantische Seite zu berücksichtigen. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie er katholischen Würdenträgern das cuius regio, eius religio24 erklärt hat: Es muss ein friedliches Nebeneinander geben, liebe Freunde, selbst wenn die politischen Konsequenzen für die katholische Kirche bitter und einschneidend sein werden. Es war ihm damals als kaiser- und papsttreuem Katholiken vollkommen bewusst, dass die Reformation nicht rückgängig zu machen war und sich die Äbte und Bischöfe mit dem Verlust von Zehnt und Steuereinnahmen wohl abfinden mussten«, berichtete Hieronymus.

»Ist es nicht so, dass sich die Katholiken mit ihrem Ablasshandel, der Unterdrückung der Bauern und der Förderung von Leibeigenschaft den Zorn Luthers und damit auf lange Sicht auch die Reformation selbst zuzuschreiben haben?«, mischte sich Anna in die Diskussion ein.

»Dass sich Martin Luther auf dem falschen Weg befunden hat, beweist die Tatsache, dass er dazu aufgerufen hat, die Bauernaufstände niederzuschlagen, und seine Leute Kirchen geplündert, angezündet und geschändet haben«, fügte Emanuel hinzu.

»Du darfst nicht vergessen, mein lieber Bruder, dass mit dem Beschluss des Reichstags, nur zwei Konfessionen zuzulassen, auch wir, zusammen mit Calvinisten, Täufern, Zwinglianern und Utraquisten, der Verfolgung ausgesetzt wurden«, ereiferte sich Jacobus.

»Alle großen Städte des Reiches werden sich zumindest auf eine Parallelität der Konfessionen einstellen müssen. In den meisten wird dies bereits seit Jahren gelebt, nur in Augsburg tut man sich schwer mit dieser unausweichlichen Tatsache. In der Unfähigkeit, diesen Dualismus anzuerkennen, verfolgen sie alle anderen und stürzen sich auf uns, um von der eigenen Engstirnigkeit und Verblendung abzulenken. Die öffentliche Verbrennung unserer Bücher vor zwei Jahren war der sichtbare Beweis, dass es in Augsburg bis in die höchsten Kreise hinauf an der notwendigen religiösen Toleranz mangelt.« Hieronymus’ Miene hatte sich während seiner Erzählung verdüstert. Anna vernahm mit Betroffenheit die Schilderung des Onkels.

»Ich kann nur immer wieder darauf hinweisen, und damit seid ihr, die junge Generation, gemeint, dass wir eigenständig bleiben müssen und wirtschaftlich gesund, um uns die katholischen Usurpatoren vom Leib zu halten. Auch der Herzog in München unternimmt alles, um uns das Leben schwer zu machen. Es kümmert ihn wenig, dass wir absolut konform mit den Augsburger Reichstagsbeschlüssen leben und handeln«, sagte Jacobus.

»Was haltet ihr davon, wenn wir hinuntergehen und ich das Abendessen auftischen lasse? Hieronymus hat eine weite Reise hinter sich und bestimmt einen mächtigen Appetit mitgebracht.«

»Dann tun wir der Schlossherrin den Gefallen und lassen uns nicht lange bitten.« Georg stand als Erster auf und Anna ertappte sich dabei, dass sie ihn – wie bei jeder sich bietenden Gelegenheit – beobachtete.

24 Wessen Herrschaft, dessen Religion.

Das Ketzerdorf - Der Aufstieg des Inquisitors

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