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Kapitel 2

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New Miami

Präsident Steven J. Michelin, der gerade am Ende seiner ersten Amtsperiode zur Wiederwahl antrat, flog mit der Air Force Six ein, einem modifizierten Luftbus, der gerade über dem Landeplatz von New Miami schwebte. Der Pilot richtete die Triebwerke von horizontal auf vertikal aus, wie jene eines Harrier-Jets, und setzte dann langsam zur Landung an.

Sobald die Air Force Six angedockt hatte und verankert war, öffnete sich die Flügeltür.

Präsident Michelin, der einen legeren, sehr teuren Anzug der Marke Bertucci trug, stieg mit seinem Hauptberater die Landungsbrücke hinunter. In einer Hand hielt er einen elektronischen Reader, auf den er sich eine vorgeschriebene Rede geladen hatte, die auf die Empfindungen des Volkes von New Miami zugeschnitten war … Worte der Hoffnung. Die Grundlage seiner Wiederwahl wollte er dadurch schaffen, dass er den Menschen versicherte, dass er sein Amt behalten müsse, weil er sich dann dafür einsetzen könne, ihre Anliegen so lange zu forcieren, bis sie Gesetz wurden.

Dies war eine Politik leerer Versprechungen, denn in Wahrheit sollten jene Anliegen überhaupt nicht erhört werden.

Michelin hielt den Reader in die Höhe und zeigte ihn seinem Berater John Eldridge. »Haben Sie den Text noch einmal durchgesehen?«, fragte er. »Und ihn korrigiert?«

»Ja, das habe ich.«

»Ich spüre irgendwie, dass etwas fehlt … etwas Nachdrückliches. Ich brauche Argumente, mit denen ich diese Menschen im Sturm erobern kann.«

»Da es sich zumeist um ältere Menschen handelt, Mr. President, könnte ich den Text in Hinblick auf die Senkung der Kosten im Gesundheitswesen aufbessern, falls Sie dies wünschen. Sie wissen schon … dem Volk von Miami erzählen, was es hören will.«

Michelin drückte ihm den Reader in die Hand. »Setzen Sie das um, das ist gut.«

»Ja, Sir.« Nachdem Eldridge das Gerät genommen hatte, loggte er sich ein, während sie über den Teppich auf dem Rollfeld gingen.

Am Ende des Weges standen Ehrengäste und politische Würdenträger bereit, deren Lächeln von geheuchelter Gefälligkeit zeugte.

Hände wurden geschüttelt und ein umgänglicher Tonfall herrschte vor, als sie dastanden und von ihrem Flug aus New DC sowie der Hoffnung sprachen, das Wetter möge so freundlich bleiben, denn der Himmel zeigte nur einen vernachlässigbaren Gelbstich, was einen guten Tag für die Rede des Präsidenten verhieß.

Als das Geplänkel endlich vorüber war, begaben sich die Würdenträger zu einem Konvoi aus Limousinen mit Schwebekapazitäten auf dem neuesten Stand der Technik, um eine reibungslose Fahrt über die Straßen der Stadt zu gewährleisten.

Präsident Michelin stieg mit John Eldridge und der Gouverneurin von New Miami in die erste Limousine ein, einer aufgeweckt wirkenden Frau, die sich ihre altersbedingten Gesichtsfalten per Laser hatte entfernen lassen.

Sie ließ sich dem Präsidenten gegenüber auf einem Sitz nieder, dessen Polster sich automatisch ihrer Anatomie anpasste.

Sie flogen dem anführenden Vehikel nun hinterher, dicht gefolgt von zwei weiteren.

Der Präsident wandte sich ohne ein Lächeln und mit belegter Stimme an die Gouverneurin: »Sie sehen den Umständen entsprechend gut aus.«

Sie nickte. »Sie wissen es also?«

»Krebs im vierten Stadium – die Gallenwege, glaube ich. Eine sehr seltene Krebsart.«

»Primär sklerosierende Cholangitis«, antwortete sie. »Selbst mit unserer heutigen Technologie lässt sich nichts dagegen unternehmen, weil die Föderation nicht bereit ist, für die Behandlung aufzukommen. Darin liegt das Problem, Mr. President: Menschen wie ich, sind es – und von uns gibt es viele in New Miami – die finanzielle Hilfe benötigen, um den Lebensstandard zu heben und das Alter auszudehnen.«

Präsident Michelin seufzte mit geschlossenem Mund, dann fragte er: »Wie alt sind Sie denn?«

»Wie bitte?«

»Ich fragte, wie alt Sie sind.«

»Was spielt denn das in diesem Zusammenhang für eine Rolle?«

»Sie sind neunundsiebzig«, sagte er gelassen.

