Читать книгу MAUSOLEUM 2069 - Rick Jones - Страница 12
Kapitel 7
ОглавлениеJim Schott war kein geselliger Mensch, egal welchen Maßstab man anlegte, dafür war er jedoch ein Realist.
Einen Fuß auf die Erde gesetzt, hatte er zum letzten Mal sieben Jahre zuvor, als Ingenieur im Feld New Houston. Schon damals war ihm klar gewesen, dass es sich bei der Stadt nicht um das Paradies handelte, von dem die Obrigkeit die Bevölkerung gern überzeugen wollten. Mit dem Bevölkerungswachstum einherging nämlich logischerweise auch ein gesteigerter Nahrungsmittelbedarf, wodurch die Aquakulturen arg strapaziert wurden, da zu viele Mäuler gestopft werden mussten und zu geringe Fischbestände vorhanden waren, um die Nachfrage zu decken.
Deshalb hatte man hastig Bestimmungen festgelegt. Nach der Geburt eines einzelnen Kindes stand man in der Pflicht, sich sterilisieren zu lassen, und genau diese Regel hatte Schott zu dem Glauben veranlasst, dass dies der Anfang vom Ende menschlicher Freiheit war.
Bald traten weitere Bestimmungen in Kraft. Die meisten davon beschnitten Menschenrechte, um Oasen wie New Houston zu Orten für ein »besseres Leben« zu machen. Sich dagegen zu wehren oder auch nur andere Meinungen kundzutun, wurde sofort als Kritik an den gemeinschaftlichen Werten gedeutet. Aus diesem Grund verbannte man jeden mit unersprießlichen Standpunkten in die Wastelands.
Er bezeugte außerdem, wie sich edle Absichten wohlgesinnter Politiker schnell ins Gegenteil verkehrten, da die Natur des Menschen durchbrach und Egoismus zur Triebfeder ihres Handelns wurde. Mit diesem Fokus auf eigene Interessen erhielt natürlich auch die Habgier Einzug – die wiederum schnell zu Korruption führte.
Die Felder von Elysium dienten nur als vorübergehende Lösung, während der Planet Tag für Tag weiter ausblutete und nunmehr auf lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen war.
Als Realist sah Schott die Wahrheit deutlich vor sich, während alle anderen sie gern verdrängten, weil sie zu schmerzhaft war, um ihr ins Auge zu blicken.
Darum ergriff er die Möglichkeit, die Erde zu verlassen, sofort, als sie sich auftat, und hielt das Ganze eher für einen Segen, anstatt sich verbannt zu fühlen, wie andere, weil sie diesen utopischen Städten nicht den Rücken kehren wollten, welche in Wirklichkeit aber verkümmerte Gärten Eden auf einem sterbenden Planeten waren.
Auf dem Mausoleum 2069 fand er hingegen tatsächlich paradiesische Zustände. Das Schiff bot Unmengen Platz, wo er sich ungestört allein bewegen konnte. Die Aqua- und Hydrokulturen warfen Nahrung für viele Jahre ab, und Mausoleen waren außerdem nicht von Korruption betroffen, weil sie im Alltagsgeschäft von Politikern allenthalben Fußnoten darstellten. In seiner Freizeit suchte er oft das Observatorium auf und blickte stundenlang hinaus auf die kosmischen Formationen, die in prächtigen Grün-, Rot- und Violetttönen – kraftvollen, hübschen Farben – im All schwebten.
Ja, für John Schott, den Realisten, bedeutete dies hier das wahre Paradies.
Wie Eric Wyman ging auch er seinen Pflichten nach und hielt sich aufs Strengste an die Protokolle, um die Sicherheit der an Bord Bestatteten zu garantieren.
An diesem Tag jedoch entdeckte er eine Unregelmäßigkeit auf seinem Monitor.
Zuerst war es nur ein kurzer Impuls, höchstens etwas Kleines, Vernachlässigbares, aber beim Näherkommen wurde es schließlich immer größer. Die Umrisse des Gebildes auf dem Monitor blieben nicht unverändert, sondern nahmen ständig neue Formen an und verwandelten sich in etwas, aus dem er nicht so recht schlau wurde.