»Und was wollen Sie damit sagen?«

»Damit will ich sagen, Governor, dass Sie ein langes Leben hinter sich haben. Der Tod ist eine Station, an die wir alle irgendwann gelangen. Die finanzielle Hilfe, von der Sie sprechen, brauchen diejenigen, vor denen noch eine beträchtliche Lebensspanne liegt. Gäben wir Geld aus, um Menschen wie Ihnen zu helfen, würde das System innerhalb kürzester Zeit bankrottgehen.«

Sie schien mit einer solchen Offenheit nicht gerechnet zu haben, weshalb ihre Augen wütend aufblitzten. Es kam einem kalten Schwall Wasser in ihr Gesicht gleich. »Mr. President, Sie sind in einem Bezirk, wo die Älteren hoffnungsfroh auf Sie schauen. Die Leute sind nicht hier, um sich Lügenmärchen über Langlebigkeit anzuhören, während wir zwei genau wissen, dass Ihr einziges Ziel vor Ort darin besteht, Wählerstimmen durch Falschaussagen zu sammeln.«

Michelin beugte sich nach vorn, um seiner Erwiderung Gewicht zu verleihen. »Governor, diese politische Debatte dauert nun bereits zwei Jahrhunderte an, ohne dass eine Einigung absehbar wäre. Zunächst einmal tut es mir leid, dass Sie krank sind; das meine ich ernst. Aber ich kann kein Programm fördern, das letztendlich die Staatskassen leeren würde.« Er lehnte sich langsam im Sitz zurück, wendete seinen Blick aber nicht von ihr ab.

»Also werden Sie die Bevölkerung von New Miami einfach anlügen, meinen Sie das damit? So sieht Ihre Kampagne also aus?«

»Ich werde ihnen Hoffnung spenden«, behauptete er.

»Mr. President, die Staatskassen in Mitleidenschaft zu ziehen, ist nicht das Problem.« Sie streckte sich nach dem Platz links neben sich aus, wo ihre Handtasche lag, und zog ein Tablet daraus hervor. Nachdem sie mehrere Online-Befehle eingetippt hatte, öffneten sich Dokumente auf dem Bildschirm. Sie begann nun damit, die buchhalterisch nicht erfassten Ausgaben während seiner Amtszeit als Präsident vorzulesen. »2177 haben Sie widerrechtlich flüssige Mittel zum Bau einer Villa in New Malibu verwendet, dem vornehmsten aller Felder von Elysium. Im selben Jahr bauten Sie außerdem Ihre Anwesen in New Waikiki, New Myrtle Beach und New Bermuda mit diesen Geldern aus. Im Sinne der Gemeinheit gesprochen, hätten diese Mittel ausgereicht, um die Leben von über tausend Menschen im Bezirk New Miami zu retten oder zu verlängern. Sie entschieden sich jedoch trotz des Wissens um unsere Notlage, anders.«

»Dass solche Investitionen getätigt worden sein sollen, ist mir vollkommen neu.«

»2178 stellten Sie vierundzwanzig Familienangehörige in den Dienst Ihres Regierungsstabes, für deren Berufsbilder nicht einmal Beschreibungen existieren und bei denen nicht ersichtlich ist, dass sie den Mitgliedern der Föderation tatsächlich in irgendeiner Weise nutzen. Trotzdem strichen Sie astronomisch hohe Summen als Vergütung ein, die das Listengehalt weit überstiegen. Diese Beträge summieren sich auf insgesamt vierunddreißig Millionen Dollar, Mr. President, mit denen sie über 2650 Leben hätten bewahren können. Allein in diesem Jahr haben Sie …«

Michelin hob eine Hand, um die Frau abzuwürgen. »Genug«, ermahnte er sie. »Das ist alles vollkommen aus der Luft gegriffen. Es gibt nichts, was Ihre Vorwürfe belegt, Governor. Rein gar nichts.«

»In diesem Punkt irren Sie sich, Mr. President, und das wissen wir beide, nicht wahr?«

Er starrte sie einen langen Moment gleichgültig an, bevor er erneut sprach: »Sollten Sie planen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, Governor, garantiere ich Ihnen, dass Sie sich von Beginn an auf einen harten Kampf einstellen dürfen. Offengestanden«, fügte er hinzu, »glaube ich allerdings nicht, dass Sie genügend Zeit und Kraft haben werden, um sich dabei gut zu schlagen.«

Die Gouverneurin machte bereits jetzt einen vollkommen ausgelaugten Eindruck. »Wissen Sie was, Mr. President? Sie haben recht, Sie haben absolut recht. Ich werde noch zwei, vielleicht drei Monate leben, und bis irgendetwas von alledem …« Sie wedelte mit dem Tablet. »… in New DC auf den Tisch kommt, hätten Ihre Lakaien längst dafür gesorgt, dass Ihre Cyber-Fingerabdrücke sauber sind, kein Zweifel. Sie werden Ihre zweite Amtszeit als Bundespräsident der Felder von Elysium bekommen, Sie werden die Menschen der Föderation weiter ausbeuten, und mich wird man einäschern, worüber Sie sich unleugbar diebisch freuen werden.«

Präsident Michelin starrte argwöhnisch ihr Tablet an.

Die Gouverneurin steckte das Gerät nun wieder in ihre Tasche, doch als sie die Hand herauszog, hielt sie plötzlich eine vernickelte Pistole mit Schalldämpfer in der Hand und richtete sie auf den Präsidenten.

Michelin hob erschrocken die Arme hoch. »Moment mal«, lenkte er nervös ein. »Was zum Teufel glauben Sie, tun Sie da?«

Hauptberater Eldridge starrte fassungslos auf die Mündung der Feuerwaffe und bekam den Mund nicht mehr zu. »Falls ich etwas hinzufügen darf, Governor …«

Nun schwenkte die Pistole zu ihm herum. »Nein, dürfen Sie nicht«, ließ sie ihn wissen. »Von Ihnen, Mr. Chief Advisor, will ich nichts weiter, als dass Sie dort sitzenbleiben und Ihren Mund halten. Haben Sie mich verstanden?«

Das hatte er offenbar, denn er fuhr jetzt damit fort, auf den Schirm seines eigenen Tablets zu schauen, als sei nichts Besonderes geschehen.

Sie zielte wieder auf den Präsidenten. »Also«, fuhr sie fort, »wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, wir haben darüber gesprochen, wie zwecklos ein Versuch meinerseits wäre, im Kapitol einen Krieg gegen Sie zu führen, und das stimmt auch. Sie verfügen über stärkeren politischen Einfluss, als ich mir je erträumen könnte. Sie werden sich weiterhin genügend Geld in die Taschen Ihrer Anhängerschaft stecken, damit sie die Wahrheit verdrängt, und die gealterte Bevölkerung von New Miami wird nach wie vor dasselbe Leben führen.«

»Sie wollen das gar nicht tun«, unterstellte Michelin ihr.

»Oh, und ob ich das will, Mr. President. Leute wie Sie verdienen das Privileg nicht, das höchste Amt in diesem Land zu bekleiden. Was das Volk der Felder von Elysium braucht, ist eine integre und moralisch gefestigte Führungsperson.«

»Tja, na dann viel Glück beim Suchen.« Er schaute weiterhin gebannt auf die Pistole. »Ihre Lösung besteht also darin, mich umzubringen, habe ich recht?«

»Ich tue es wirklich nicht gern, weil es sich nicht mit meinem christlichen Glauben vereinbaren lässt, doch es geschieht zum Wohle der Felder von Elysium. Deshalb sehe ich keine andere Wahl, oder Sie etwa?«

»Man kann sich immer frei entscheiden«, erwiderte er. »Wir brauchen nichts weiter zu tun, als zu verhandeln. Ganz einfach, oder?«

»Ich fürchte, Mr. President, von nun an wird es keine weiteren Diskussionen, Debatten oder Verhandlungen mehr geben. Ihre Amtszeit als Staatsoberhaupt ist nun vorbei, tut mir leid.«

In dem Moment, als sie die Waffe mitten auf die Brust des Präsidenten richtete, stürzte Eldridge mit seinem Tablet vorwärts und schlug den Lauf damit zur Seite. Die Waffe ging los, doch die Kugel verfehlte ihr vorgesehenes Ziel und traf stattdessen die Tür.

Michelin beugte sich nach vorn und ergriff die Hand der Gouverneurin. Zwei weitere Schüsse fielen, wiederum unterdrückt durch den Schalldämpfer … die Kugeln schlugen durch das Dach.

»Geben Sie sie schon her, Sie Miststück«, brauste er auf, während er ihr die Waffe zu entreißen versuchte.

Für eine alte und obendrein noch todkranke Frau setzte sie sich auf beachtliche Weise zur Wehr, wie Michelin fand, während er mit ihr um die Pistole kämpfte, denn es war ein Hin und Her, bei dem mal er die Oberhand hatte, dann wieder sie.

»Bleiben Sie nicht einfach tatenlos da sitzen, Sie Trottel!«, herrschte er Eldridge an. »Unternehmen Sie doch etwas!«

Der Hauptberater beugte sich daraufhin nach vorn und drückte die Schultern der Gouverneurin gegen die Rückenlehne, sodass Michelin sie endlich überwältigen konnte.

Er legte beide Hände auf ihre, richtete den Lauf auf die weiche Stelle unter ihrem Kinn, hakte den Finger am Abzug ein und feuerte.