Als Eric Wyman die Kommunikationszentrale betrat, sah er Schott hinter Jen stehen. Sie schaute gebannt auf die Anzeige, welche ein spukhaftes grünes Licht in ihre Gesichter warf.
»Was hast du gefunden?«, fragte er.
Schott zeigte auf den Schirm. »Ich war gerade oben, um die externen Sensoren zu überprüfen … und da haben wir das hier aufgeschnappt.«
Der Monitor zeigte nun ein Gitternetz aus ungeraden Linien. Das übertragene Bild pulsierte alle zwei Sekunden, wobei es langsam verblasste und dann in einer anderen Form, als eine andere Masse wieder auftauchte, bis sich der Vorgang erneut wiederholte.
Wyman beugte sich nach vorn und kniff interessiert die Augen zusammen. »Was zur Hölle ist das?«
Jen schüttelte den Kopf. »Müsste ich raten«, erwiderte sie, »würde ich sagen, es ist eine Wolkenmasse, aber Jim hat mir erklärt, dass die Sensoren kosmischen Staub vor diesem Hintergrund gar nicht wahrnehmen können, weil er nicht dicht genug ist. Trotzdem: Genau das sehen wir hier gerade.«
Wyman wandte sich Schott zu, der die Augen keine Sekunde vom Monitor abwendete. »Könnte es sein, dass die Sensoren einfach spinnen?«
Der Ingenieur zog die Schultern hoch. »Denkbar ist alles, aber hier fliegen andauernd Wolken vorbei. Warum haben wir die nie auf den Schirm bekommen?«
»Vielleicht müssen wir die Sensoren nachjustieren.«
»Ich habe sie bereits gründlich untersucht«, versicherte ihm Schott. »Die Messwerte geben überhaupt keinen Anlass zur Klage. Außerdem habe ich die Radarfrequenz und die Impulsform, die Polarisierung und die Signalverarbeitung überprüft, wirklich alles. Das Selbstanalyseprogramm des Computers gibt ebenfalls an, dass die Sensoren perfekt funktionieren.«
»Folglich kann es also kein kosmischer Staub sein«, schlussfolgerte Wyman.
Jen tippte mehrmals mit dem Finger auf den Touchscreen. »Ist es aber«, beharrte sie. »Ich kann ja mal eine Vergrößerung des Jupiter-6-Satelliten aufrufen.« Nachdem sie noch ein paar Mal getippt hatte, ging ein weiteres Fenster am Bildschirm auf.
Der vordere Rand der Staubwolke rollte heran wie ein Lavastrom, der sich eine Landschaft einverleiben wollte. Sie war überraschend dicht und in der Masse entlud sich die Elektrizität genauso in Lichtblitzen wie die Ladung in Kumuluswolken vor Gewittern. Obwohl kosmischer Staub meistens transparent war, wirkte diese Formation seltsam fest.
»Auf den ersten Blick sieht es nach kosmischem Staub aus, dann aber doch wieder nicht«, fügte Jen hinzu.
»Kannst du das Ganze noch näher heranholen?«, bat Wyman sie.
»Natürlich.« Jedes Mal, wenn sie auf den Schirm tippte, wurde das Bild größer, und die Pixel bauten sich neu auf, um den Ausschnitt gestochen scharf darstellen zu können.
»Es ist definitiv eine Wolke«, meinte Wyman.
»Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen«, gestand ihm Schott. »Sie ist so dick, dass die Sensoren sie als etwas Feststoffliches identifizieren.«
Im Inneren des Gebildes brodelte es weiter, eine beständige Entladung von Energie wie bei feuernden Synapsen im Hirn eines Menschen. Das Licht flammte auf wie aus Kanonen, bloß in unterschiedlichsten Farben. Rot und Blau, Grün und Gelb – wunderschöne Farbtöne, die sich immerzu veränderten, während sich die Masse weiter umwälzte und stetig neu formierte; ein ununterbrochen strudelnder Nebel.
»Meinst du, sie ist gefährlich?«, fragte Wyman angespannt.
Schott zog erneut die Schultern hoch. »Wer kann das schon sicher sagen?«
»Lässt sich die Flugbahn denn wenigstens anhand ihres Soges vorherbestimmen?«
Daraufhin ließ Jacoby ihre Finger auf dem Tablet tanzen. »Ich kann so ziemlich alles.« Nachdem sie ungefähr zehn Sekunden lang Befehle eingetippt hatte, öffnete sich eine Karte der Galaxie bis zum Oriongürtel auf dem Bildschirm. Hinter der Wolkenmasse erstreckte sich eine Spur von Staubpartikeln von ihrer gegenwärtigen Position aus bis zu einem Punkt außerhalb des Kartenbereichs, was bedeutete, dass sie aus einem Winkel des Alls weit hinter der Milchstraße kam. Ihre Flugrichtung stand jedoch fest: Sie war auf einer vollkommen linearen Bahn durch den Raum, und dass sie davon abkam, war nicht zu erwarten.
Und sie befand sich auf genauem Kollisionskurs mit der Erde.
»Wie viel Raum umspannt dieses Ding?«, fragte Wyman.
Jen verkleinerte den Ausschnitt um mindestens das Sechsfache, bevor sie die Masse zur Gänze überblicken konnten.
»Dimensionen«, antwortete Wyman fassungslos. Dies war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Jens Finger rasten daraufhin über die Tastatur der Konsole. Linien und Gitter erschienen auf dem Monitor und maßen die Größe der Formation über ein Dreiecksnetz. Nach Abschluss der Berechnung zeigte das Programm schließlich das Ergebnis an.
»Im Vergleich zum Großteil aller Staubaufkommen ist diese Wolke relativ klein«, erklärte Wyman, der nun gerade aufgerichtet und mit verschränkten Armen dastand. »Dennoch ist sie groß genug, um den gesamten Planeten einzuhüllen. Wir müssen unbedingt herausfinden, welche Eigenschaften sie besitzt – ob sie schädlich ist oder nicht.« Dann fragte er: »Wie weit war Jupiter-6 entfernt, als sie vorbeiflog?«
»Ungefähr 196.000 km.«
Immer noch eine ziemlich große Distanz, dachte er. »Hat der Satellit irgendwie Schaden genommen? Könnte ihn etwas kurzzeitig, auch nur für einen Moment ausgeschaltet haben, wegen der Entladung elektrischer Impulse?«
»Nichts«, gab Jen an. »Die Sensoren von Jupiter-6 haben Ausstöße aufgezeichnet, die aber so schwach waren, dass sie sie kaum registriert haben.«
Sie blieben stehen und beobachteten, wie sich die Wolke wie ein Gletscher durch das All wälzte. Dampfartige Zungen stiegen aus dem Wust empor und leckten an der umgebenden Leere, als wollten sie davon kosten, bevor die Wolke sie sich wieder einverleibte.
»Du glaubst also, sie ist harmlos?«, fragte Eric sie.
»Wie Schott schon sagte: Nichts Genaues weiß man. Das ist für uns alle neu. Ich denke aber, dass man es recht einfach herausfinden kann.«
»Das denke ich auch«, stimmte er ihr zu. »Wie lange wird es dauern, bis eine Sonde von Jupiter-6 Kontakt herstellen kann?«
»Ich kann sie innerhalb von acht Stunden hinschicken.«
»Dann tu es.«
»In Ordnung.«
Jacoby brauchte zwei Minuten, um sich mit dem Satelliten zu verbinden, und gab dann eine Reihe von Befehlen ein, unter anderem den Startcode für die Sonde. Nachdem alles im erforderlichen Format vorbereitet war, startete sie das Programm. Sie drückte die Entertaste, woraufhin ein Signal an die Sonde übertragen wurde, die an Jupiter-6 befestigt war.
In weniger als einer Sekunde flog sie los in den tiefen Raum, um die Masse genauer abzutasten.