Die Kugel trat an ihrer Schädeldecke aus und hinterließ ein Loch, das ungefähr so groß wie ein Pfirsich war. Die Gouverneurin bäumte sich langsam auf, sackte aber einen Augenblick später zusammen und stieß seufzend einen letzten Atemhauch aus.

Blut und Hirnmasse tropften von der Decke auf ihre Bluse. Die Waffe befand sich noch immer in ihren Händen, als sie mit zur Seite geneigtem Kopf dasaß.

Der Präsident war blutbesudelt, besonders sein Gesicht, an dem die warme, rote Flüssigkeit hinabrann. »Was für eine Schweinerei!«, wetterte er. Dann schaute er auf seine Hände, die ebenfalls mit dem Blut der Gouverneurin bespritzt waren. Sein Anzug zeigte sogar Spuren breiiger Hirnmasse. »Verdammt! Sie hat meinen Bertucci ruiniert!«

»Es musste sein, Mr. President«, beschwichtigte ihn Eldridge. »Sie wollte Sie töten.«

Michelin fuchtelte in einem fort mit seinen Händen in der Luft herum, als ob er das Blut abschütteln wollte. »Was um alles in der Welt soll ich denn jetzt tun?«

»Wir finden schon eine Lösung.«

»Selbstverständlich«, pflichtete er ihm bei, »doch der springende Punkt ist: Wie münzen wir das zu meinem Vorteil um?«

»Die Frau war geistig nicht mehr auf der Höhe; sie litt unter ihrer Krankheit und wäre sowieso bald gestorben. Als sie in ihre Tasche griff, verlor sie ihren Verstand und nahm auf einmal eine Waffe heraus … was ja schließlich der Wahrheit entspricht, korrekt? Die Pistole lässt sich definitiv ihr zuweisen, das wird also kein Problem darstellen. Unsere Vorgehensweise besteht nun darin, eine Geschichte zu erfinden, die Sie in den Augen der Bevölkerung von New Miami gut dastehen lässt. Alles hängt nun einzig und allein davon ab, wie wir es bewerben.«

»Die Ermordung einer Gouverneurin bewerben

»Hören Sie mir einfach zu«, fuhr Eldridge fort. »Obwohl Sie Mitleid angesichts ihres Zustandes hatten, zeigte sie sich Ihrem politischen Programm gegenüber wenig gewogen; darum wurden die Gespräche irgendwann hitziger. Als sie versuchten, die Gefahr einer Frau zu bannen, die labil war und unter Depressionen litt, fiel bedauerlicherweise ein Schuss und tötete sie. Natürlich müssen wir das Ganze noch ein wenig aufhübschen und mit weiteren Details ausschmücken, doch damit durchzukommen ist durchaus möglich.«

»Tun Sie, was auch immer erforderlich ist, John, und sorgen Sie dafür, dass das Ganze wasserdicht ist. Ich möchte keine Patzer in dieser Angelegenheit.«

»Sehr wohl, Mr. President.«

»Und noch etwas.« Er nahm die Handtasche der Gouverneurin und zog das Tablet heraus, um es Eldridge zu übergeben. »Ich will, dass Sie jede Datei auf diesem Gerät zu ihrer Quelle zurückverfolgen. Ich will, dass alles gelöscht wird, und zwar am liebsten schon gestern. Hacken Sie sich in ihre Systeme ein, verfolgen Sie ihre Datenübertragungen – alles, was eine marginale Spur meiner Transaktionen seit Beginn meiner Amtszeit enthalten könnte, und beseitigen Sie es.«

»Das werde ich tun, Mr. President.«

»Und wenn Sie diese Sache für mich erledigt haben, John, verspreche ich Ihnen eine Villa in einem Elysium Ihrer Wahl. Ich weiß, ich muss Ihnen das nicht sagen, doch Sie sollen das Ganze vollkommen unbedenklich abwickeln.«

Eldridge kam nicht umhin, zu schmunzeln. »Sie können sich darauf verlassen, dass ich Sie nicht enttäuschen werde, Mr. President. Das habe ich nie getan und werde es nie tun.«

Michelin wandte sich der Leiche zu, die zu einer Seite gelehnt in ihrem Sitz kauerte, ihr Leben gewaltsam mit einer einzigen Patrone ausgetrieben. Dann blickte er zum Dach über ihr und beobachtete mit makabrer Faszination, wie die blutige Masse dort langsam auf ihre Bluse hinuntertropfte.

Ja, dachte er. Ich werde schon eine Lösung finden, um von diesem Vorfall zu profitieren.

Daraufhin wog er gemeinsam mit John Eldridge seine Optionen ab, während sich der Flieger seinem Bestimmungsort näherte.

MAUSOLEUM 2069

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